Heftiger Streit um Auslegung des Urteils zum Hambacher Forst
DÜSSELDORF Das Gerichtsurteil zur rechtswidrigen Räumung des Hambacher Forsts hat im Landtag zu einem heftigen Schlagabtausch geführt. Der SPD-Oppositionspolitiker Stefan Kämmerling forderte Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) auf, sich dafür zu entschuldigen, mit einer rechtswidrigen Weisung den größten Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes veranlasst zu haben. SPD und Grüne hätten immer wieder davor gewarnt, den Konflikt im Hambacher Forst über den Brandschutz lösen zu wollen. In der Regierungszeit von Rot-Grün habe es in dem Forst zwar auch Probleme gegeben: „Aber wir haben zu keinem Zeitpunkt eine rechtswidrige Weisung erteilt.“Auch die Grünen übten harte Kritik: „Es steht im Raum, ob die Ministerin ihren Amtseid ‚Gerechtigkeit gegenüber jedermann’ zu üben, gebrochen hat“, sagte der frühere Umweltminister Johannes Remmel. Indem sie das Baurecht heranzog, habe sie sich zur „Frau Hilfssheriff“des Innenministers gemacht, so sein Fraktionskollege Arndt Klocke.
Scharrenbach betonte, das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts sei noch nicht rechtskräftig, die Landesregierung werte die Begründung noch aus. Um gegen die Entscheidung in der nächsthöheren Instanz vorgehen zu können, prüfe sie, nachträglich einen Antrag auf Beiladung zu stellen. Bei allen Verfahren habe die Landesregierung um Beiladung – nur bei diesem Verfahren
nicht, sagte Scharrenbach. Dem widersprach ein Sprecher des Verwaltungsgerichts: Eine Bitte der Landesregierung auf Beiladung in dem Verfahren habe es gar nicht gegeben, teilte der Vorsitzende Richter Michael Ott auf Anfrage unserer Redaktion schriftlich mit.
In der jetzt veröffentlichten Urteilsbegründung heißt es, der im Bauordnungsrecht verankerte
Johannes Remmel Grünen-Politiker und Ex-Umweltminister
Brandschutz sei nur vorgeschoben und habe lediglich als Vehikel zur Räumung der Baumhäuser gedient. „Letztlich ging es erkennbar darum, für die polizeilichen Aktionen eine Rechtsgrundlage zu finden“, heißt es in der Urteilsbegründung. Damit lägen der Weisung des Bauministeriums sachfremde Erwägungen zugrunde. So sei diese Weisung in sich widersprüchlich: Erst sei die Rede davon, die Baumhausbewohner müssten gegen Brandgefahr geschützt werden. Dann aber würden Erkenntnisse von Polizei und Verfassungsschutz zur Waldbesetzerszene
erwähnt. Dies sei ein klarer Paradigmenwechsel vom Schutz der Bewohner hin zum Schutz der Gesellschaft vor den Bewohnern. Das Urteil nennt weitere Fehler der Landesregierung, etwa einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot.
Der emeritierte Staatsrechtler Christoph Degenhart hatte gesagt: „Wenn die Landesregierung die Zulassung zur Berufung beantragt, wird sie damit voraussichtlich Erfolg haben, weil die Sache von grundlegender Bedeutung ist.“Das Oberverwaltungsgericht würde das Verfahren dann noch einmal aufrollen.
„Es steht im Raum, ob die Ministerin ihren Amtseid gebrochen hat“