Anlaufstelle für Verschickungskinder
Unionspolitiker fordern die Aufarbeitung der Geschichte der Kinderheilstätten.
DÜSSELDORF CDU und CSU fordern eine Aufarbeitung der Schicksale der Verschickungskinder auf Bundesebene. In einer Beschlussvorlage, die unserer Redaktion vorliegt, heißt es unter anderem, dass parlamentarische Initiativen das Thema in den Mittelpunkt der politischen Beratungen rücken sollen. „Mit diesem Papier kann der nächste Familienausschuss im Bund sofort arbeiten. Wir wollen Druck auf den Bund ausüben, damit das Thema die ernsthafte und zeitnahe Erfassung bekommt, die es verdient hat“, sagte CDU-Familienpolitiker Jens Kamieth.
Unterschrieben haben den Beschluss die zuständigen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker von CDU und CSU in allen deutschen Landtagen und Bürgerschaften sowie dem Berliner Abgeordnetenhaus. „Sollte der Druck nicht ausreichen, werden wir auch eine Bundesratsinitiative starten“, kündigte Kamieth an.
Die Unionspolitiker plädieren in ihrem Beschluss auch für die Schaffung von Anlauf- und Beratungsstellen sowie therapeutischer Hilfsangebote für Betroffene. „In jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt sollte es eine Anlaufstelle für das Thema geben in der Verwaltung“, so Kamieth. Betroffene könnten sich dort dann in Zukunft auf die Suche nach ihrer eigenen Geschichte machen.
Von der Nachkriegszeit bis in die 1980er-Jahre hinein wurden nach Schätzungen der Initiative Verschickungskinder bundesweit acht bis zwölf Millionen Kindern und Jugendliche in wochenlange Kuren geschickt. Viele dieser Mädchen und Jungen im Alter von zwei bis 14 Jahren erwarteten statt Erholung in den Heimen Schlafentzug, Schläge, Isolierung, Essensentzug und Demütigung. „Das System der
Kinderverschickung galt bei Trägern und Einrichtungen schnell als wirtschaftliches Erfolgsmodell. An den Folgen der verstörenden Erfahrungen leiden viele Betroffene noch Jahrzehnte später“, heißt es in dem Beschluss der Unions-Politiker.
NRW nimmt in der Aufarbeitung der Geschichte der Verschickungskinder eine Vorreiterstellung ein. Im NRW-Gesundheitsministerium wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Zudem fördert das Ministerium ein Projekt der NRW-Initiative zur Beratung von traumatisierten ehemaligen Verschickungskindern und Unterstützung von Bürgerforschung. Außerdem wurde eine Kurzstudie in Auftrag gegeben. „Es ist sehr gut, dass wir das Thema in NRW über Parteigrenzen hinweg hier gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen vorantreiben“, sagt Familienpolitikern Charlotte Quik (CDU). „Aber wir müssen uns damit auch auf Bundesebene beschäftigen; alle Länder sind betroffen – wenn auch sehr unterschiedlich ausgeprägt“, betont die CDU-Landtagsabgeordnete. Für Westdeutschland könne gesagt werde, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Bundesländer betroffen seien. „Für die Länder der ehemaligen DDR wissen wir das nicht; aber auch das gehört aufgearbeitet“, so Quik. Sie fordert alle Beteiligten wie zum Beispiel die früheren Träger zur Zusammenarbeit auf. „Wir erwarten von allen Beteiligten maximale Transparenz. Die Archive müssen alles, was an Unterlagen noch vorhanden ist, zugänglich machen.“