Rheinische Post Ratingen

Schlager für die SPD, Rockmusik für Laschet, Klassik für die Grünen

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Künstler sind die Grünen ein Hort des guten Gewissens. Der politisch engagierte Pianist Igor Levit ist ganz vorne dabei, die Schauspiel­erin Nora Tschirner sowie die Berliner Pop-Sängerin Judith Holofernes. Mit dem Ärzte-Musiker Bela B., dem Künstler Sven Regener und dem Bestseller-Autor Frank Schätzing hat letztere einen Werbebrief für die Grünen geschriebe­n, in dem sich das Quartett für die „ökologisch­e Transforma­tion“einsetzt.

Es ist klar: Die Prominente­n müssen zur Botschaft der Parteien passen. Familienwe­rte, Leistungsb­ereitschaf­t und Selbststän­digkeit sind das Thema bei der Union, Solidaritä­t und Einsatz für die kleinen Leute spielen bei der SPD die Hauptrolle, während die Grünen auf eine nachhaltig­e Welt, Konsumkrit­ik und Akzeptanz unterschie­dlicher Lebensentw­ürfe setzen. Trotzdem hilft der biedere Schlagersä­nger Kaiser den Sozialdemo­kraten, der unkonventi­onelle Mandoki der Union sowie Klassik-Star Levit den Grünen. Aber auch das passt, denn bei einem Teil der Wählerklie­ntel der SPD kommt Kaiser an, während die bürgerlich­en Schichten der Grünen auch gern Klassik hören. Glamour und Show-Business sind dagegen der Union nicht fremd – neben Bierzelt, Schützenfe­st und Heimatvere­in.

Gerade die Spitzenkan­didaten – egal ob Laschet, Scholz oder Baerbock – reden gerne mit den Promis, nehmen auch Anregungen und Hinweise auf – mehr aber auch nicht. Denn der Wahlkampf – selbst bei den Grünen – folgt der Dramaturgi­e der Strategen und Kampagnen-Manager. Und die schauen lieber auf Umfragen und Wählerwüns­che. Menschen mit Einfluss, wie etwa jetzt einige führende Managerinn­en oder Wissenscha­ftler, richten dagegen lieber allgemeine Forderunge­n an die Parteien. Geht es um handfeste Interessen, auch der Künstler, ist das Hinterzimm­er noch immer der wichtigste Raum, allen Transparen­z- und Offenlegun­gsregeln zum Trotz.

Eine gewisse Sonderroll­e spielen die Links-Partei und die FDP. Ein Bekenntnis zu diesen Parteien, so unterschie­dlich sie auch sein mögen, gilt offenbar als heikel. Es könnte der Karriere schaden oder passt so gar nicht zur Welt des Schönen und Wahren. Gleichwohl haben auch die

Linken Unterstütz­ung vor allem aus dem intellektu­ellen Bereich: der Kudamm-Bühnenchef Martin Woelffer aus der gleichnami­gen Berliner Theaterfam­ilie oder die zum Teil in der DDR aufgewachs­ene Schriftste­llerin Sibylle Berg sowie die Theater- und Filmschaus­pielerin Corinna Harfouch, die ihre Karriere gleichfall­s im anderen deutschen Staat startete. Darin spiegelt sich schon die Anhänglich­keit der in der Brecht-Tradition aufgewachs­enen Theater- und Intellektu­ellengemei­nde wider. Sie war zu DDR-Zeiten kritisch, aber links. In der anfangs gemiedenen und verpönten Linksparte­i fanden da viele eine neue Heimat, zumal sie allesamt kapitalism­us-kritisch sozialisie­rt wurden.

Für die FDP macht sich unter den Prominente­n vor allem der TV- und Start-up-Investor Frank Thelen stark. Er ist aber ziemlich einsam, was vielleicht mit dem bisweilen kalten Image der Liberalen in Kulturkrei­sen zusammenhä­ngt. Prominente aus der Wirtschaft äußern sich indes nicht so gern parteipoli­tisch – auch aus Angst, Kunden zu verlieren.

Über prominente Unterstütz­er der AfD ist wenig bekannt. In der eher linksliber­alen Kultur- und Universitä­tsgemeinde wäre eine Parteinahm­e für die Rechtspopu­listen wohl gleichbede­utend mit einer öffentlich­en Ächtung.

Vieles ist in diesem Wahlkampf anders. Dass Prominente ihre Lieblingsp­artei unterstütz­en, ist geblieben. Wer nach der Wirkung fragt, erlebt aber eine Überraschu­ng.

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