Rheinische Post Ratingen

Carolin Kebekus investiert in Start-ups

- VON FLORIAN RINKE

Ein Problem der Gründersze­ne: Die meisten Investoren sind männlich, Produkte für eine weibliche Zielgruppe wie Soft-Tampons haben es dadurch schwerer. Der Comedy-Star und andere Unternehme­rinnen wollen das jetzt ändern.

DÜSSELDORF Carolin Kebekus schaukelt auf einem überdimens­ionalen Tampon, räkelt sich auf einem Haufen Damenbinde­n und bemalt mit roter Farbe die Wände – das Musikvideo, in dem der Comedy-Star eine Ode an die Periode singt, erinnert an eine Mischung aus Videos von Rammstein und Britney Spears. Carolin Kebekus hat es vor einiger Zeit für ihre Sendung „Pussy Terror TV“aufgenomme­n – zu einer Zeit, als in Deutschlan­d intensiv über die Höhe des Mehrwertst­euersatzes für Damen-Hygienepro­dukte diskutiert wurde.

Nun widmet sich Kebekus dem Thema erneut – allerdings als Investorin. Gemeinsam mit anderen Frauen finanziert sie das Berliner Start-up Nevernot, das Soft-Tampons vertreibt. Diese funktionie­ren wie ein Schwämmche­n und können auch während des Geschlecht­sverkehrs getragen werden. Sie werden daher unter anderem von Prostituie­rten genutzt. Doch Nevernot, das von Katharina Trebitsch und Anna Kössel gegründet wurde, möchte das Produkt nun auch auf dem Massenmark­t etablieren. Für Nevernot, das von Investoren eine mittlere sechsstell­ige Summe bekam, ist es die erste Finanzieru­ngsrunde – und für Carolin Kebekus das erste Investment in ein Start-up überhaupt: „Ich möchte, dass mein Geld im Umlauf ist und so hilft, Unternehme­n aufzubauen und Arbeitsplä­tze zu schaffen“, begründet sie ihre Entscheidu­ng, jetzt auch in Start-ups zu investiere­n. Sie sei eben Geschäftsf­rau.

Frauen investiere­n in Frauen – das ist in der männlich dominierte­n Gründersze­ne in Deutschlan­d immer noch die Ausnahme. In der Bundesrepu­blik sind Frauen im Erwerbsleb­en generell unterreprä­sentiert, obwohl sie mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g ausmachen: Untern den Führungskr­äften der

Unternehme­n in Deutschlan­d waren laut den jüngsten verfügbare­n Zahlen des Statistisc­hem Bundesamts im Jahr 2019 sogar nur knapp 30 Prozent weiblich.

Doch in der Gründersze­ne ist der Unterschie­d noch eklatanter. Denn da lag der Anteil der Gründerinn­en 2019 bei nur 15,7 Prozent. Das zeigt eine Studie im Auftrag des Bundesverb­ands Deutsche Startups. Diese Erhebung ist zwar nicht repräsenta­tiv, aber die detaillier­teste Gründerbef­ragung, die hierzuland­e verfügbar ist. In NRW waren die Zahlen mit 12,9 Prozent sogar noch schlechter.

Die Unternehme­rin Tijen Onaran kämpft seit Jahren für mehr Diversität in der deutschen Wirtschaft. Parallel investiert sie inzwischen auch in Start-ups wie Nevernot. Onaran setzt dabei gezielt auf Frauennetz­werke.

Sie war es auch, die Carolin Kebekus und andere Investorin­nen mit Nevernot zusammenge­bracht hat. Tijen Onaran kritisiert immer wieder, dass die Szene der Risikokapi­talgeber zu männlich besetzt sei. Dadurch würden auch eher Geschäftsi­deen von Männern finanziert. Es herrsche das Ähnlichkei­tsprinzip vor, sagt die Unternehme­rin, die mit ihrer Firma „Global Digital Women“Unternehme­n beim Thema Diversität berät. Männer pflegten daher aus ihrer Sicht häufig Kontakte zu anderen Männern, die ihnen ähnlich seien: „Für Frauen sind diese Zirkel kaum zugänglich, da sie eben nicht Teil der BuddyNetzw­erk-Kultur sind“, sagt Onaran. Der Unternehme­rin zufolge werden 97 Prozent der Risikokapi­talgeber von Männern geführt. Für

Frauenprod­ukte gäbe es daher auf Seiten der Investoren oft zu wenig Verständni­s. „Der Markt hier wird kontinuier­lich unterschät­zt“, ist sie überzeugt.

Auch in Nordrhein Westfalen gibt es daher seit Jahren Diskussion­en, wie sich dieses Geschlecht­erungleich­gewicht wohl am besten beseitigen lässt. In Düsseldorf wurde dazu beispielsw­eise bereits 2016 von Zerrin Börcek und Bettina Baum-Thelen der Female Innovation Hub ins Leben gerufen, der Gründerinn­en gezielt vernetzen und fördern soll.

Und auch die schwarz-gelbe Landesregi­erung hat es immer wieder als Ziel ausgegeben, die Zahl der Gründerinn­en zu steigern. Die Opposition im NRW-Landtag kritisiert­e jedoch unlängst, dass Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) dabei die eigenen Möglichkei­ten seines Ressorts nicht vollständi­g ausschöpft. Der digitalpol­itische Sprecher der Grünen im Landtag, Matthi Bolte-Richter, verwies in diesem Zusammenha­ng auf das Gründersti­pendium. Mit diesem Instrument fördert die Landesregi­erung gezielt Gründungen. Doch auch hier lag der Frauenante­il laut den Grünen nur bei 23,8 Prozent. Und auch bei den Gremien, die über die Vergabe entscheide­n, mangelt es aus seiner Sicht eindeutig an Frauen: „Die Jurys zur Vergabe des Gründersti­pendiums sind entgegen den Zielen der Landesregi­erung nach wie vor nicht paritätisc­h besetzt“, kritisiert Bolte-Richter und verweist auf einen Frauenante­il von 36 Prozent.

Tijen Onaran fordert immer wieder vehement, dass Gründen für Frauen eine echte Karriereop­tion sein müsse. Aber dafür braucht es eben auch Gewissheit, dass man im Zweifel Investoren für die eigene Idee findet. Sie sagt daher: „Die Risikokapi­tal-Branche muss selbst die Veränderun­g anstoßen und Diversität als Teil ihrer DNA verstehen.“Das Credo müsse lauten: Keine Diversität, kein Geld.

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SCREENSHOT: YOUTUBE Carolin Kebekus hat für ihre Sendung „Pussy Terror TV“sogar ein Lied über die Menstruati­on gesungen.

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