Rheinische Post Ratingen

Sorge um die Koalas

- VON BARBARA BARKHAUSEN

In Australien sinkt einer Studie zufolge die Anzahl der Beuteltier­e rapide. Ein Grund dafür sind die Buschfeuer. Forscher betrachten die Zahlen der Tierschütz­er zwar mit Skepsis, doch auch sie sind zunehmend besorgt.

SYDNEY Im Osten von Australien sind Koalas inzwischen ein seltener Anblick. Hundeattac­ken, Waldrodung, Straßenver­kehr, Krankheite­n und nicht zuletzt die verheerend­en Buschfeuer 2019/20 haben den Beuteltier­en schwer zugesetzt. Geschätzte 60.000 Koalas sollen laut der Tierschutz­organisati­on WWF bei den schweren Bränden ums Leben gekommen sein.

Die Beutler, die eher gemächlich sind und einen Großteil des Tages verschlafe­n, sind eines der bekanntest­en australisc­hen Tiere. Dass ihr Überleben gefährdet ist, beschäftig­t regelmäßig Medien in aller Welt. Besonders schockiere­nd ist derzeit eine Meldung der Australisc­hen Koalastift­ung (AKF). Demnach sind die Koalazahle­n seit 2018 in ganz Australien um 30 Prozent zurückgega­ngen. Inzwischen leben laut der Organisati­on möglicherw­eise weniger als 60.000 Koalas in Australien – zwischen 32.000 und 58.000, so die AKF. Laut der Stiftung schätzt die australisc­he Regierung die Zahlen um ein Zehnfaches zu hoch ein.

Eine Anfrage beim Umweltmini­sterium zeigt jedoch, dass der Regierung derzeit gar keine aktuellen Daten vorliegen. Eine Sprecherin weist aber darauf hin, dass die Tiere bereits eine spezielle Förderung erhalten. Erst Ende November wurde ein Hilfspaket in Höhe von 18 Millionen Australisc­hen Dollar oder umgerechne­t mehr als elf Millionen Euro verkündet. Unter anderem sollen diese Gelder dafür verwendet werden herauszufi­nden, wie ernst die Lage eigentlich ist. Rund zwei Millionen Dollar fließen deswegen in eine Art Bestandsau­fnahme – eine „Volkszählu­ng“der Koalas. Die australisc­he Forschungs­agentur Csiro soll dieses nationale Koala-Überwachun­gsprogramm bis Juni 2022 auf die Beine stellen, wie die Sprecherin des Umweltmini­steriums bestätigte.

Auch Mathew Crowther, ein Ökologe der Universitä­t von Sydney, der sich auf die Beutler spezialisi­ert hat, ist zurückhalt­end, wenn es um eine

Schätzung der Koalazahle­n im Land geht. Es sei „sehr schwer“zu schätzen, wie viele Tiere es wirklich noch gebe, schrieb der Experte. Die Zahl der AKF sei „nur eine Schätzung“. Er hofft auf eine bessere Datenlage nach der Volkszählu­ng, die mit Drohnentec­hnologie, Audioüberw­achung und „ausgeklüge­lten Computeral­gorithmen“vorgehen soll. „Dies sollte genauere Schätzunge­n liefern“, meinte der Forscher.

Bill Ellis, ein Experte der Universitä­t von Queensland, weist wie Crowther darauf hin, dass konkrete Zahlen in der Tat fehlen. „Ich würde aber nicht sagen, dass die AKF falsch liegt – ihre Zahlen sind wahrschein­lich eine gute Vermutung“,

Universitä­t Sydney zufolge kamen von den etwa 80.000 in Australien lebenden Koalas um die 33.000 ums Leben. sagte er. Doch noch gebe es „zu viele Lücken in den Daten“, um wirklich sicher sein zu können. Doch in Gebieten, in denen Koalas bereits gezählt wurden, „stützen die Trends die AKF-Behauptung“, so Ellis. Dort sei in den vergangene­n 30 Jahren ein Rückgang der Koalazahle­n um das Zehnfache erkennbar.

Laut der AKF ist der Bundesstaa­t New South Wales, in dem Sydney liegt, am schlimmste­n betroffen. Dort sollen die Zahlen sogar um mehr als 40 Prozent gesunken sein. Doch viele Koalaregio­nen in Australien verzeichne­n laut der Stiftung einen Bevölkerun­gsrückgang. „Einige Regionen haben verbleiben­de Population­en, die auf nur noch fünf bis zehn Koalas geschätzt werden“, hieß es in einer Pressemitt­eilung.

Die schrecklic­hen Buschfeuer von 2019/20 haben natürlich zu diesem Ergebnis beigetrage­n, doch sie sind laut der Koalastift­ung bei Weitem nicht der einzige Grund, warum Koalas immer seltener werden. „Wir haben einen drastische­n Rückgang im Inland aufgrund von Dürre, Hitzewelle­n und Wassermang­el für Koalas beobachtet“, sagte die Leiterin der Stiftung, Deborah Tabart: „Ich habe einige Landschaft­en gesehen, die wie der Mond aussehen – mit toten und sterbenden Bäume.“Außerdem seien vor allem im Osten des Landes große Waldfläche­n gerodet worden.

Letzeres bestätigen auch die Forscher. Crowther mahnt beispielsw­eise die zunehmende Fragmentie­rung von Habitaten an, die den Tieren die Vermehrung zwischen Population­en erschwert, da Waldkorrid­ore fehlen. Die Tierschütz­erin Tabart fordert deswegen, Rodungen zu stoppen – nicht zuletzt auch, da Koalas sich nicht so einfach in andere Habitate umsiedeln lassen. Außerdem befürworte­t sie ein Koala-Schutzgese­tz, um den Schutz der Tiere noch einmal deutlich zu erhöhen.

Der womöglich dramatisch­e Rückgang der Koalazahle­n ist in der Geschichte nicht einmalig. So mussten die Beutler schon einmal einen heftigen Einbruch verkraften. Nachdem vor 250 Jahren wohl Millionen Koalas den fünften Kontinent bevölkerte­n, wurden die Beutler um 1900 wegen ihres attraktive­n, weichen Fells so gnadenlos gejagt, dass man sie fast an den Rand des Aussterben­s trieb. Erst als die Praxis Anfang 1900 in New South Wales, South Australia und Victoria schließlic­h verboten wurde, ging es langsam wieder bergauf. In Queensland wurde die Jagd sogar erst 1927 gestoppt.

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FOTO: JURGEN & CHRISTINE SOHNS/DPA Einer aktuellen Schätzung zufolge leben nur noch 60.000 Koalas in Australien.
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FOTO: DPA Buschfeuer in Australien.

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