Mit Kunst die Welt besser machen
Der Düsseldorfer Künstler Thomas Stricker baut soziale Plastik in Namibia. Jetzt ist eine Retrospektive des Bildhauers im Weltkunstzimmer zu sehen.
DÜSSELDORF Thomas Stricker, Jahrgang 1962, zwei Jahre jünger als Christoph Schlingensief, bringt kein Operndorf ins westafrikanische Burkina Faso, aber einen ständig wachsenden Schulgarten mit Klassenräumen
und Kinderheim ins Township Kalkfeld in Namibia und eine Kompostieranlage nach Mexiko City. Das Weltkunstzimmer in den morbiden Räumen an der Ronsdorfer Straße ist das richtige Milieu, um seine globalen Infrastrukturprojekte vorzustellen.
Der Meisterschüler von Klaus Rinke ist in seiner Wahlheimat eher durch seine U-Bahn-Station Benrather Straße bekannt, mit Panoramafenstern, durch die der Fahrgast ein animiertes Weltall betrachten kann. Im Weltkunstzimmer aber feiert er den 100. Geburtstag von Joseph Beuys auf seine Weise. Er begreift dessen erweiterten Kunstbegriff als bildhauerische Aufgabe zur Gestaltung der Gesellschaft. Aber er nennt auch den Unterschied zu Beuys, wenn er sagt: „Für mich ist die soziale Plastik nicht nur Theorie, denn ich führe meine Ideen auch aus. Meine Projekte haben eine zwischenmenschliche und politische Relevanz und werden auf Augenhöhe mit den Betroffenen ausgeführt.“
Seine Arbeiten entstehen weltweit. 1994 war er erstmals in der Mongolei, auf der Suche nach dem Anderen. Er liebt fremde Orte, versucht, die Nomaden aller Länder zu verstehen, vermittelt zwischen Kunst und Entwicklungshilfe und bezieht Fremde als Freunde und Mitproduzenten in den Schaffensprozess ein. In einem Mongolei-Shop in Bonn kaufte er eine mongolische Jurte, auf deren Gitterstäben er 120 Fotos aus seinem Schulgartenprojekt in Namibia heftet. Seit 2007 sammelt er dafür Geld und fährt regelmäßig hin, um inzwischen 500 Kindern täglich ein Essen anzubieten, das von ehrenamtlichen Helfern gekocht wird. Die Fotos zeigen die innige Verbundenheit des Künstlers und seiner Frau mit dem Dorf. Er sagt: „Es ist eine Freude, dass mittlerweile in der ganzen Location kleine Gärten entstanden sind, die das Township auch visuell verändern.“
2009 erhielt er über das GoetheInstitut in Mexiko-Stadt eine ungewöhnliche Anfrage, ob er die Müllproblematik der Stadt thematisieren wollte. Prompt baute er eine Kompostieranlage, denn für ihn ist die Kunst eine moralische Verpflichtung im Dialog zwischen Erster und Dritter Welt. Aus dem Tausch- und Handelsplatz der Azteken wurde im Laufe der Jahre ein Ort des ökologischen Austausches und ein Treffpunkt für die Anlieger. Seine Projekte sind künstlerische Modellversuche, um die Welt wenigstens an einem winzigen Flecken zu verändern und zu verbessern.
Seinen ersten Wettbewerb hatte er 2001 in Düsseldorf gewonnen, als das Kanal- und Wasserbauamt einen Brunnen ausschrieb. Die Ausführung aber liegt in der Gemeinde Kivaa in Kenia und bietet zwei Dörfern sauberes Trinkwasser.