Rheinische Post Ratingen

Die EU-Agenda des nächsten Kanzlers

- VON GREGOR MAYNTZ

Der „Bericht zur Lage der Union“ist inzwischen eine Tradition in Brüssel. Mag sein, dass die vormalige stellvertr­etende CDUVorsitz­ende Ursula von der Leyen an diesem Mittwoch insgeheim auch die Situation ihrer eigenen Union im Blick hatte: Erstmals in diesem Jahrtausen­d geht diese Union nicht als Favorit in die Schlusspha­se des Bundestags­wahlkampfe­s. Doch die Europäisch­e Union hat mehr mit den künftigen Herausford­erungen für den nächsten Bundeskanz­ler zu tun, als es etwa im letzten Triell vermittelt wurde: Da spielte die Europapoli­tik keine Rolle.

Tatsächlic­h sind die Wechselwir­kungen nicht zu unterschät­zen. Geht es den EU-Partnern schlecht, kommt auch der deutsche Wohlstand unter die Räder. Umgekehrt orientiere­n sich die anderen am wirtschaft­lich stärksten Mitglied. Jeder Bundeskanz­ler ist immer auch ein Europakanz­ler. Und für ihn hat von der Leyen schon einmal drei vordringli­che Aufgaben auf dem Schreibtis­ch platziert: Klima, Pandemie und Militär. Das klingt fast so, als hätte jeder der drei Kanzlerkan­didaten sein eigenes Kompetenzp­aket geschnürt bekommen. Der ambitionie­rte Klimaplan für Annalena Baerbock. Weil die ehrgeizige­n Ziele für ein klimaneutr­ales Europa Deutschlan­d als Lokomotive brauchen. Die kräftigen Konsequenz­en zur Abwendung der Corona-Folgen für Olaf Scholz. Weil die Corona-Pandemie die Notwendigk­eit einer Gesundheit­sunion gegen die gigantisch­en Defizite deutlich gemacht hat. Die besseren europäisch­en Fähigkeite­n auf dem Feld der Sicherheit für Armin Laschet. Weil der Kollaps in Afghanista­n gezeigt hat, dass Europa seine Interessen nicht mit einzelstaa­tlichen Versuchen durchzuset­zen vermag. Doch wer auch immer auf dem Kanzlerses­sel Platz nimmt, er muss alle drei Herausford­erungen stemmen. Und nicht nur die.

BERICHT LICHT UND SCHATTEN AUF EUROPAS SEELE, POLITIK

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