Paukenschlag beendet Biennale 2021
Wortakrobatik vom Feinsten gab es zum Abschluss der diesjährigen Neanderland Biennale. Das Theaterfestival begeisterte mit seinem Konzept, zehn Städte im Kreis Mettmann in Sehnsuchtsorte zu verwandeln. Von Claudia Michelsen bis Schulaufführung war alles dabei.
METTMANN Zum Abschluss der „Neanderland Biennale“gab es im Foyer des Neandertal Museums Poetry Slam vom Feinsten. Die Resonanz aufs Event war so groß, dass bei den Sitzplätzen improvisiert werden musste. Mit ein wenig Verzögerung, die herausgesprungenen Sicherungen geschuldet war, betrat Moderator Jan Schmidt aus Wülfrath die Bühne und eröffnete den modernen Literaten-Wettstreit, der neudeutsch Poetry- Slam.
„Leider steht er dann nicht selbst als aktiver Slamer auf der Bühne“, bedauert seine Oma, die bei allen Veranstaltungen dabei und sehr stolz auf ihren Enkel ist. „Er ist Samstagabend noch in Kelsterbach aufgetreten, das war mir aber zu weit.“Gleich vier Schwergewichte der Slammer-Szene waren eingeladen: Luca Swieters aus Köln outete sich in der ersten Runde, in der alle Vier einen extra für die Veranstaltung geschriebenen Text zum Thema Neandertal präsentieren mussten, dass sie ihren „ohne Vorkenntnisse“geschrieben habe. Sie erhob das „Neanderland“ob seiner Sehenswürdigkeiten, Natur, Menschen literarisch kurzerhand zum „Staat“, in den sich vom „Tourismusverband einbürgern lassen würde, der das Neanderland schließlich erschaffen hat“.
Düsseldorferin Meral Ziegler erstellte eine „wissenschaftliche Abhandlung über den historischen Neandertaler“mit seinen heute noch lebenden Nachfahren und kam zu dem Schluss, dass das für den Original-Neanertaler kein fairer Vergleich sei. David Gerhold, unfreiwillig gebürtiger Wülfrather, wie er betonte, war quasi Lokalmatador und konnte als einziger mit Ortskenntnis aufwarten. Sein Text sei etwas „egozentrisch“geraten, handle er doch von Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend im Kreis. Dem Panorama-Radweg sprach er im Herbst und Winter aufgrund von „Massen an wahlweise rutschigem Laub oder ebensolchem Schnee“seine Tauglichkeit
für Fahrradfahrer ab.
Per Applausometer – also der Stärke des Publikumbeifalls – begaben sich dann mit Florian Stein, der im entscheidenden Zweikampf Meral Ziegler den Sieg davontrug, die begeisterten Zuhörer bei seinem Neanderland-Text dem Rätsel um „den Turm, der einer menschlichen Kalotte nachempfunden und den Fundort der berühmten Knochen erlebbar machen solle“. Gemeint war damit der am Neanderthal Museum beschlossene Turmbau, wie Kreisdirektor Martin M. Richter bestätigte.
Florian Stein, der aus Bochum, was laut Jan Schmidt „das Paris des Ruhrpotts“ist, eroberte auch mit seinem „Battle-Rapp“das Publikum und durfte sich am Ende von Barbara Bußkamp, Kulturamtsleiterin im
Kreis Mettmann, eine Goldmedaille für seinen Sieg der Wortakrobaten umhängen lassen.
Damit ist die zehnte Ausgabe der Neandertal Biennale beendet, die mit einem Bürgerdinner in Langenfeld begonnen hat. In diesem Jahr machte das Theaterfestival die zehn Städte im Kreis Mettmann zu Sehnsuchtsorten – und fand bei allen Terminen sein Publikum. Zwar musste wetterbedingt der akrobatische Seiltanz in Wülfraths Stadtpark ausfallen – die Spielwiese, die für die Attraktion genutzt werden sollte, stand unter Wasser – und auch „Michel aus Lönneberga“wurde – ebenfalls wetterbedingt – als Puppentheater vom malerischen Kirchplatz in den AwoSaal
verlegt. Aber die Mischung von Schultheater bis Promi-Auftritt und der Bandbreite der Themen waren schlichtweg mitreißend. In Mettmann gab es beispielsweise Peter Trabner und seinen „Empedokles“auf der Wiese hinter der Goldberger Mühle zu bestaunen, ehe eine knallrote Zelle im Herzen der Stadt für Furore sorgte. „Schöner Warten“betitelt, wurden hier Gäste zur philosophischen Kunstinstallation eingeladen. Aber auch das „Shakespeare take away“, Lesungen mit Regionalschreiber Tilman Strasser und ein Theaterspaziergang machten das Festival zur Sehnsuchts-Veranstaltung – der Sehnsucht nach mehr Theater im Neanderland.