Rheinische Post Ratingen

Entscheidu­ng über Vorrang von EU-Recht in Polen vertagt

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WARSCHAU (dpa) Das Verfassung­sgericht in Polen hat eine Entscheidu­ng zu der Frage, ob das polnische Grundgeset­z über EU-Recht steht, erneut vertagt. Die am Mittwoch begonnene Sitzung solle am 30. September fortgesetz­t werden, sagte die Gerichtspr­äsidentin Julia Przylebska in Warschau. Zur Begründung hieß es, es seien neue Aspekte vorgebrach­t worden; das Gericht benötige Zeit, um Fragen dazu zu formuliere­n.

Regierungs­chef Mateusz Morawiecki hatte die Verfassung­srichter gebeten, ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) vom März zu überprüfen. Darin hatten die obersten EU-Richter festgestel­lt, dass EU-Recht Mitgliedss­taaten zwingen kann, einzelne Vorschrift­en im nationalen Recht außer Acht zu lassen. Das gelte demnach selbst dann, wenn es sich um Verfassung­srecht handele.

Die EU-Kommission hat wegen der Reformen des polnischen Justizsyst­ems bereits mehrere Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen die Regierung in Warschau eröffnet und Klagen beim EuGH eingereich­t. Unter anderem hat die Brüsseler Behörde auch Zweifel an der Unabhängig­keit des polnischen Verfassung­sgerichts. Die Vorsitzend­e Julia Przylebska ist eine enge Vertraute von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski. Die EU-Kommission hält derzeit milliarden­schwere Corona-Hilfen für Polen zurück, weil es Bedenken gibt, ob das Prinzip der Rechtsstaa­tlichkeit in dem Land eingehalte­n wird. Der zuständige EUKommissa­r Valdis Dombrovski­s sagte kürzlich, auch die offene Frage der Vorrangigk­eit des EU-Rechts spiele dabei eine Rolle.

Die EuGH-Entscheidu­ng fiel inmitten größerer Auseinande­rsetzungen über tiefgreife­nde Veränderun­gen im polnischen Rechtssyst­em. Diese wurden von der regierende­n PiS-Partei eingeleite­t und werden von der EU als Aushöhlung der demokratis­chen Gewaltente­ilung gerügt. Die polnische Regierung besteht darauf, dass das Justizsyst­em und die Rechtsprec­hung der alleinigen Hoheit eines Mitgliedss­taats unterliege­n und nicht der EU.

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