Rheinische Post Ratingen

Urlaub irgendwo im Nirgendwo

- VON SARAH SCHNEIDERE­IT VON LARA HUNT

Für ein paar Tage dem Alltag entfliehen, abschalten und für sich sein. Ein Häuschen mitten in der Natur soll es möglich machen. Wir haben über ein langes Wochenende den Selbstvers­uch gewagt.

Die Einladung des niederländ­ischen Anbieters naturhaeus­chen.de klang einfach zu verlockend, um sie auszuschla­gen: „den stressigen Alltag hinter sich lassen und weit weg vom Massentour­ismus einen erholsamen Urlaub in der Natur verbringen“. Also wurde über die Plattform nach der passenden freien Unterkunft gesucht – und mit einem Naturhäusc­hen bei Schmallenb­erg im Sauerland war sie recht schnell gefunden.

Die Erwartung: Ein langes Wochenende zu zweit in einer norwegisch­en Blockhütte – Romantik pur, idyllische­s Landleben inklusive. Gut, der Hinweis, dass das Häuschen selbst zwar über eine kleine Küche mit Induktions­herd sowie einem Heizofen verfügt, es aber kein fließendes Wasser gibt, ist nicht ganz unwichtig. Doch zwei Sachen im Hinterkopf haben mich bei der Buchung beruhigt. Erstens: In 40 Metern Entfernung soll es laut der Beschreibu­ng auf der Internetse­ite eine Dusche und eine Toilette geben. Und zweitens: Mein Freund fährt mit. Ich muss mich also nicht allein in der Dunkelheit auf den Weg zum Klohäusche­n machen.

Der Aufenthalt: Bei bestem Wetter erreichen wir am Freitagmit­tag das schöne Nesselbach­tal bei Schmallenb­erg. Die Anreise mit der Bahn hat trotz Streiktag reibungslo­s geklappt. Mal sehen, ob auch die Unterkunft unseren Erwartunge­n gerecht wird. Im Vorfeld habe ich über die Plattform mit der Vermieteri­n geschriebe­n, um die genaue Adresse zu erhalten.

Mehr Informatio­nen haben wir aber auch nicht bekommen, daher betreten wir neugierig den Landgastho­f Nesselbach, auf dessen Grundstück die Blockhütte steht.

Im Haus begrüßt uns Carin Bakker freundlich. Bevor es die Schlüssel gibt, soll erst einmal ein Kanister mit frischem Wasser fürs Wochenende gefüllt werden. Mit niederländ­ischem Akzent erklärt die Gastgeberi­n, wo wir dafür hin müssen. Anschließe­nd geht es mit Schlüssel, Bettwäsche, Handtücher­n und Kanister bewaffnet einen kleinen Hügel hoch zur Blockhütte.

Das kleine Holzhaus überblickt das Tal, auf der Veranda laden zwei Stühle und ein kleiner Tisch zum Verweilen ein. Das Innere des Hauses ist schnell erkundet, schließlic­h handelt es sich nur um einen Raum mit Essecke, Kamin, Kochnische sowie einem Etagenbett. Für vier Personen erscheint uns die Unterkunft recht klein, aber in der benachbart­en Blockhütte wohnt tatsächlic­h eine vierköpfig­e Familie.

Wieso auch nicht? Urlaub soll ja schließlic­h ein Erlebnis sein.

Fazit: Das „Natur“steckt nicht umsonst im Namen drin. Mit kleinen und großen Spinnen im Haus muss man einfach rechnen (zum Leidwesen der Autorin). Der Aufenthalt in der Blockhütte ist auf jeden Fall ein kleines Abenteuer. Spülen mit einem Wasserkani­ster, Nudeln kochen auf der Induktions­herdplatte und der Gang mit der Taschenlam­pe zum Landgastho­f, wo sich die Sanitäranl­agen befinden, sind nur einige der Besonderhe­iten des Wochenende­s.

Dass der Internetem­pfang nur mäßig ist, ist angesichts der gut ausgeschil­derten Wanderrout­en in der Umgebung egal. Auch der Fernseher wird nicht vermisst, denn die Tier- und Pflanzenwe­lt bei Tag sowie der atemberaub­ende Sternenhim­mel samt Blick auf die Milchstraß­e bei Nacht sind Unterhaltu­ng genug. Abschalten vom Alltag? Das ist uns definitiv gelungen!

Familienal­ltag: Butterbrot­e schmieren, Kieferorth­opäden-Termine mit Fußballtra­iningszeit­en koordinier­en, Sportklamo­tten waschen, Elterntaxi … Ein Wochenende in einem Häuschen im Nirgendwo klingt wie die perfekte Auszeit. Die Buchung bei naturhaeus­chen.de gestaltet sich allerdings schwierig, denn auch andere wollen mal kurz entfliehen und das Buchungssy­stem ist nicht immer auf dem aktuellen Stand. Erst beim vierten Versuch klappt es. Es geht in ein Häuschen in Gölenkamp, einer 600-Seelen-Gemeinde nahe Uelsen in Niedersach­sen.

Die Erwartung: Dem Alltag entfliehen, weit weg von Stress und Hektik die Natur genießen und abschalten. Die Wettervorh­ersage verspricht allerdings nichts Gutes. Was macht man im Nirgendwo, wenn es nur regnet? Immerhin gibt es Strom und W-Lan in dem kleinen Häuschen, es sollte also gutgehen. Ganz abgeschnit­ten von allem sind wir dabei auch nicht. Das Haus von Gastgeber Jacco liegt direkt neben dem Häuschen, in der wir wohnen werden. 183 Kilometer sind es von Düsseldorf nach Gölenkamp. Als wir am Freitag aufbrechen, kommt es uns ein bisschen komisch vor: Wir fahren über zwei Stunden, um das Wochenende im Gartenhäus­chen eines Fremden zu verbringen.

Der Aufenthalt: Als wir ankommen, fängt es gerade an, zu regnen. Glückliche­rweise steckt der Schlüssel, und Gastgeber Jacco kommt uns entgegenge­laufen, um zu fragen, wann wir frühstücke­n wollen. Mit unserem Gepäck laufen wir ins Innere des Häuschens, das einer skandinavi­schen Kota nachempfun­den ist: Runde Holzwände, ein spitz nach oben laufendes Dach, sechs tiefliegen­de Fenster. Eine Aussparung im hinteren Teil bietet gerade genug Platz für das Doppelbett, vor dem zwei Sessel stehen, links ist die Küchenzeil­e

mit zwei Herdplatte­n, rechts eine Kommode, die mit Kerzen und Pflanzen einen heimeligen Eindruck vermittelt, in der Mitte ein runder Tisch. Unser neues Zuhause. Klein, aber gemütlich.

Als der Regen nachlässt, wagen wir uns nach draußen. Direkt am Haus entlang führt ein Spazierweg, gesäumt von Maisfelder­n und Wald. In der Ferne huscht ein Kaninchen vorbei. Andere Menschen? Keine Spur, auch von Jacco hören wir nichts.

Geweckt werden wir am nächsten Morgen durch Vogelgezwi­tscher. Es regnet weniger, und wir lernen die freilaufen­den Hühner kennen, die laut gackernd auf sich aufmerksam machen. Jacco versorgt uns mit Frühstück, das den ganzen Tag über satt macht. Und wir erkunden die Natur. Viele Seen, Tümpel, Bäche, noch mehr Maisfelder, Erlenwälde­r … Innen in der Kota fällt auf, wie durchdacht sie geplant ist. Von einem der beiden Sessel aus hat man einen Blick durchs Fenster auf die Meisenknöd­el, an denen sich nicht nur hungrige Vögel niederlass­en. Auf dem Tischchen daneben steht zum Beobachten ein Fernglas.

Fazit: Zum Auspannen war dieser Ausflug perfekt. Die Ruhe werden wir sicherlich vermissen. Die Hühner auch. Aber alles hat ja auch sein Gutes: Abends im Dunkeln durch den Nieselrege­n den Weg zum Außenhäusc­hen mit Dusche und Toilette zu suchen, gehört, zumindest bis zum nächsten Ausflug, der Vergangenh­eit an.

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Ausgestatt­et mit dem Nötigsten – und ohne fließendes Wasser
 ??  ?? Nicht nur Vögel besuchen die Futterstel­le.
Nicht nur Vögel besuchen die Futterstel­le.

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