Rheinische Post Ratingen

Kann Wolfgang Schäuble bleiben?

Im Fall eines SPD-Siegs ist Rolf Mützenich als Bundestags­präsident im Gespräch.

- VON TIM BRAUNE

BERLIN Als Wolfgang Schäuble Ende 1972 in den Bundestag einzog, stand Chuck Berry in den britischen Charts auf Platz eins und der Liter Super kostete umgerechne­t 35 Cent. Seitdem ist in der Republik viel passiert. Schäuble ist noch da. Keiner ist so lange Abgeordnet­er wie er. Seit 2017 ist der Ex-CDU-Chef, Ex-Innenminis­ter, Ex-Finanzmini­ster respektier­ter Bundestags­präsident. Und der 79-jährige Badener will es bleiben. Seinen Offenburge­r Wahlkreis, den er 13 Mal infolge direkt gewann, wird er wohl verteidige­n, sagt das Analysepor­tal election.de voraus. Nur: Der Präsidente­nposten liegt nicht allein in seiner Macht. Damit Schäuble im Amt bleiben kann, muss die CDU/ CSU-Fraktion stärkste Kraft werden. Das ist alles andere als sicher. Laut Umfragen könnte die SPD Nummer eins im Bundestag werden. Der Stratege

Schäuble hätte sich selbst ausgetrick­st. Er war es, der im Frühjahr in den CDU-Gremien den Machtkampf zwischen Markus Söder und Laschet für den Aachener entschied. Zuletzt versuchte Schäuble, einen Teil seiner Verantwort­ung auf Angela Merkel abzuwälzen. Sie hätte 2018 nicht nur als CDU-Chefin, sondern auch als Kanzlerin zurücktret­en sollen, um Nachfolger­n mehr Raum zu lassen.

Bei den SPD-Frauen drängt sich als Bundestags­präsidenti­n bislang niemand so richtig auf. So fällt ein anderer Name. Rolf Mützenich. Moment mal. Ist der Kölner nicht beliebter Fraktionsc­hef? Ja, ist er. Und Mützenich ist derzeit wohl auch gewillt, weiterzuma­chen.

Mit einem starken Wahlergebn­is würden aber viele Jungsozial­isten in den Bundestag kommen. Die ohnehin stärkste Gruppe in der SPDFraktio­n, die Parlamenta­rische Linke, würde noch mächtiger. PL-Chef ist Matthias Miersch, ein Vertrauter Kevin Kühnerts. Der Niedersach­se wäre vor vier Jahren fast Justizmini­ster geworden. Nun könnte der Klimaexper­te nach dem Fraktionsv­orsitz greifen. Eine Kampfabsti­mmung in einer Sitzung am Mittwoch nach der Wahl soll vermieden werden. Aus Partei- und

Fraktionsk­reisen

ist zu hören, dass Mützenich bei einem SPD-Sieg auch Bundestags­präsident werden kann – wenn er es will. So wäre in der Fraktion der Weg für Miersch frei. Nicht völlig ausgeschlo­ssen ist, dass noch ein anderer Niedersach­se auf die Fraktionsf­ührung scharf ist. Generalsek­retär Lars Klingbeil, neben Scholz wesentlich­er Architekt des SPDComebac­ks. Bleibt indes Mützenich Fraktionsc­hef, wen würde die SPD für die Bundestags­spitze nominieren? Der Scheinwerf­er könnte auf einen Neuling im Plenum fallen. Berlins Noch-Bürgermeis­ter Michael Müller hätte die nötige Reife und rhetorisch­e Stärke, den repräsenta­tiven und doch machtvolle­n Posten (AfD in Schach halten, Wahlrechts­reform) als zweiter Mann im Staat auszufülle­n, heißt es. Hält die Union Platz eins, kann Schäuble wohl bleiben. Und wenn nicht, „isch over“? Der Rekordmann als Hinterbänk­ler? Schäuble könnte als Alterspräs­ident den neuen Bundestag eröffnen. AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland ist zwar ein paar Monate älter. Aufgrund einer Gesetzesän­derung zählt beim Alterspräs­identen aber nicht das Leben-, sondern das Dienstalte­r im Parlament. Und da macht Schäuble historisch keiner was vor. Zuletzt überholte er August Bebel.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany