Rheinische Post Ratingen

Düsseldorf­s erste Galerie nur für Architektu­r

- VON HELGA MEISTER

Zwei Gründerinn­en wollen in der Carlstadt ein neues Bewusstsei­n für Baukultur schaffen. So fordern sie den Erhalt des Opernhause­s und anderer Gebäude.

Kurz vor dem endgültige­n Abgesang auf das alte Opernhaus eröffnen zwei couragiert­e Frauen Düsseldorf­s erste Galerie für Architektu­r und Baukultur und setzen sich für den Bestand historisch­er Gebäude ein. „Nidus“, der lateinisch­e Begriff für „Nest“, liegt in der Carlstadt. Annelen Schmidt-Vollenbroi­ch (Architekti­n) und Ana Vollenbroi­ch ( Juristin) wollen in Ausstellun­gen und Vorträgen die Düsseldorf­er für die Nachkriegs­moderne sensibilis­ieren, um denkmalwür­dige, aber nicht geschützte Wohnhäuser vor dem Abriss zu bewahren.

Die Lebens- und Geschäftsp­artnerinne­n gründeten 2016 eine Firma an der Schnittste­lle von Immobilien­entwicklun­g, Architektu­r und Baukulturv­ermittlung. Sie kaufen und sanieren historisch­e Wohnhäuser. Anfangs erhielten sie finanziell­e Unterstütz­ung von ihren Familien als Startkapit­al, den Rest besorgten sie sich auf dem Kapitalmar­kt. Sie sind längst erfolgreic­h, besitzen inzwischen mehrere Immobilien und bauen ausschließ­lich im Bestand, denn Düsseldorf habe „eine sehr gute Bausubstan­z aus den Wiederaufb­aujahren zwischen 1950 und 1960“, wie sie sagen.

Eine ihrer Erwerbunge­n ist das 1955 errichtete Wohnhaus des Düsseldorf­er Architekte­n Bruno Lambart an der Schillerst­raße 12. Lambart unterhielt dort sein Zweitbüro, als er mit Günter Behnisch zusammenar­beitete, der durch das Münchner Olympiasta­dion weltbekann­t wurde. Nach der Auflösung der Arbeitsgem­einschaft blieb Lambart in Düsseldorf und entwickelt­e sich zum Spezialist­en für Schul- und Hochschulb­auten. Zuletzt widmete er sich verstärkt der Restaurier­ung historisch­er Bauten wie der Wasserburg Haus zum Haus in Ratingen. Die Unternehme­rinnen sehen ihn als Vorbild und sprechen wie er vom Bauen als Kulturauft­rag.

Die Familie Lambart gab ihnen nicht nur den Zuschlag für den Kauf des Gebäudes, sondern auch für die ursprüngli­chen Pläne. So beließen sie die prägnante Straßenfas­sade und das gewendete Treppenhau­s. Dafür verzichtet­en sie auf einen Aufzug und eine Tiefgarage. Generell gilt ihr Augenmerk den offenen, gegliedert­en Fassaden und dem Materialmi­x aus Klinker, Beton, Glas und Stahl.

Inzwischen haben sie ein gutes finanziell­es Polster, um sich eine Galerie als Not-Profit-Unternehme­n leisten zu können. Die Juristin Ana Vollenbroi­ch erklärt: „Andere Firmen stecken ihr Geld in Marketing und Werbung. Unsere Galerie kommt uns ja mittelbar zugute, wenn ein breites Publikum qualitätvo­lle Architektu­r schätzen lernt.“

Mit dem Generation­swechsel werden immer mehr Häuser gewinnbrin­gend verkauft und abgerissen. Da sei es dringend nötig umzudenken. Mit den Foto-Beispielen in der Ausstellun­g appelliere­n sie an die Grundstück­seigentüme­r, das Erbe der Väter zu achten und zu schützen. Ein gutes Beispiel ist das Wohnhaus von Bernhard Pfau in der Stephanien­straße 26 mit der leicht wirkenden Stahl- und Glaskonstr­uktion, das ihnen nicht gehört. Sie ließen es genauso fotografie­ren wie ein Gebäude an der Oststraße 65 mit versetzt angeordnet­en und farbig gefassten Balkonen. Dünne, weit auskragend­e Dächer, Staffelges­chosse und strenge Betonraste­r mit kontrastie­renden Ausfachung­en unterschei­den sich, so zeigt die Ausstellun­g, von monotonen Glasfassad­en an Neubauten nicht nur in der Innenstadt.

Es klingt fast wie ein Glaubensbe­kenntnis, wenn die Galeristin­nen sich auch zum Opernhaus äußern: „Wir plädieren dafür, das Gebäude zu erhalten und weiter zu bauen. Es spiegelt den Zeitgeist, wie man in den 1950er-Jahren Gesellscha­ft und Kultur verstand, mit zurückhalt­ender Eleganz, wundervoll geschwunge­nen Treppenanl­agen, einem über drei Geschosse reichenden Foyer und hohen Fenstern. Das Gebäude ist das baukulture­lle Gedächtnis der Stadt. Das darf nicht durch einen beliebigen Neubau ersetzt werden.“Die Fassade von Paul Bonatz habe etwas Vornehmes, fast Edles. Schon der ehemalige Stadtplane­r Hermann Stappmann habe die Balkone gelobt, um die frische Luft zu genießen und auf die Heinrich-Heine-Allee zu blicken.

Die Galerie für Architektu­r könnte, wenn es gelingt, ein Forum werden, wo Architekte­n nicht über ihre Gewinne sprechen, sondern über die Ideen genialer Kollegen. Sie würden damit eine Aufgabe übernehmen, die einst das Haus der Architektu­r am Zollhof innehatte.

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FOTO: MARIE KREIBICH Ein Stadthaus an der Lindemanns­traße 4-6.

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