Altersvorsorge droht teurer zu werden
Die EU-Kommission will die Lebensversicherer verpflichten, riskante Anlagen mit mehr Eigenkapital zu unterlegen. Das könnte gravierende Folgen für die Kunden haben.
BRÜSSEL/DÜSSELDORF Im vergangenen Jahr haben die Deutschen zusammen annähernd 100 Milliarden Euro in eine Lebensversicherung eingezahlt. Etwa 82 Millionen Verträge gibt es aktuell hierzulande. Einer Umfrage der privaten Bausparkassen aus dem vergangenen Jahr zufolge ist für fast jeden dritten Deutschen die Kapitallebensversicherung immer noch eine der bevorzugten Geldanlagen.
Das hat wohl vor allem damit zu tun, dass es noch relativ viele Altverträge gibt, bei denen die Kundinnen und Kunden eine Verzinsung ihres Sparanteils von bis zu vier Prozent erwarten durften – Renditen, von denen man heute bei festverzinslichen Geldanlagen weit entfernt ist. Manche Versicherer haben die 100-Prozent-Garantie aus den guten, alten Zeiten schon vollständig abgeschafft und bieten ihren Kunden stattdessen Produkte mit höheren Renditechancen an, die aber auch mehr Risiko in sich tragen. Versprechen dürfen sie ihren Kunden ab Januar ohnehin höchstens noch 0,25 Prozent Verzinsung. Auf dieses Niveau sinkt zum Jahreswechsel nämlich der Garantiezins.
Das macht das Neugeschäft nicht einfacher. Und es könnte für die Anbieter künftig noch ein bisschen schwieriger werden, Policen in großem Stil zu verkaufen, wenn der am Mittwoch von der EU-Kommission präsentierte Gesetzentwurf umgesetzt würde. Danach sollen die Versicherer in ihren Berechnungen unter anderem davon ausgehen müssen, dass die Niedrigzinsphase noch länger anhält. Bei einem solchen Szenario könnten sie an den Kapitalmärkten immer weniger ausreichend Erträge erwirtschaften, um beispielsweise die nach wie vor hohen Verpflichtungen aus hoch dotierten Altverträgen dauerhaft decken zu können. Es sei denn, sie investierten mit mehr Risiko (was sie teilweise schon tun). Dafür sollen sie mehr Kapital als bisher zurücklegen. Was damit droht: Am Ende könnte die Lebensversicherung teurer werden – und damit für die Kundschaft noch weniger attraktiv, als es in den vergangenen Jahren ohnehin schon der Fall war. In besonders düsteren Voraussagen sprechen Prognostiker bereits von einem „Todesurteil für die Lebensversicherung“.
So weit ist es noch nicht. Dem Entwurf müssen ja die Mitgliedsstaaten der EU noch zustimmen und natürlich auch das Europäische Parlament. Wann das neue Regelwerk tatsächlich in Kraft treten könnte, ist also offen. Mit Rücksicht auf die Branche war schon von einer Einführung „bis 2032“die Rede. Aber schon jetzt fällt die Reaktion der deutschen Versicherungswirtschaft eher negativ aus: „Sollte der Gesetzgeber die Anforderungen hier überziehen, sinken die Renditechancen, Altersvorsorge würde für Kunden teurer“, erklärte Jörn Asmussen, Hauptgeschäftsführer beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV ). Der Entwurf der EU-Kommission folge weitgehend den Vorschlägen der europäischen Versicherungsaufsicht, lasse aber noch wesentliche Fragen offen. Das betreffe vor allen die künftigen Kapitalanforderungen für langfristige Zins- und Kapitalmarktrisiken.
Schon im März dieses Jahres hatte die Branche Alarm geschlagen und damit argumentiert, die Reformvorschläge schwächten die Investitionskraft der Versicherer beim Green Deal – die Rolle als Investor beim umweltgerechten Umbau des Kontinents als Faustpfand für gute Arbeitsbedingungen also. Dieses Argument hat EU-Kommissar Valdis