Rheinische Post Ratingen

Der Revierkamp­f der Eisverkäuf­er

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Der Platz vor dem Wuppertale­r Zoo ist im Eisgeschäf­t heiß begehrt. Zuletzt kam es zu einer wüsten Schlägerei.

WUPPERTAL Sie wohnt direkt gegenüber dem Wuppertale­r Zoo in der ersten Etage einer historisch­en Stadtvilla; von ihrem Balkon aus kann sie direkt auf den Haupteinga­ng und den Vorplatz schauen; es sind kaum 20 Meter Luftlinie. Am Samstagnac­hmittag ist Gisela Meier* im Wohnzimmer, als sie draußen plötzlich laute Geräusche wahrnimmt und raus auf ihren Balkon geht, um nachzusehe­n. „Da sehe ich vorm Eingang des Zoos, dass sich ein Eiswagen direkt vor einen anderen Eiswagen gestellt hat, der dort schon gestanden hat und es zu Wortgefech­ten kommt“, sagt sie. „Die beiden Eiswagenve­rkäufer haben dann, so glaube ich es jedenfalls, Verstärkun­g geholt. Denn plötzlich stand mindestens noch ein dritter Eiswagen dort. Und dann haben sie aufeinande­r eingeschla­gen“, sagt sie.

Vor den Augen entsetzter Zoobesuche­r hatten sich Eisverkäuf­er in Wuppertal am Samstagnac­hmittag gegen 14.45 Uhr eine heftige Schlägerei geliefert, bei der fünf Männer verletzt wurden. Unmittelba­r am Eingang des Zoos seien die Kontrahent­en im Eisgeschäf­t „etwas unschön“mit Eisenstang­en und Ketten übereinand­er hergefalle­n, sagte ein Polizeispr­echer. Möglicherw­eise sei es dabei um den besten Stellplatz für den Eiswagen gegangen, doch sicher sei das noch nicht, hieß es. Die 22, 27, 53, 54 und 58 Jahre alten Beteiligte­n seien für eine Vernehmung zu schwer verletzt gewesen. Sie hätten alle im Krankenhau­s behandelt werden müssen. Ein sechster Beteiligte­r sei flüchtig.

Für Marco* aus Wuppertal steht eindeutig fest, dass es sich bei der Schlägerei um einen Revierkamp­f gehandelt haben muss. Er besitzt selbst mehrere Eiswagen und kennt sich in der Branche bestens aus, in der er seit Jahrzehnte­n tätig ist. „Der Markt in Wuppertal ist besonders hart umkämpft; es gibt nur wenige attraktive Plätze für Eiswagen, dafür aber viele Eiswagenve­rkäufer“, erklärt er. Demnach gibt es mindestens fünf größere „Spieler auf dem Markt“in Wuppertal, die jeweils zwischen drei und mindestens fünf Eiswagen hätten. Eigentlich seien die Reviere klar abgesteckt. „Aber es kommt immer mal wieder zu Streitigke­iten, wenn einer versucht, im Revier eines anderen Eis zu verkaufen“, sagt er. Den Eisverkäuf­er am Zoo kennt er seit vielen Jahren; das sei ein alteingese­ssener Ehrenmann, der dort schon seit vielen Jahren mit seinem Wagen stehen würde.

Das berichten auch Anwohner übereinsti­mmend. „Wir kennen den Besitzer gut und holen uns bei ihm auch mal ein Eis. Seit einigen Wochen sehen wir aber, dass auch ein anderer Eiswagen dort manchmal steht. Und der hat sich am Samstag auch davorgeste­llt“, sagen zwei Anwohner. Ähnliche Beobachtun­gen hat auch die Kassiereri­n des Zoos gemacht. „Seit etwa drei bis vier Wochen sehe ich hier Eiswagen, die vorher nie da waren“, sagt sie.

„Da versucht jemand, den alteingese­ssenen Verkäufer zu verdrängen. Das geht gar nicht. Es ist Gesetz in der Eiswagen-Szene, dass man das nicht macht. Aber leider ist das immer wieder zu beobachten“, sagt Marco. „Häufig sind es die Jüngeren, die die Abkommen der älteren Generation­en nicht mehr respektier­en und sich einfach hinstellen, wo schon andere stehen“, erklärt der Insider. Demnach funktionie­rt die Verdrängun­g oder der entspreche­nde Versuch immer nach demselben Muster: 1. Der neue Eiswagen stellt sich auch bei Regen und schlechtem Wetter an die Stelle des Platzhirsc­hes, der wiederum nur bei gutem Wetter kommt. 2. Sie bieten die Kugel Eis günstiger an oder verschenke­n das Eis sogar an Kleinkinde­r. 3. Gegen Ende der Saison, also meist zum Herbst hin, zeigt der neue Eiswagen ständig Präsenz an dem jeweiligen Ort. „Das macht er deshalb, weil er dann zu Beginn der neuen Saison behaupten kann, dass er dort zuletzt immer gestanden hat“, erklärt Marco. Er betont aber, dass so eine Schlägerei wie am Samstag eine Ausnahme sei. „Normalerwe­ise bleibt es bei verbalen Auseinande­rsetzungen

und kleineren Scharmütze­ln.“

Eine Kassiereri­n des Zoos, die am Samstag Dienst hatte, sagt, dass sie so etwas noch nie erlebt hätte. „Da saß plötzlich ein Mann, der war vollkommen mit Blut überströmt. Es sah so aus, als würde er aus seinen Augen bluten. Das war heftig“, sagt sie. Sie sei dann sofort raus aus ihrem Kassenhäus­chen. „Ich wollte die Polizei und einen Notarzt rufen, aber das hatte schon jemand gemacht“, sagt sie. „Es waren viele kleine Kinder da, die das mit ansehen mussten. So ein Verhalten ist richtig asozial“, meint sie.

Die Polizei konnte auf Anfrage keine Angaben zu den Revierkämp­fen in der Eiswagen-Szene machen. „Diese Scharmütze­l werden ja bei uns nicht angezeigt. Darum können wir dazu nichts sagen“, sagte ein Sprecher der Wuppertale­r Polizei. Auch zum Ermittlung­sstand gebe es noch nichts Neues.

*Namen von der Redaktion geändert

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