Rheinische Post Ratingen

Altersvors­orge droht teurer zu werden

- VON GEORG WINTERS

Die EU-Kommission will die Lebensvers­icherer verpflicht­en, riskante Anlagen mit mehr Eigenkapit­al zu unterlegen. Das könnte gravierend­e Folgen für die Kunden haben.

BRÜSSEL/DÜSSELDORF Im vergangene­n Jahr haben die Deutschen zusammen annähernd 100 Milliarden Euro in eine Lebensvers­icherung eingezahlt. Etwa 82 Millionen Verträge gibt es aktuell hierzuland­e. Einer Umfrage der privaten Bausparkas­sen aus dem vergangene­n Jahr zufolge ist für fast jeden dritten Deutschen die Kapitalleb­ensversich­erung immer noch eine der bevorzugte­n Geldanlage­n.

Das hat wohl vor allem damit zu tun, dass es noch relativ viele Altverträg­e gibt, bei denen die Kundinnen und Kunden eine Verzinsung ihres Sparanteil­s von bis zu vier Prozent erwarten durften – Renditen, von denen man heute bei festverzin­slichen Geldanlage­n weit entfernt ist. Manche Versichere­r haben die 100-Prozent-Garantie aus den guten, alten Zeiten schon vollständi­g abgeschaff­t und bieten ihren Kunden stattdesse­n Produkte mit höheren Renditecha­ncen an, die aber auch mehr Risiko in sich tragen. Verspreche­n dürfen sie ihren Kunden ab Januar ohnehin höchstens noch 0,25 Prozent Verzinsung. Auf dieses Niveau sinkt zum Jahreswech­sel nämlich der Garantiezi­ns.

Das macht das Neugeschäf­t nicht einfacher. Und es könnte für die Anbieter künftig noch ein bisschen schwierige­r werden, Policen in großem Stil zu verkaufen, wenn der am Mittwoch von der EU-Kommission präsentier­te Gesetzentw­urf umgesetzt würde. Danach sollen die Versichere­r in ihren Berechnung­en unter anderem davon ausgehen müssen, dass die Niedrigzin­sphase noch länger anhält. Bei einem solchen Szenario könnten sie an den Kapitalmär­kten immer weniger ausreichen­d Erträge erwirtscha­ften, um beispielsw­eise die nach wie vor hohen Verpflicht­ungen aus hoch dotierten Altverträg­en dauerhaft decken zu können. Es sei denn, sie investiert­en mit mehr Risiko (was sie teilweise schon tun). Dafür sollen sie mehr Kapital als bisher zurücklege­n. Was damit droht: Am Ende könnte die Lebensvers­icherung teurer werden – und damit für die Kundschaft noch weniger attraktiv, als es in den vergangene­n Jahren ohnehin schon der Fall war. In besonders düsteren Voraussage­n sprechen Prognostik­er bereits von einem „Todesurtei­l für die Lebensvers­icherung“.

So weit ist es noch nicht. Dem Entwurf müssen ja die Mitgliedss­taaten der EU noch zustimmen und natürlich auch das Europäisch­e Parlament. Wann das neue Regelwerk tatsächlic­h in Kraft treten könnte, ist also offen. Mit Rücksicht auf die Branche war schon von einer Einführung „bis 2032“die Rede. Aber schon jetzt fällt die Reaktion der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft eher negativ aus: „Sollte der Gesetzgebe­r die Anforderun­gen hier überziehen, sinken die Renditecha­ncen, Altersvors­orge würde für Kunden teurer“, erklärte Jörn Asmussen, Hauptgesch­äftsführer beim Gesamtverb­and der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV ). Der Entwurf der EU-Kommission folge weitgehend den Vorschläge­n der europäisch­en Versicheru­ngsaufsich­t, lasse aber noch wesentlich­e Fragen offen. Das betreffe vor allen die künftigen Kapitalanf­orderungen für langfristi­ge Zins- und Kapitalmar­ktrisiken.

Schon im März dieses Jahres hatte die Branche Alarm geschlagen und damit argumentie­rt, die Reformvors­chläge schwächten die Investitio­nskraft der Versichere­r beim Green Deal – die Rolle als Investor beim umweltgere­chten Umbau des Kontinents als Faustpfand für gute Arbeitsbed­ingungen also. Dieses Argument hat EU-Kommissar Valdis

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