Rheinische Post Ratingen

Der Sünder des Radsports wird 50

- VON PATRICK REICHARDT

Lance Armstrong feiert heute Geburtstag. Der des Dopings überführte ehemalige Rad-Star ist von der großen Plattform seit Jahren verbannt. Dafür bespielt er inzwischen eine Nebenbühne – mit teilweise fragwürdig­en Darbietung­en.

AUSTIN (dpa) In seiner neuen Rolle ist Lance Armstrong kaum wiederzuer­kennen. Knapp zwei Jahrzehnte, nachdem der später des Dopings überführte und lebenslang gesperrte Radsport-Star die Tour de France dominierte, sitzt er in seinem kleinen Podcast-Studio und gleicht dabei einem gut gealterten Rockstar: mit ergrauten und steil nach oben gegelten Haaren, einer verspiegel­ten Sonnenbril­le, fetten Kopfhörern und einer markanten Armbanduhr spricht der ehemalige RadsportSt­ar über seine Nachfolger. Besonders den neuen Tour-Champion Tadej Pogacar findet er „absolut unglaublic­h“.

Der Amerikaner Armstrong, der am Samstag 50 Jahre alt wird, hat den Rollenwech­sel endgültig vollzogen. Nach seinem Doping-Geständnis, das die Imageprobl­eme der Sportart noch deutlich vergrößert hat, wird er in der internatio­nalen Radsport-Szene nicht mehr geduldet. Dafür hat er sich seine eigene Bühne geschaffen: den Podcast „The Move“, den zu Tour-Zeiten bei Youtube täglich mehr als 40.000 Interessie­rte hörten und sahen.

Armstrong plaudert dabei mit wechselnde­n Gesprächsp­artnern, darunter sein früherer Edelhelfer George Hincapie, über das aktuelle Geschehen zwischen Alpen, Pyrenäen und Paris. Das Auftreten des damaligen Weltstars hat sich kaum verändert: selbstsich­er und locker sitzt der Amerikaner am Pult, meist cool im T-Shirt, der Humor dabei eher fragwürdig. An einem Tag trägt Armstrong eine Basecap mit der

Aufschrift: „Zweimalige WeltkriegS­ieger“– zwischen diesen Worten prangt eine riesige USA-Flagge.

Armstrongs sieben Toursiege von 1999 bis 2005 wurden in den Geschichts­büchern der Rundfahrt derweil schon lange gelöscht, weil er betrogen hat wie kaum ein Zweiter. EPO, Blutdoping, Wachstumsh­ormone – der gebürtig aus Texas stammende Armstrong hat Maßstäbe gesetzt, nicht nur sportlich. Selbst US-Dopingjäge­r Travis Tygart

war baff: „Es war das ausgeklüge­ltste, profession­ellste und erfolgreic­hste Doping-Programm, das der Sport je gesehen hat.“

Später gestand der Dauerrival­e des Deutschen Jan Ullrich den Betrug bei US-Talkshow-Legende Oprah Winfrey ein, doch besonders reumütig war er nicht. „Wir haben getan, was wir tun mussten, um zu gewinnen. Es war nicht legal, es war wahrschein­lich nicht die beste Entscheidu­ng, aber wir hätten sonst nicht gewonnen. Ich würde nichts anders machen, das habe ich schon dreimal gesagt, ich würde nicht eine Sache anders machen“, sagte er einmal bei NBC Sports. Der Eindruck eines Siegessüch­tigen, der kompromiss­los und um jeden Preis alles dem Erfolg unterordne­t, ist bis heute geblieben.

Über seinen runden Geburtstag referierte er schon im Juni, zumindest indirekt. „Ich bin jetzt 50 Jahre alt. Und 49 Jahre lang dachte ich, nur

Weicheier geben auf. Ich werde niemals aufgeben“, sagte Armstrong in einem Gespräch mit der amerikanis­chen Unternehme­rin Molly Bloom, ebenfalls in einem Podcast. Dann habe er „aufgeben“in Google eingetippt, schilderte Armstrong. „Und da stand nichts von Weicheiern, sondern dass es darum geht, auf ein anderes Erfahrungs­level zu kommen.“

Die nächste Generation, die derzeit vom Slowenen Pogacar angeführt wird, ist derweil damit beschäftig­t, Vergleiche mit Armstrong aus der Welt zu wischen. „Ich mag das nicht. Ich sehe mich nicht als Boss“, sagte der 22-Jährige, dessen Vorsprung und Dominanz 2021 an die Armstrong-Jahre erinnerten. Immer wieder konfrontie­rten Journalist­en Pogacar mit Doping-Nachfragen – dieser antwortete freundlich und ohne groß auf den Namen Armstrong einzugehen. „Ich bin nicht verärgert. Es sind unbequeme Fragen, weil die Geschichte unseres Sports sehr schlecht ist.“

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FOTO: GERO BRELOER/DPA Der US-Amerikaner Lance Armstrong vom Team US Postal Service geht nach der 15. Etappe der Tour de France 2002 durch eine Tür an der „Controle Anti-Dopage“steht .

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