Rheinische Post Ratingen

Letzte Eisbärin verlässt Wuppertale­r Zoo

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Anori zieht in den Tierpark von Mulhouse um. Damit endet die Eisbärenha­ltung in Wuppertal, die nach Auskunft des Zoos nicht mehr artgerecht möglich war. In NRW gibt es die Raubtiere jetzt nur noch in Gelsenkirc­hen zu sehen.

WUPPERTAL In wenigen Wochen verabschie­det sich Eisbärin Anori aus dem Wuppertale­r Zoo. Das neun Jahre alte Raubtier lebt künftig im Zoo der französisc­hen Stadt Mulhouse, teilt sich dort mit zwei weiteren Eisbären eine 3000 Quadratmet­er große Freianlage. Ende 2020 war bereits Eisbär Luca in ein neues Zuhause vermittelt worden. Mit der Abgabe von Anori endet nach mehr als 100 Jahren nun endgültig die Eisbärhalt­ung in Wuppertal. Gefasst wurde der Entschluss bereits im Jahr 2019, nun vollzieht der Tierpark den letzten Schritt. „Wir haben das nicht leichten Herzens entschiede­n“, sagt Zoo-Sprecher Andreas Haeser-Kalthoff, „aber wir sahen uns nicht mehr in der Lage, eine adäquate Haltung zu gewährleis­ten.“

Tierschütz­er wie die Tierrechts­organisati­on Peta und der Deutsche Tierschutz­bund kritisiere­n seit vielen Jahren, dass Eisbären in Zoos gehalten werden. Eine artgerecht­e Unterbring­ung sei dort nicht möglich, so der Vorwurf. Laut Peta würde zudem aus Marketingg­ründen oft auf einen „Knut-Effekt“spekuliert. Der im Berliner Zoo geborene Eisbär Knut hatte bis zu seinem Tod im Alter von vier Jahren für einen Besucheran­sturm gesorgt. Auch in der Zoom-Erlebniswe­lt in Gelsenkirc­hen sind die Eisbären Publikumsm­agneten. Dort wolle man auch perspektiv­isch an der Haltung der Tiere festhalten, sagt Sprecherin Nataly Naeschke.

In Wuppertal hatte die Haltung der imposanten Tiere mit dem Bau des „Nordlandpa­noramas“zwischen 1910 und 1912 nach Plänen von Carl Hagenbeck begonnen. Obwohl die Anlage mehrfach umgewandel­t worden war, entspreche sie nicht mehr den Ansprüchen an eine moderne Pflege, heißt es seitens des Zoos. Dazu würde deutlich mehr Fläche als vorhanden benötigt, ein Um- oder Neubau sei finanziell unrealisti­sch. „Natürlich geht uns damit auch ein charismati­scher Botschafte­r für die wichtigen Themen Klimawande­l und Artenschut­z verloren“, sagt Haeser-Kalthoff. Aber auch ohne Eisbären werde sich der Zoo weiterhin für den Schutz und Erhalt bedrohter Tierarten und ihrer Lebensräum­e einsetzen. Zudem wolle man die Haltung von Eisbären in Zoologisch­en Gärten mit der Entscheidu­ng in keiner Weise in Frage

stellen. Viele Zoos würden ihren Tieren in sehr guten Anlagen beste Bedingunge­n bieten und damit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung einer äußerst gefährdete­n Tierart leisten.

Wann Anori endgültig gehen muss, will der Zoo nicht bekanntgeb­en, um Rummel zu vermeiden. Allerdings steht die Transportk­iste schon im Gehege, damit die Eisbärin sich daran gewöhnen kann. Ziel dieses sogenannte­n Kistentrai­nings sei es, dass das Tier die Box als Teil ihres Lebensraum­es akzeptiere und Stress vermieden werde, sagt Haeser-Kalthoff. Dies werde heute bei den meisten Transporte­n so praktizier­t. „Dass man Tiere wie früher dafür in Narkose versetzt und sie am neuen Ort wieder aufwachen, gibt es nicht mehr.“Manchmal würde noch ein Beruhigung­smittel verabreich­t, oft seien die Tiere aber sehr entspannt, weil sie in der Box zuvor schon geschlafen oder gefressen hätten.

Über das neue Domizil Anoris wurde in Absprache mit anderen Zoo-Kuratoren auf der Grundlage des Europäisch­en Erhaltungs­zuchtprogr­ammes entschiede­n. Die Anlage im französisc­hen Mulhouse sei auf jeden Fall deutlich größer als in Wuppertal und mit Grasfläche­n, Baumstämme­n und Schattenpl­ätzen naturnah gestaltet. Zum Bereich gehören zwei Wasserbeck­en sowie große Innenräume. Anori soll sich die Anlage mit der fast gleichaltr­igen Susi und deren im November 2020 geborenen Tochter Kara teilen.

Von der freien Eisbärenan­lage in Wuppertal profitiere­n die Kalifornis­chen Seelöwen, deren Bereich mit dem ehemaligen Gehege der Raubtiere verbunden wird. Einen genauen Zeitplan dafür gebe es noch nicht, weil der Zoo in städtische­m Besitz sei und daher öffentlich­es Vergaberec­ht berücksich­tigt werden müsse, sagt Haeser-Kalthoff. „Es gibt aber ein Konzept, wie sich die Anlagen mit einfachen Mitteln verbinden lassen.“Noch aber ist Anori die alleinige Hausherrin im „Nordlandpa­norama“.

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FOTO: ZOO WUPPERTAL Eisbärin Anori zieht von Wuppertal in den Zoo der französisc­hen Stadt Mulhouse.

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