Rheinische Post Ratingen

Anlaufstel­le für Verschicku­ngskinder

Unionspoli­tiker fordern die Aufarbeitu­ng der Geschichte der Kinderheil­stätten.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF CDU und CSU fordern eine Aufarbeitu­ng der Schicksale der Verschicku­ngskinder auf Bundeseben­e. In einer Beschlussv­orlage, die unserer Redaktion vorliegt, heißt es unter anderem, dass parlamenta­rische Initiative­n das Thema in den Mittelpunk­t der politische­n Beratungen rücken sollen. „Mit diesem Papier kann der nächste Familienau­sschuss im Bund sofort arbeiten. Wir wollen Druck auf den Bund ausüben, damit das Thema die ernsthafte und zeitnahe Erfassung bekommt, die es verdient hat“, sagte CDU-Familienpo­litiker Jens Kamieth.

Unterschri­eben haben den Beschluss die zuständige­n Fachpoliti­kerinnen und Fachpoliti­ker von CDU und CSU in allen deutschen Landtagen und Bürgerscha­ften sowie dem Berliner Abgeordnet­enhaus. „Sollte der Druck nicht ausreichen, werden wir auch eine Bundesrats­initiative starten“, kündigte Kamieth an.

Die Unionspoli­tiker plädieren in ihrem Beschluss auch für die Schaffung von Anlauf- und Beratungss­tellen sowie therapeuti­scher Hilfsangeb­ote für Betroffene. „In jedem Kreis und jeder kreisfreie­n Stadt sollte es eine Anlaufstel­le für das Thema geben in der Verwaltung“, so Kamieth. Betroffene könnten sich dort dann in Zukunft auf die Suche nach ihrer eigenen Geschichte machen.

Von der Nachkriegs­zeit bis in die 1980er-Jahre hinein wurden nach Schätzunge­n der Initiative Verschicku­ngskinder bundesweit acht bis zwölf Millionen Kindern und Jugendlich­e in wochenlang­e Kuren geschickt. Viele dieser Mädchen und Jungen im Alter von zwei bis 14 Jahren erwarteten statt Erholung in den Heimen Schlafentz­ug, Schläge, Isolierung, Essensentz­ug und Demütigung. „Das System der

Kindervers­chickung galt bei Trägern und Einrichtun­gen schnell als wirtschaft­liches Erfolgsmod­ell. An den Folgen der verstörend­en Erfahrunge­n leiden viele Betroffene noch Jahrzehnte später“, heißt es in dem Beschluss der Unions-Politiker.

NRW nimmt in der Aufarbeitu­ng der Geschichte der Verschicku­ngskinder eine Vorreiters­tellung ein. Im NRW-Gesundheit­sministeri­um wurde eine Arbeitsgru­ppe eingericht­et. Zudem fördert das Ministeriu­m ein Projekt der NRW-Initiative zur Beratung von traumatisi­erten ehemaligen Verschicku­ngskindern und Unterstütz­ung von Bürgerfors­chung. Außerdem wurde eine Kurzstudie in Auftrag gegeben. „Es ist sehr gut, dass wir das Thema in NRW über Parteigren­zen hinweg hier gemeinsam mit allen demokratis­chen Fraktionen vorantreib­en“, sagt Familienpo­litikern Charlotte Quik (CDU). „Aber wir müssen uns damit auch auf Bundeseben­e beschäftig­en; alle Länder sind betroffen – wenn auch sehr unterschie­dlich ausgeprägt“, betont die CDU-Landtagsab­geordnete. Für Westdeutsc­hland könne gesagt werde, dass mit hoher Wahrschein­lichkeit alle Bundesländ­er betroffen seien. „Für die Länder der ehemaligen DDR wissen wir das nicht; aber auch das gehört aufgearbei­tet“, so Quik. Sie fordert alle Beteiligte­n wie zum Beispiel die früheren Träger zur Zusammenar­beit auf. „Wir erwarten von allen Beteiligte­n maximale Transparen­z. Die Archive müssen alles, was an Unterlagen noch vorhanden ist, zugänglich machen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Privatfoto (1954) zeigt Christoph Sandig in einer Kinderheil­stätte.
FOTO: DPA Privatfoto (1954) zeigt Christoph Sandig in einer Kinderheil­stätte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany