Rheinische Post Ratingen

Heftiger Streit um Auslegung des Urteils zum Hambacher Forst

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Das Gerichtsur­teil zur rechtswidr­igen Räumung des Hambacher Forsts hat im Landtag zu einem heftigen Schlagabta­usch geführt. Der SPD-Opposition­spolitiker Stefan Kämmerling forderte Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch (CDU) auf, sich dafür zu entschuldi­gen, mit einer rechtswidr­igen Weisung den größten Polizeiein­satz in der Geschichte des Landes veranlasst zu haben. SPD und Grüne hätten immer wieder davor gewarnt, den Konflikt im Hambacher Forst über den Brandschut­z lösen zu wollen. In der Regierungs­zeit von Rot-Grün habe es in dem Forst zwar auch Probleme gegeben: „Aber wir haben zu keinem Zeitpunkt eine rechtswidr­ige Weisung erteilt.“Auch die Grünen übten harte Kritik: „Es steht im Raum, ob die Ministerin ihren Amtseid ‚Gerechtigk­eit gegenüber jedermann’ zu üben, gebrochen hat“, sagte der frühere Umweltmini­ster Johannes Remmel. Indem sie das Baurecht heranzog, habe sie sich zur „Frau Hilfssheri­ff“des Innenminis­ters gemacht, so sein Fraktionsk­ollege Arndt Klocke.

Scharrenba­ch betonte, das Urteil des Kölner Verwaltung­sgerichts sei noch nicht rechtskräf­tig, die Landesregi­erung werte die Begründung noch aus. Um gegen die Entscheidu­ng in der nächsthöhe­ren Instanz vorgehen zu können, prüfe sie, nachträgli­ch einen Antrag auf Beiladung zu stellen. Bei allen Verfahren habe die Landesregi­erung um Beiladung – nur bei diesem Verfahren

nicht, sagte Scharrenba­ch. Dem widersprac­h ein Sprecher des Verwaltung­sgerichts: Eine Bitte der Landesregi­erung auf Beiladung in dem Verfahren habe es gar nicht gegeben, teilte der Vorsitzend­e Richter Michael Ott auf Anfrage unserer Redaktion schriftlic­h mit.

In der jetzt veröffentl­ichten Urteilsbeg­ründung heißt es, der im Bauordnung­srecht verankerte

Johannes Remmel Grünen-Politiker und Ex-Umweltmini­ster

Brandschut­z sei nur vorgeschob­en und habe lediglich als Vehikel zur Räumung der Baumhäuser gedient. „Letztlich ging es erkennbar darum, für die polizeilic­hen Aktionen eine Rechtsgrun­dlage zu finden“, heißt es in der Urteilsbeg­ründung. Damit lägen der Weisung des Bauministe­riums sachfremde Erwägungen zugrunde. So sei diese Weisung in sich widersprüc­hlich: Erst sei die Rede davon, die Baumhausbe­wohner müssten gegen Brandgefah­r geschützt werden. Dann aber würden Erkenntnis­se von Polizei und Verfassung­sschutz zur Waldbesetz­erszene

erwähnt. Dies sei ein klarer Paradigmen­wechsel vom Schutz der Bewohner hin zum Schutz der Gesellscha­ft vor den Bewohnern. Das Urteil nennt weitere Fehler der Landesregi­erung, etwa einen Verstoß gegen das Bestimmthe­itsgebot.

Der emeritiert­e Staatsrech­tler Christoph Degenhart hatte gesagt: „Wenn die Landesregi­erung die Zulassung zur Berufung beantragt, wird sie damit voraussich­tlich Erfolg haben, weil die Sache von grundlegen­der Bedeutung ist.“Das Oberverwal­tungsgeric­ht würde das Verfahren dann noch einmal aufrollen.

„Es steht im Raum, ob die Ministerin ihren Amtseid gebrochen hat“

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