Rheinische Post Ratingen

Einer wollte wie Orpheus singen

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Am Düsseldorf­er Schauspiel­haus feierte jetzt „Orpheus steigt herab“von Tennessee Williams eine finstere Premiere.

DÜSSELDORF Nicht erst seit Reinhard Mey zählt Orpheus zu den populärste­n griechisch­en Göttern. Ein Popstar im mythologis­chen Kosmos, der mit seiner Lyra das Unmögliche versucht: seine Frau, die an einem Schlangenb­iss verstarb, aus dem Reich der Toten herauszufü­hren. Was auch zu gelingen scheint, bis Orpheus sich zur Gattin umschaut (was ihm strengsten­s untersagt war) und sie damit auf ewig verliert.

Bei Tennessee Williams ist Orpheus schon in der Hölle angekommen, im Two River County, einem Kaff irgendwo in den Südstaaten der 50er-Jahre, wo Rassismus unfröhlich­e Urständ’ feiert, Sexismus ungehemmt gelebt und Brutalität exekutiert wird. „Orpheus steigt herab“heißt das Drama, an dem Williams 17 Jahre gearbeitet haben soll, nachdem es unter einem anderen Titel 1940 durchgefal­len war.

Unser Orpheus heißt Val, ein in Schlangenl­ederjacke (!) gewandeter freier Geist in unfreier Gesellscha­ft, der einen Job, eine Bleibe sucht. Die findet er bei Lady, die eine Konditorei

wiedereröf­fnen möchte. Ihr sterbenskr­anker Mann liegt oben in seinem Zimmer und bemüht sich mit letzter Luft, seine alte Tyrannei fortzusetz­en: Er selbst war mit von der Partie, als Männer der Ortschaft das Haus von Ladys Vater, einem italienisc­hen Einwandere­r – nach wie vor „Itaker“genannt –, anzündeten und ihn ermordeten. Die vermeintli­che Schuld: Er hatte auch Schwarzen Alkohol ausgeschen­kt.

Das Stück ist ein graues Sammelsuri­um von Gestrandet­en, Irregeleit­eten, Verträumte­n, Liebesunfä­higen. Ein ganz normales Horrorkabi­nett. Daran krankt dieses Drama: Im Mythos gibt es noch einen Schimmer der Hoffnung, bei Williams regiert von Beginn an die Ausweglosi­gkeit. Sicher, dafür finden sich allerlei existentia­listische Schlagwört­er wie die absurde Sinnsuche des modernen Menschen. Dass dies spätestens mit Georg Büchner immer und immer wieder herbeigesc­hworen wird, macht es nicht sonderlich brisanter.

Genau das spiegelt auch die Inszenieru­ng in der Regie von David Bösch. Vor einer mehr oder weniger konvention­ellen Kulisse läuft sich das Stück leer. Es scheint zu implodiere­n, so spannungsl­os ist das, was sich stellenwei­se auf der Bühne abspielt und in klischeeha­ften Darstellun­gen erschöpft: Sebastian Tessenow gibt Val als Melancholi­ker, und Andreas Grothgar muss einen Sheriff spielen, wie man ihn seit „Bonanza“ nicht mehr zu sehen hoffte. Allein Sonja Beißwenger und Lou Strenger können die dankbarere­n Rollen der Lady und Carol mit Ausdruck beleben. Zwischendu­rch gibt es wenige, gruselige Videoproje­ktionen auf den geschlosse­nen Vorhang, die mit ein paar Liedern zwischendu­rch der Inszenieru­ng den Anschein von zeitgemäße­m Theater geben sollen. Der Showdown am Schluss, bei dem an Munition nicht gespart wird, rettet nichts mehr. „Mal sehen, wie es heute Abend ausgeht“, orakelt Carol zu Beginn. Im Grunde recht finster, so und so.

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FOTO: THOMAS RABSCH Sebastian Tessenow in der Rolle des Val Xavier.

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