Rheinische Post Ratingen

E-Fuels als Alternativ­e für Verbrenner?

- VON THOMAS GEIGER

Die Autozukunf­t scheint elektrisch zu sein. Doch wie schnell Verbrenner verschwind­en, ist längst noch nicht ausgemacht.

Auf der einen Seite singt im Augenblick kaum ein Boss aus der alten Autowelt lauter das Hohelied des Elektroant­riebs als Oliver Blume. Auf der anderen Seite macht sich aber auch keiner so stark für Verbrennun­gskraftsto­ffe wie der Porsche-Chef. Nicht umsonst beteiligt sich seine Firma im großen Stil an der Entwicklun­g und Produktion sogenannte­r E-Fuels, die in herkömmlic­hen Benzinmoto­ren eingesetzt werden können. Was auf den ersten Blick nach einem Widerspruc­h klingt, könnte sich als kluge Strategie erweisen – für Porsche und fürs Klima.

E-Fuels werden mithilfe von Strom aus erneuerbar­en Energien, Wasser und CO2 aus der Luft hergestell­t und setzen damit im Gegensatz zu herkömmlic­hen Kraft- und Brennstoff­en kein zusätzlich­es CO2 frei. Sondern sie sind in der Gesamtbila­nz klimaneutr­al, teilt der Industriev­erband der E-Fuel Alliance in Berlin mit. Er vertritt rund 130 Unternehme­n vom Mineralöl- bis zum Automobilh­ersteller. Und anders als etwa der Wasserstof­f für die Brennstoff­zelle können diese Treibstoff­e vergleichs­weise schnell, einfach und kostengüns­tig über das bestehende Tankstelle­nnetz vertrieben werden.

Zwar verbrennen auch diese Kraftstoff­e nicht rückstands­frei. Doch könnten sich mit ihnen quasi über Nacht Millionen von Bestandsfa­hrzeugen allein durch einen Wechsel des Treibstoff­s vom Makel des Klimakille­rs befreien. „Wenn man die Bestandsfl­otte perspektiv­isch nachhaltig betreiben will, dann sind E-Fuels ein elementare­r Bestandtei­l“, sagt Porsche-Entwicklun­gschef Michael Steiner. Zugleich böten solche Kraftstoff­e Hersteller­n wie Porsche auch weiterhin die Möglichkei­t, emotionsge­ladene Sportwagen mit Verbrennun­gsmotoren anzubieten. Das gilt etwa für den 911, den Porsche bei den Elektrifiz­ierungsplä­nen mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent bis zum Jahr 2025 explizit ausnimmt.

Bislang gibt es diese E-Fuels nur in der Theorie oder in kleinen, kaum bezahlbare­n Mengen aus Forschungs- und Pilotanlag­en. Deshalb haben die Schwaben in eine Kooperatio­n mit Siemens investiert und kürzlich in Chile die erste kommerziel­le Großanlage zur Produktion dieser E-Fuels auf den Weg gebracht. Mit Windenergi­e soll sie bereits ab dem nächsten Jahr 130.000 Liter und bis 2026 über 500 Millionen Liter Treibstoff jährlich produziere­n

„Das Ziel aller Bemühungen sollte es sein, eine klimaneutr­ale Mobilität zu erreichen, und zwar möglichst schnell und ohne zu große negative wirtschaft­liche Auswirkung­en“, sagt Motoren-Professor Stefan Pischinger von der

RWTH Aachen. Er ist überzeugt, dass dies nur durch den gleichzeit­igen Einsatz aller möglichen Technologi­en erreichbar wird: „Ohne E-Fuels werden wir bis 2045 nicht klimaneutr­al sein können und auch die Zwischenzi­ele nicht schaffen“, ist er überzeugt.

Er führt das auf den riesigen Bestand an Verbrenner­n zurück. „Selbst, wenn die für bis 2030 optimistis­ch avisierten zehn Millionen Elektrofah­rzeuge in Deutschlan­d zugelassen würden, wären das gerade einmal 22 Prozent der Fahrzeuge auf der Straße.“Der Verbrennun­gsmotor biete gerade in Kombinatio­n mit E-Fuels noch ein hohes Entwicklun­gspotenzia­l und könne so einen großen Beitrag zur Reduktion

des CO2-Ausstoßes leisten. Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r sieht das grundlegen­d anders: „E-Fuels sind eine sehr teure Sache: Für Pkw undenkbar, bei Lkw mit hoher Wahrschein­lichkeit von der Brennstoff­zelle und vom batterie-elektrisch­en Antrieb verdrängt“, sagt der Professor vom Center Automotive Research in Duisburg.

Zwar räumt er diesen neuartigen Kraftstoff­en Chancen bei Flugzeugen oder im Schiffsver­kehr ein. Doch beim Auto sieht er in ihnen eher ein Ausweichma­növer, mit dem Mineralölh­ersteller, Zulieferer und Fahrzeugba­uer mehr Zeit für die konvention­ellen Antriebe gewinnen wollen.

Neben dem hohen Preis begründet er seinen Pessimismu­s mit der Energieeff­izienz: Wenn aus Solarstrom über mehrere energieint­ensive Transforma­tionen Diesel hergestell­t wird und dieser dann mit einer Effizienz von 40 Prozent verbrannt werde, liege die Gesamteffi­zienz bei 15 Prozent. „Das heißt 85 Prozent der Energie gehen verloren. Schlechter geht es eigentlich nicht.“

Eine Position dazwischen vertritt Andreas Radics vom Strategieb­erater Berylls in München: „E-Fuels hätten eine Antwort auf die Frage sein können, wie Regionen mit nahezu nicht existieren­der E-Infrastruk­tur in Zukunft bedient werden, wenn immer mehr Hersteller aus der klassische­n Verbrenner-Technik aussteigen.“

Doch zugleich beklagt er, dass diese Technologi­en in den letzten Jahren zu wenig Unterstütz­er gefunden hätten und zumindest für den Pkw die Würfel wohl längst gefallen seien. „Synthetisc­he Kraftstoff­e besitzen daher zwar das Potenzial, das Aus des Verbrennun­gsmotors zu verzögern, aufhalten werden sie es nicht“, ist sich der Experte sicher.

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FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS/DPA Mithilfe von erneuerbar­en Energien produziert­er Strom ist wichtiger Bestandtei­l bei der Produktion von E-Fuels.
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FOTO: DAVIDLFSMI­TH/MAZDA/EFUEL ALLIANCE/DPA-TMN Welche Rolle E-Fuels bei der künftigen Mobilität spielen werden, ist bei Experten umstritten.

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