So viele Briefwähler wie noch nie
Mehr als 411.000 Düsseldorfer sind aufgerufen, bei der anstehenden Bundestagswahl ihre Stimme abzugeben. Dass die Briefwahl immer beliebter wird, bedeutet für die Stadt mehr Arbeit – und der Wahlkampf verändert sich.
DÜSSELDORF Nie zuvor wollten mehr Düsseldorfer per Briefwahl abstimmen als bei der jetzt anstehenden Bundestagswahl. Für die Wahl am 26. September wurden bisher rund 170.000 Briefwahlanträge von der Stadt bearbeitet, etwa 110.000 Wähler haben auch bereits ihr Kreuzchen gemacht und den roten Wahlbrief zurückgeschickt (Stand 16. September).
„Der Wunsch, per Briefwahl abzustimmen, ist so groß wie nie. Wir hatten einen Zuwachs erwartet und sind daher nicht überrascht und gut vorbereitet“, sagt der zuständige Beigeordnete Christian Zaum. Laut einem Stadtsprecher hat es bei der Bundestagswahl 2017 insgesamt 103.693 Briefwahlstimmen gegeben, im vergangenen Jahr bei der Kommunalwahl 113.315. Mehr als 411.000 Düsseldorfer sind in einer Woche zur Wahl des 20. Deutschen Bundestags aufgerufen.
Die Stadt teilt mit, dass sich wegen des immensen Aufkommens die Postlaufzeiten für die Zusendung der Briefwahlunterlagen verlängert haben. Falls diese nicht mehr rechtzeitig bei den Wahlberechtigten ankommen, ist es durch den entsprechenden Sperrvermerk im Wählerverzeichnis nicht einfach möglich, stattdessen im Wahllokal wählen zu gehen. In solchen Fällen muss unbedingt vor dem Wahlwochenende Kontakt mit dem Amt für Statistik und Wahlen aufgenommen werden. „Eine Wahlbenachrichtigung ist kein Wahlschein“, sagt der Stadtsprecher warnend. Die Abgabe der roten Wahlbriefe ist sowohl bei der jeweils auf dem Wahlbrief angegebenen Stelle als auch bei den Bürgerbüros und den Bezirksverwaltungsstellen möglich. Die dortigen Briefkästen werden auch am Wahlwochenende mehrmals geleert.
Die Auszählung der Briefwahlstimmen
wird erstmalig in der Messehalle 8b durchgeführt, sagt der Stadtsprecher. Im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen sind rund 200 zusätzliche Wahlhelfer im Einsatz. Für die Briefwahlvorstände werden dieses Mal deutlich mehr Wahlbriefe als zuletzt auszuzählen sein. Daher wurde die Zahl der Briefwahlvorstände von 94 auf 113 erhöht. Die Zahl der Helfer pro Briefwahlvorstand beträgt grundsätzlich acht, in Briefwahlbezirken mit voraussichtlich mehr als 1300 Wahlbriefen wird die Zahl auf neun erhöht. Müssen mehr als zwei Briefwahlbezirke ausgezählt werden, steigt die
Zahl auf zehn.
FDP-Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann rechnet damit, dass die Bürger auch in Zukunft vermehrt per Briefwahl ihre Stimme abgeben. Corona sei dafür nicht der Hauptgrund. „Ich glaube eher, dass sich die Menschen die Freiheit lassen wollen, wo sie am 26. September sind, und deshalb lieber zu Hause in Ruhe wählen“, sagt sie. In den eigenen vier Wänden sei es einfacher, sich endgültig für die Erst- und Zweitstimme zu entscheiden, in einem vollen Wahllokal könne man sich auch mal getrieben fühlen. Auf der Jagd nach Wählerstimmen nehme das digitale Format eine immer wichtigere Rolle ein, weil sich darüber vor allem jüngere Menschen informierten. „Wir versuchen, unterschiedliche Zielgruppen unterschiedlich anzusprechen“, sagt Strack-Zimmermann.
Julia Marmulla spricht von einem „Content-Mix“, mit dem die Linke die Wähler von sich überzeugen möchte. Über Facebook und Instagram habe die Partei ihre Inhalte gestreut, zusätzlich sei man auf der Straße präsent. Sara Nanni (Grüne) bestätigt, dass ein Mix wichtig ist. So behält laut Nanni auch der Straßenwahlkampf vor allem in der letzten Woche vor der Wahl seine Bedeutung: „Die Wähler empfinden es als Wertschätzung, uns Kandidaten im öffentlichen Raum zu begegnen.“Dass immer mehr Menschen ihre Stimme per Briefwahl abgeben, mache den Wahlkampf aber anstrengender: „Früher dauerte die heiße Phase drei, vier Wochen, jetzt beginnt sie, sobald die Briefwahlunterlagen beantragt werden können“, sagt die Grüne.
Das ist auch der Grund, warum Thomas Jarzombek (CDU) seine Idee von einer Fahrradhochstraße am Mörsenbroicher Ei frühzeitig im Wahlkampf platzierte, also bevor viele Briefwahlstimmen bereits vergeben sind. „Das ist mehr wert als Kugelschreiber zu verteilen“, sagt Jarzombek.
Ähnlich sieht es Zanda Martens (SPD). Sie sagt: „Wir wissen, dass die letzte Woche nicht mehr ganz so entscheidend ist wie früher, als noch sehr viele ins Wahllokal gegangen sind. Jetzt muss man die Wähler mobilisieren, die nicht Briefwahl gemacht haben, damit sie am 26. ins Wahllokal gehen und bei der richtigen Partei das Kreuz machen.“