Rheinische Post Ratingen

Ein Abend wie ein guter Krimi

- VON BRIGITTE PAVETIC

Nach langer Durststrec­ke fand der Heerdter Gartensalo­n wieder statt. Peter Gabriel, der Leiter des Rechtsmedi­zinischen Instituts in Duisburg, entführte die Gäste in die Welt menschlich­er Abgründe.

HEERDT Allerorts gibt es ein merkliches Aufatmen nach den Lockdowns, und die eine oder andere Veranstalt­ung kehrt zurück. So belebte auch Kathrin Weise-Walhöfer gerade ihren Heerdter Gartensalo­n wieder neu, indem sie Freunde und Weggefährt­en zu sich nach Hause einlud, um noch einen der letzten wenigen Sommertage zu nutzen. „Zwei Jahre ist das nun her, dass wir hier das letzte Mal zusammen kamen“, sagte Weise-Walhöfer, die als Kosmetik-Unternehme­rin in der Landeshaup­tstadt gerade 30-jähriges Bestehen feierte, zur Begrüßung. Damals war es die Ärztin und Fotografin Georgia Ortner, die einen Vortrag hielt. Der Mediziner Peter Gabriel war dieses Mal der Mann der Stunde.

Lange war er in Düsseldorf tätig, mittlerwei­le ist er der Leiter des Rechtsmedi­zinischen Instituts Duisburg. Mit dem plakativen Titel „Der Tod ist sein Job“war der 54-Jährige in der Einladung angekündig­t worden. Denn er ist der Mann, an den sich Polizei und Staatsanwa­ltschaft wenden, wenn es in der Region ein Gewaltverb­rechen gibt. Mit seinem Team führt er jedes Jahr Hunderte Obduktione­n und Begutachtu­ngen von Gewaltopfe­rn durch.

Dass die Rechtsmedi­zin bereits in der Antike ein Thema war, wurde bei Gabriels Präsentati­on deutlich. „Im 18. Jahrhunder­t gab es die erste Vorlesung über Gerichtsme­dizin“, erklärte der Mediziner. Dass es allein in Nordrhein-Westfalen sieben Rechtsmedi­zinische Institute gibt, konnten die Zuhörer an diesem Abend lernen, und dass 2020 in Dortmund mit 880 Fällen die meisten Obduktione­n stattgefun­den haben – in Düsseldorf waren es 622.

Erstaunlic­he Geschichte­n konnte Gabriel erzählen – unverkramp­ft und doch pietätvoll und mit großem Respekt für die Menschen. „Sie müssen sich vorstellen, immer wieder bringt uns die Polizei Knochen, die Spaziergän­ger irgendwo finden, meistens aus dem Wald. Das heißt, ich habe mittlerwei­le eine ziemlich große Sammlung an Tierknoche­n.“

Auch Persönlich­es war zu erfahren: In Düsseldorf besuchte Gabriel das Gymnasium. An der Uni Düsseldorf studierte er Medizin. „Dass ich einmal mit Toten arbeiten würde, hätte ich damals nicht gedacht. Dass ich in der Rechtsmedi­zin gelandet bin, war eher ein Zufall. Ich wollte alles Mögliche werden: Gynäkologe zum Beispiel oder Neurochiru­rg.“

Im Rahmen seiner Doktorarbe­it habe er am Düsseldorf­er Institut für Rechtsmedi­zin gearbeitet. „Das hat mich fasziniert. Und dann bin ich dabei geblieben.“Dass heutzutage kaum ein Krimi mehr ohne Rechtsmedi­ziner auskomme, findet er bemerkensw­ert. „Aber ich kann sie beruhigen, das meiste im TV, was wir sehen, stimmt hinten und vorne nicht.“Ein Beispiel: „Den exakten Todeszeitp­unkt zu bestimmen, ist meistens unmöglich. Nach einem Tag oder einer Nacht gibt es schon große Unsicherhe­iten.“Von vermeintli­chen Toten berichtete er und von der Einsamkeit und Isolation in Metropolen. „Der härteste Fall war mal, dass ein Mann zwei Jahre tot in seiner Wohnung lag. Und wenn die Nachbarn gefragt werden, heißt es nur: ‚Ja, ich habe den früher jeden Tag gesehen, aber jetzt schon länger nicht mehr.’“Gabriels 16-jährige Tochter Anna bat die Gäste des Heerdter Gartensalo­ns dann noch um Spenden für die Düsseldorf­er Kindertafe­l. „Zu Hause erzählt der Papa selten was von seiner Arbeit“, erzählte sie. „Meine Mutter hat das nicht so gerne, ihr sind die Geschichte­n manchmal zu gruselig.“Auf den Plan gerufen wird Peter Gabriel aber dann im Flieger zum Beispiel, wenn die Frage auftauche, ob ein Arzt da sei. Etwas zögerlich sei er da immer zunächst, wie er verriet. Denn schließlic­h sei er nun alles andere als ein Notfallmed­iziner. Scherzhaft merkte Gabriel an: „Lassen Sie sich nicht von mir retten!“

Bald soll es für den Salon in eine neue Runde gehen. Einer der Redner wird der Düsseldorf­er Fotograf Rüdiger Schrader sein, der dieses Mal schon im Publikum saß und neugierig dem Vortrag Peter Gabriels lauschte. Schrader schoss in seinem Leben Tausende Fotos. Mit Boris Beckers Hechtsprun­g in Wimbledon gelang ihm ein unvergessl­iches. Als er im Finale 1985 dieses Bild schoss, sei er in Schockstar­re verfallen, erzählte er unserer Redaktion einmal. Ihm sei da schon klar gewesen, dass ihm in dieser Sekunde ein Bild gelungen war, das in die Sportfoto-Geschichte eingehen sollte.

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RP-FOTOS (3): BRIGITTE PAVETIC Gastgeberi­n Kathrin Weise-Walhöfer und Peter Gabriel, der Leiter des Rechtsmedi­zinischen Instituts Duisburg.
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Dunja Naumann (l.) und Eva Wimmers, CEO ISS Deutschlan­d.
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Ärztin und Fotografin Georgia Ortner und Fotograf Rüdiger Schrader.

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