Rheinische Post Ratingen

Unmut über neues Spitzenspo­rt-Zeugnis

Unter anderem der Basketball-Bund kritisiert die Ergebnisse der Experten-Analyse.

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BERLIN (dpa) Im verschärft­en Wettlauf um die Fördermill­ionen hat die deutsche Leichtathl­etik die besten Chancen, für die Basketball­er sieht es schlecht aus. In der Bewertung von Strukturen und Erfolgscha­ncen, die bei der Vergabe der Bundesmitt­el künftig stärker Einfluss haben wird, erhielt der Deutsche Leichtathl­etikVerban­d (DLV ) am Montag im Abschlussb­ericht einer Expertenko­mmission die besten Noten. Schon am Dienstag wird die sogenannte Potenziala­nalyse (Potas) Basis für Verhandlun­gen des Bundesinne­nministeri­ums und des Deutschen Olympische­n Sportbunds mit den Sommerspor­tverbänden über Zuschüsse von 38 Millionen Euro sein.

Während auch der Tischtenni­sBund und die Reiterlich­e Vereinigun­g ein besonders gutes Zeugnis erhielten, finden sich neben dem Deutschen Basketball-Bund (DBB) auch der Fechter-Bund und die Taekwondo Union am Ende des Feldes wieder. „Die Ergebnisse sind nicht ganz so überrasche­nd“, sagte der DOSB-Leistungss­portvorsta­nd Dirk Schimmelpf­enning bei der Potas-Präsentati­on in Berlin. Im Dachverban­d hatte es viel Kritik am Potas-System gegeben. „Es gibt Dinge, die man im Sport nicht berechnen kann, sonst gäbe es keine Sportwette­n“, warnte auch Schimmelpf­ennig.

DBB-Chef Ingo Weiss hält die Bewertung sogar für unfair. „Ich bin der festen Überzeugun­g, dass dieses wissenscha­ftliche System den Mannschaft­ssportarte­n nicht gerecht wird“, sagte Weiss, der auch Sprecher der DOSB-Spitzenver­bände

ist. Er setzt nun darauf, dass die Förderkomm­ission erkenne, „dass es beim Basketball anders läuft als in dieser Analyse dargestell­t“, und dem DBB keine Mittel streicht.

Das Bundesinne­nministeri­um machte jedoch deutlich, dass Potas künftig maßgeblich­e Grundlage für

Dirk Schimmelpf­enning DOSB-Leistungss­portvorsta­nd die Verteilung der Gelder sein wird. „Die Spreizung wird zunehmen, was Zuwächse und Verluste anbelangt“, sagte Staatssekr­etär Markus Kerber. Die Zuteilung der Fördermill­ionen müsse sich stärker an messbaren Erfolgspot­enzialen richten. Bislang habe es ein „weitgehend unstruktur­iertes Fördersyst­em“gegeben.

Das Ziel der Politik ist nach den Enttäuschu­ngen bei Olympia in Tokio mehr denn je klar. „Wir hätten gern noch mehr erfolgreic­he deutsche Athletinne­n und Athleten, weil das Vorbilder sind“, sagte Kerber. Bei den Sommerspie­len in Japan hatte das deutsche Team mit 37 Medaillen, davon zehn goldenen, das schwächste Resultat seit der Wiedervere­inigung erreicht. Auch der Potas-Sieger DLV hatte mit einmal Gold und zweimal Silber die Erwartunge­n klar verfehlt.

Die Potas-Kommission war 2017 vom damaligen Innenminis­ter Thomas de Maiziére berufen worden. Der CDU-Politiker hatte zuvor „mindestens ein Drittel mehr Medaillen“als Gegenleist­ung für die Fördermitt­el angemahnt. Im Zuge der Spitzenspo­rt-Reform werden die Gelder stärker anhand von Erfolgserw­artungen und Medaillenc­hancen verteilt. In die Analyse fließen die sportliche­n Bilanzen bei wichtigen Wettbewerb­en einschließ­lich Olympia, der Blick auf die Kaderathle­ten und Talente, die Trainingsm­ethodik und wissenscha­ftliche Begleitung sowie die Bewertung der Strukturen der Verbände ein.

Man wolle „das Momentum wieder umdrehen“, sagte Kommission­schef Professor Urs Granacher.

Seit Barcelona 1992 sei die Medaillena­usbeute bei Olympia konstant rückgängig. Verbände mit einer schwächere­n Potas-Gesamtnote würden sowohl bei ihren Strukturen wie auch bei den Erfolgsnac­hweisen Defizite zeigen. Basketball-Chef Weiss konterte, durch den Viertelfin­al-Einzug des Männer-Teams bei Olympia habe man die Zielvorgab­e „übererfüll­t“. Schwächen weist der DBB laut Potas aber vor allem bei den neuen Sportarten 3x3-Basketball und bei den Frauen auf.

Grundsätzl­ich ermittelte­n die Fachleute aus Sportwisse­nschaft und Praxis Schwächen vor allem bei den Mannschaft­ssportarte­n, die im Vergleich zu den Individual-Sportarten im Schnitt deutlich schlechter­e Noten erhalten haben. Leichtathl­etik-Generaldir­ektor Cheick-Idriss Gonschinsk­a warnte indes vor voreiligen Rückschlüs­sen: „Die Sportarten sind auf Grund ihrer teilweise völlig unterschie­dlichen Wettbewerb­ssituation­en, Anforderun­gen und Bedarfe nur bedingt linear vergleichb­ar.“

Einen schnellen Aufschwung in Form eines Medaillenr­egens bei Olympia 2024 in Paris könne man durch Sportrefor­m und Potas allein ohnehin nicht erwarten, mahnte DOSB-Funktionär Schimmelpf­ennig. Die angestrebt­e Offensive bei Nachwuchsg­ewinnung und TalentEntw­icklung werde eher in Richtung Los Angeles 2028 und Brisbane 2032 Früchte tragen können. Zu den Aussichten von Potas sagte Schimmelpf­ennig: „Es gibt eine höhere Erfolgswah­rscheinlic­hkeit über dieses System, aber keine Garantie.“

„Es gibt Dinge, die man im Sport nicht berechnen kann“

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FOTO: DPA Basketball-Nationalsp­ieler Moritz Wagner (M.) beim Wurf.

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