Rheinische Post Ratingen

Naturschau­spiel: Wasser in der Wüste

- VON HELGE BENDL

Alle Jahre wieder verwandelt sich Namibias Wüstenland­schaft. Wenn der Regen kommt, geschehen kleine Wunder.

Raus aus dem Bett, rein in die Windjacke, raus ins Freie! Sobald die Sonne die Gipfel der Berge im Osten erklommen hat, leuchten sie purpurrot: Dünen, mal sternförmi­g mit kantigen Spitzen, mal wie Daunenkiss­en nebeneinan­der geschichte­t. Sandwelle folgt auf Sandwelle folgt auf Sandwelle – eine wogende Landschaft so weit das Auge reicht, scheinbar unendlich wie ein Ozean.

Seit Millionen von Jahren erglüht die Namib, die älteste Wüste der Welt, jeden Morgen aufs Neue. Doch alle paar Jahre setzt die Natur ein Ausrufezei­chen und ergänzt die Palette aus Ockertönen um die Schattieru­ngen saftigen Lebens. Wenn es im Südwesten Namibias einmal ausgiebig regnet, verwandelt sich die Landschaft. Dann breiten sich Wiesen aus, wo sonst nur toter Stein ist. Scheinbar versiegte Quellen sprudeln wieder. Die Lehmpfanne­n im Sandmeer der Namib verwandeln sich über Nacht in glitzernde Seen. Das letzte Mal war das Anfang des Jahres der Fall. Und auch für die nächste Regensaiso­n von Dezember bis April sind überdurchs­chnittlich­e Niederschl­äge prognostiz­iert.

Mit mehr als 200.000 Hektar Fläche ist das Namib Rand Nature Reserve mehr als doppelt so groß wie Berlin. Seit über 25

Jahren setzt man in den Camps von Wolwedans auf sanften Tourismus. Doch selbst erfahrene Guides wie Mario Irion müssen nach ausgiebige­n Regenfälle­n in Botanik-Handbücher­n nachschlag­en, wenn

sie zwischen den Dünen auf landschaft­lich reizvolle Fahrten gehen. „Die Blumen, die Insekten: Alles ist dann neu für mich“, meint der sympathisc­he junge Mann. Astern und Butterblum­en, Nesterkrau­t und Morgenster­n, Damaraland-Erbsen und Kap-Sesam sind allgegenwä­rtig, wenn ein Schauer niedergega­ngen ist.

Das sich in den Trockenflü­ssen sammelnde Wasser nimmt eine weite Reise, bis die Fluten am Ende von den Dünen der Namib gestoppt werden. Um das zu erkennen, geht es in die Luft, für einen Rundflug im Kleinflugz­eug und eine morgendlic­he Fahrt im Heißluftba­llon. Denn wenn sich die Landschaft verwandelt, ist der Blick aus der Luft ein neuer. Im Sesriem Canyon steht das Wasser oft viele Monate lang. Etwas weiter sieht man rote Dünen, bläulich schimmernd­e Marmorberg­e und die grünen Galeriewäl­der der Trockenflü­sse, gesäumt von knorrigen Kameldornb­äumen. Im Osten, wo die Savanne beginnt, perforiere­n runde Stellen das Gras. Die sogenannte­n Feenkreise werden vermutlich von knabbernde­n Termiten gebildet.

Bei Sesriem geht es in den Namib-Naukluft Nationalpa­rk. Dort haben sich die Dünen entschiede­n, nicht mehr weiter zu wandern, und versperren so dem Tsauchab-Fluss den Weg zum Meer. Anfang dieses Jahres ist die Lehmpfanne Sossusvlei voll gelaufen. Auch die Cessna Pan verwandelt sich manchmal in einen See: Alte Bäume spiegeln sich im Wasser, Libellen summen, Frösche quaken.

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FOTO: HELGE BENDL Ein Kameldornb­aum spiegelt sich im Wasser.

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