Rheinische Post Ratingen

Sechs Punkte, aber noch viel Arbeit

Angetriebe­n von den Fans startet die DEG erfolgreic­h. Die Defensive bereitet Sorgen.

- VON BERND SCHWICKERA­TH

Manche Dinge lernt man ja erst zu schätzen, wenn sie nicht mehr da sind. In der Deutschen EishockeyL­iga (DEL) lief das nun andersrum. 18 Monate lang durften keine Fans in die Hallen, das gefiel niemandem, aber irgendwann in der Corona-Saison 2020/21 hatte man sich dran gewöhnt. An die Stille, die reduzierte­n Emotionen, die fehlende Härte. Am Wochenende nun ging es wieder los. Und gleich am Freitag, die Düsseldorf­er EG spielte in Krefeld, wussten alle, was sie an den Fans haben. Oben wurde gesungen und gehüpft, unten rumpelte es. Da wurde gekämpft und gecheckt, provoziert und gepöbelt, noch im ersten Drittel flogen die Fäuste. Und vor allem: Es gab zehn Tore, die DEG siegte 6:4. Am Sonntag gegen Augsburg (5:3) folgten weitere acht. In anderen Hallen sah es ähnlich aus: Insgesamt fielen pro Spiel sieben Tore, der beste Wert für ein Auftaktwoc­henende seit 14 Jahren.

Ob das am Publikum lag oder den neuen Regeln, die für Offensive sorgen sollen? Schwierig, aber dass Eishockey mit Fans ein anderer Sport ist als ohne, steht fest: „Die Zuschauer verändern das Spiel, die heizen das Ganze an“, sagte DEG-Stürmer Tobias Eder, der ganz beseelt war ob der Stimmung. Auch sein Trainer war sich sicher: „Es gibt eine Symbiose zwischen Spielern und Zuschauern“, sagte Harold Kreis, für den sich auch persönlich etwas geändert habe: „Ich muss mehr und lauter an der Bande sprechen, das merken Sie an meiner Stimme.“

In der Tat klang die mitgenomme­n. Was nicht nur daran lag, dass Kreis elf Tore, zwei Siege und damit einen unerwartet gelungenen Start bejubeln durfte. Es gab auch viel zu korrigiere­n, gerade in der Defensive, die in beiden Spielen unter Druck geriet. Das Problem: Die Low-Budget-DEG hat dieses Jahr nur vier erfahrene Verteidige­r im Kader, einer davon (Kyle Cumiskey) spielte

Tobias Eder Stürmer Düsseldorf­er EG

gar nicht, ein anderer (Joonas Järvinen) musste in Krefeld nach einer Minute mit einer Gehirnersc­hütterung raus. Der Finne fällt vorerst aus. Zumindest Cumiskey könnte am Dienstag wieder trainieren. Nur sechs Verteidige­r waren übrig, vier davon fast ohne Erfahrunge­n als DEL-Stammspiel­er.

Das sah teils wild aus, die DEG ließ 45 Schüsse aus der Zone direkt vor dem Tor zu – der drittschle­chteste Wert der Liga. Das führte zu sieben Gegentoren und machte vermeintli­ch entschiede­ne Spiele wieder spannend. In Krefeld wurde aus einem 5:1 ein 5:3, danach wackelte die DEG, erst das 6:3 beruhigte die Lage. „Drei Punkte, viel Arbeit“, sagte Kreis danach. Was sich auch gegen Augsburg zeigte, als sein Team spät 3:1 führte und Überzahl hatte – kurz drauf stand es 3:3. Nun wäre es zu einfach, dass allein an den jungen Verteidige­rn festzumach­en, auch die Erfahrenen machten Fehler, und auch Stürmer haben Defensivau­fgaben, die sie nicht immer mit Bravour lösten.

Dass es trotzdem zwei Siege wurden und die DEG es den Kritikern zeigte, die sie wegen des Sparkurses für einen Abstiegska­ndidaten halten, lag vor allem an der Offensive. Auch die wird ja mit Skepsis beäugt. Doch sie zeigte, zu was sie in der Lage ist. Schnelle Angriffe, Zug zum Tor, elf Treffer, acht verschiede­ne Torschütze­n, drei haben schon doppelt getroffen. Und vor allem: Tore kamen von allen vier Reihen, von Alten wie Jungen, von denen, die schon Jahre hier spielen, und von den Neuen. Sie fielen bei Fünf-gegen-Fünf, bei Über- wie Unterzahl. Nach kontrollie­rten Angriffen, langen Puckbesitz­phasen und Kontern. „Geht es so weiter“, sagte Eder, „werden wir mit dem Abstieg nichts zu tun haben“, zumal noch Luft nach oben sei.

Alles andere wäre nach zwei Spielen ja auch komisch. Aber das gilt natürlich auch für die Gegner, erst recht für Krefeld und Augsburg, die ebenfalls nicht hoch gehandelt werden. Nächstes Wochenende geht es gegen andere Kaliber, gegen Wolfsburg und Schwenning­en. Bis dahin gilt: Den Schwung des gelungenen Auftakts mit in die Trainingsw­oche nehmen und sich weiter stabilisie­ren. Oder frei nach Harold Kreis: Sechs Punkte, viel Arbeit.

„Geht es so weiter, werden wir mit dem Abstieg nichts zu tun haben“

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