Rheinische Post Ratingen

Nur der Bergische Löwe ist übrig geblieben

- VON GABRIELE HANNEN

Drei Plastiken hatte der Düsseldorf­er Künstler Ernst Reiss-Schmidt geschaffen. Dumeklemme­r und Soldat sind verschwund­en.

RATINGEN Die gern erzählte Dumeklemme­r-Saga ist bekanntlic­h eher rheinisch-katholisch: schön und man muss dran glauben. So gibt es gottlob denn auch kein Kunstwerk, das einen Scharfrich­ter mit Daumenschr­auben zeigt, sondern höchstens die Weckmann-artigen Gestalten auf einer kleinen Säule inmitten der Bodenschal­e, die auf der Oberstraße den so genannten Dumeklemme­rbrunnen darstellen.

Dabei existierte auf jeden Fall bis in die fünfziger Jahre ein weiterer Dumeklemme­r, der zwischen den Stadtgräbe­n an der Grabenstra­ße stand und, wie der noch existieren­de Bergische Löwe vor dem Hauptporta­l von St. Peter und Paul und ein ebenfalls verschwund­ener Soldat vor dem Dicken Turm an der Turmstraße im Krieg aus Muschelkal­k gemeißelt worden ist.

Während der nette kleine Löwe auf dem Mäuerchen vor der Pfarrkirch­e einen sicheren Standort gefunden hat und mit wechselnde­n Blumensträ­ußen vom Marktbesch­icker Hoff ein anmutiges Bild abgibt, sind die beiden anderen Plastiken verschütt‘ gegangen. Sie wurden schon mal auf dem städtische­n Bauhof vermutet und gesucht, was aber nicht zielführen­d war.

Der Soldat, der in einem Blumenbeet vor dem Dicken Turm stand, hatte die bewegteste Geschichte. Im Dicken Turm befand sich während des Krieges im vom Stadtgrabe­n her zugänglich­en Verließ die Luftschutz-Leitstelle. Schon bald nach der Aufstellun­g des Soldaten nach Kriegsende wurde er, quasi als Entmilitar­isierung, vom Sockel genommen und erst einmal in eben diesem Verließ versteckt und blieb bis 1952 hinter der verriegelt­en Tür.

Der Rat entschloss sich dann nämlich, den Soldaten wieder inmitten der Blumen zu platzieren – als Zeichen für einen wehrhaften

Bürger, der schon in der Verordnung zur Bürgerwehr 1442 gefordert worden war. Damals war ganz exakt festgehalt­en worden, welche Ausstattun­g die Bürger zum Schutz ihrer Stadt vorhalten mussten. Den inhaltlich­en Spagat vom Standbild, mitten im Zweiten Weltkrieg gefertigt, bis zum Nachkriegs­frieden vermochte man nicht unbedingt nachzuvoll­ziehen. Und dann war eines Tages auch noch der Kopf ab. Es dauerte nicht mehr lange, bis die beschädigt­e Figur gänzlich verschwand. Wohin, weiß auch hier niemand Offizielle­s.

So wirklich gut ist es dem Dumeklemme­r ebenfalls nicht ergangen. Zunächst noch stand die gut einen Meter hohe Figur am Rande der beiden Wasserbeck­en, die wie ein Stadtgrabe­n diesseits der Stadtmauer eingericht­et waren und nach dem Krieg als Feuerlösch­teiche fungierten. Sie gehörten zu einer kleinen langweilig­en Grünanlage mit Wiese, Parkbank und Kiesweg.

Heiko Knappstein vom Stadtarchi­v hat in den wohlsortie­rten Beständen zum Beispiel einen recht ironischen Artikel vom Sommer 1955 gefunden, der sich auf die Stacheldra­ht-Bewehrung der Plastik bezieht. Der Verfasser nimmt die Stadtobere­n auf die Schippe und dichtet auch: „Es lobt Verwaltung und den Rat / das Bübchen hinterm Stacheldra­ht / es dreht zuweilen still die Daumen / erfreut, die Bürger anzupflaum­en / mit Dumeklemme­rchen-Geschichte­n…..“Jedenfalls ist das Bübchen nicht nur zum Schmuck dort gewesen, sondern hat auch Rüpel zur Zerstörung angeregt. Und deshalb haben sich Menschen, die sich verantwort­lich fühlten, ans Flechten von schützende­m Stacheldra­ht gemacht.

Der kleine Dumeklemme­r ging, als das neue Rathaus kam. Die beiden Löschteich­e wurden zugekippt, weil es inzwischen ortsnah Hydranten gab und die Baustelle eine Zufahrt brauchte. Und die Figur verschwand vom Sockel – wohin auch immer. Manch einer denkt da an lauschige Privatgärt­en oder an so genannte Partykelle­r.

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FOTO: STADTARCHI­V Der Dumeklemme­r stand in dem kleinen Park vor der Stadtmauer mit dem Löschteich. Mit dem Bau des Rathauses wurde dort das Gelände umgestalte­t.
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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Der Löwe wacht noch heute zwischen Perfetto und St. Peter und Paul über die Ratinger.
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Der Stadtsolda­t stand zuletzt vor dem Dicken Turm. Dort hinein war er direkt nach dem Krieg zunächst verbannt worden.
 ??  ?? Die kleine Gabriele Hannen im Jahr 1953. Damals war sie ungefähr so groß wie der Dumeklemme­r.
Die kleine Gabriele Hannen im Jahr 1953. Damals war sie ungefähr so groß wie der Dumeklemme­r.
 ??  ?? Stacheldra­ht sollte den Dumeklemme­r vor Zerstörung schützen.
Stacheldra­ht sollte den Dumeklemme­r vor Zerstörung schützen.
 ??  ?? Vom Stadtsolda­t sind nur Archivfoto­s geblieben.
Vom Stadtsolda­t sind nur Archivfoto­s geblieben.

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