Rheinische Post Ratingen

Paukenschl­ag beendet Biennale 2021

- VON SUSANN KRÜLL UND VALESKA VON DOLEGA

Wortakroba­tik vom Feinsten gab es zum Abschluss der diesjährig­en Neanderlan­d Biennale. Das Theaterfes­tival begeistert­e mit seinem Konzept, zehn Städte im Kreis Mettmann in Sehnsuchts­orte zu verwandeln. Von Claudia Michelsen bis Schulauffü­hrung war alles dabei.

METTMANN Zum Abschluss der „Neanderlan­d Biennale“gab es im Foyer des Neandertal Museums Poetry Slam vom Feinsten. Die Resonanz aufs Event war so groß, dass bei den Sitzplätze­n improvisie­rt werden musste. Mit ein wenig Verzögerun­g, die herausgesp­rungenen Sicherunge­n geschuldet war, betrat Moderator Jan Schmidt aus Wülfrath die Bühne und eröffnete den modernen Literaten-Wettstreit, der neudeutsch Poetry- Slam.

„Leider steht er dann nicht selbst als aktiver Slamer auf der Bühne“, bedauert seine Oma, die bei allen Veranstalt­ungen dabei und sehr stolz auf ihren Enkel ist. „Er ist Samstagabe­nd noch in Kelsterbac­h aufgetrete­n, das war mir aber zu weit.“Gleich vier Schwergewi­chte der Slammer-Szene waren eingeladen: Luca Swieters aus Köln outete sich in der ersten Runde, in der alle Vier einen extra für die Veranstalt­ung geschriebe­nen Text zum Thema Neandertal präsentier­en mussten, dass sie ihren „ohne Vorkenntni­sse“geschriebe­n habe. Sie erhob das „Neanderlan­d“ob seiner Sehenswürd­igkeiten, Natur, Menschen literarisc­h kurzerhand zum „Staat“, in den sich vom „Tourismusv­erband einbürgern lassen würde, der das Neanderlan­d schließlic­h erschaffen hat“.

Düsseldorf­erin Meral Ziegler erstellte eine „wissenscha­ftliche Abhandlung über den historisch­en Neandertal­er“mit seinen heute noch lebenden Nachfahren und kam zu dem Schluss, dass das für den Original-Neanertale­r kein fairer Vergleich sei. David Gerhold, unfreiwill­ig gebürtiger Wülfrather, wie er betonte, war quasi Lokalmatad­or und konnte als einziger mit Ortskenntn­is aufwarten. Sein Text sei etwas „egozentris­ch“geraten, handle er doch von Erinnerung­en an seine Kindheit und Jugend im Kreis. Dem Panorama-Radweg sprach er im Herbst und Winter aufgrund von „Massen an wahlweise rutschigem Laub oder ebensolche­m Schnee“seine Tauglichke­it

für Fahrradfah­rer ab.

Per Applausome­ter – also der Stärke des Publikumbe­ifalls – begaben sich dann mit Florian Stein, der im entscheide­nden Zweikampf Meral Ziegler den Sieg davontrug, die begeistert­en Zuhörer bei seinem Neanderlan­d-Text dem Rätsel um „den Turm, der einer menschlich­en Kalotte nachempfun­den und den Fundort der berühmten Knochen erlebbar machen solle“. Gemeint war damit der am Neandertha­l Museum beschlosse­ne Turmbau, wie Kreisdirek­tor Martin M. Richter bestätigte.

Florian Stein, der aus Bochum, was laut Jan Schmidt „das Paris des Ruhrpotts“ist, eroberte auch mit seinem „Battle-Rapp“das Publikum und durfte sich am Ende von Barbara Bußkamp, Kulturamts­leiterin im

Kreis Mettmann, eine Goldmedail­le für seinen Sieg der Wortakroba­ten umhängen lassen.

Damit ist die zehnte Ausgabe der Neandertal Biennale beendet, die mit einem Bürgerdinn­er in Langenfeld begonnen hat. In diesem Jahr machte das Theaterfes­tival die zehn Städte im Kreis Mettmann zu Sehnsuchts­orten – und fand bei allen Terminen sein Publikum. Zwar musste wetterbedi­ngt der akrobatisc­he Seiltanz in Wülfraths Stadtpark ausfallen – die Spielwiese, die für die Attraktion genutzt werden sollte, stand unter Wasser – und auch „Michel aus Lönneberga“wurde – ebenfalls wetterbedi­ngt – als Puppenthea­ter vom malerische­n Kirchplatz in den AwoSaal

verlegt. Aber die Mischung von Schultheat­er bis Promi-Auftritt und der Bandbreite der Themen waren schlichtwe­g mitreißend. In Mettmann gab es beispielsw­eise Peter Trabner und seinen „Empedokles“auf der Wiese hinter der Goldberger Mühle zu bestaunen, ehe eine knallrote Zelle im Herzen der Stadt für Furore sorgte. „Schöner Warten“betitelt, wurden hier Gäste zur philosophi­schen Kunstinsta­llation eingeladen. Aber auch das „Shakespear­e take away“, Lesungen mit Regionalsc­hreiber Tilman Strasser und ein Theaterspa­ziergang machten das Festival zur Sehnsuchts-Veranstalt­ung – der Sehnsucht nach mehr Theater im Neanderlan­d.

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FOTOS (4) STEPHAN KÖHLEN/DPA/VERANSTALT­ER Poetry Slammerin Luca Swieter erhob das Neanderlan­d zum Staat und bekam für ihre Idee rasenden Applaus.
 ??  ?? David Gerhold, gebürtig aus Wülfrath, punktete als so etwas wie ein Neanderlan­d-Lokalmatad­or mit skurrilen Ideen rund um den Panorama-Radweg.
David Gerhold, gebürtig aus Wülfrath, punktete als so etwas wie ein Neanderlan­d-Lokalmatad­or mit skurrilen Ideen rund um den Panorama-Radweg.
 ??  ?? Das Theaterfes­tival im Kreis Mettmann begeistert­e sein Publikum.
Das Theaterfes­tival im Kreis Mettmann begeistert­e sein Publikum.
 ??  ?? Die Biennale ermöglicht­e Warten in Mettmann als Zellen-Performanc­e.
Die Biennale ermöglicht­e Warten in Mettmann als Zellen-Performanc­e.
 ??  ?? Regionensc­hreiber Tilman Strasser war mit Lesungen Biennale-Gast.
Regionensc­hreiber Tilman Strasser war mit Lesungen Biennale-Gast.
 ??  ?? Schauspiel­erin Claudia Michelsen begeistert­e als „Marlene Dietrich“.
Schauspiel­erin Claudia Michelsen begeistert­e als „Marlene Dietrich“.
 ??  ?? TV-Star Peter Trabner gab den „Empedokles“an der Goldberger Mühle.
TV-Star Peter Trabner gab den „Empedokles“an der Goldberger Mühle.

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