Kunstakademie bemüht sich um Frieden
Die Düsseldorfer Institution will Geschlossenheit zeigen und die Krisen hinter sich lassen. Helfen sollen unter anderem Rundgänge.
DÜSSELDORF Die Krise begann ungefähr zeitgleich mit Ausbruch der Corona-Pandemie vor anderthalb Jahren: Über der Kunstakademie brauten sich seitdem immer wieder dunkle Wolken zusammen. Die behördlichen Auflagen schränkten den Lehrbetrieb ein, ein paar Wochen musste die Akademie ganz geschlossen werden. Danach wurde sie wieder geöffnet, zum Teil mit neuen Einlasszeiten und Kontaktauflagen. Für die Studierenden geriet der Alltag durcheinander, erschwerend kam hinzu, dass den meisten ihre Nebenjobs wegbrachen. Bars und Geschäfte – in denen sie mehrheitlich jobbten – wurden geschlossen. Viele rutschten in existenzielle Not, nicht alle erhielten Mittel aus dem Hilfsfonds der Landesregierung. Zur Not gesellte sich Wut. Diese Wut richtete sich insbesondere gegen Karl-Heinz Petzinka, der nach einer ersten glücklichen Amtszeit im Corona-Mai 2021 für weitere vier Jahre als Rektor gewählt wurde.
„Petzinka raus“stand auf dem Schild, das ein Mann einige Tage vorm Haupteingang hoch hielt. Offenbar aus Protest gegen die Nachtschließung des Lehrgebäudes. Für Studierende anderer Fachrichtungen mag es nicht einsichtig sein, warum die Kunstakademie auch des nachts geöffnet sein muss. Das ist indes gute Tradition, weil an Kunstwerken in Klassenräumen gearbeitet und tagsüber wieder gejobbt wird. Also war die jüngste Verkürzung der Aufenthaltszeiten auf 20 Uhr Stein des Anstoßes. Mittlerweile ist das Haus wieder bis Mitternacht offen.
„Corona hat das Blatt gewendet“, sagt Karl-Heinz Petzinka, „die Regeln brachten die Studierenden auf die Palme“. Es waren solche Regeln, die den Aufenthalt im Haus gesetzlich einschränken wie eine allgemeine Einlasskontrolle, Maskenpflicht, Beschränkungen für Gruppenunterricht.
Einige Studierende und wenige Professoren haben – offenbar, um die Corona-Schutzauflagen zu umgehen – eine alternative, in ihrem Sinne freie Lehranstalt eröffnet, wo keine Regeln wie etwa Maskenpflicht gelten. In einem alten Autohaus an der Erkrather Straße wird seit Monaten heimlich gelehrt und gelernt, das Rektorat erfuhr erst davon, als sich Studierende bei ihm offiziell beschwerten, dass der Unterricht im Ausweichquartier stattfinden sollte, sie aber in die Akademie wollten. „Die Akademie ist der Ort der Lehre“, sagt Petzinka und warnt vor alternativ umtriebigen Modellen. Dort gebe es weder Haftung noch gelte die Versicherung.
Auch der jüngste Sommerrundgang führte zu großem Unmut, weil aus Sicht der Studierenden viel zu wenige Besucher da waren und keine Werbung gemacht worden war. Der Rektor sah sich zur grundsätzlichen Beschränkung von Besucherzahlen gezwungen, er hatte den Studierenden angeboten, ihr Examen auf den Herbst verschieben zu können. Wer aber auf den Sommer festgelegt war, erlebte einen Rundgang mit Beschneidungen: Die Eröffnungsfeier musste ausfallen, offizielle Einladungen gab es nicht. Der sonst von Besucherströmen – darunter Galeristen, Sammler und sonstige Kauflustige – verwöhnte Rundgang vermeldete stundenweise gähnende Leere.
Im Vorfeld musste jeder Rundgangsteilnehmer zur möglichen Kontaktrückverfolgung im Falle eines Corona-Ausbruchs die 30 Menschen,
die er einladen durfte, namentlich benennen und alle ihre Daten hinterlegen. Dass diese Maßnahme nicht gut ankam, kann man sich vorstellen. Dass eine asiatische Studierende nach persönlichen Auseinandersetzungen mit Petzinka über die Anzahl ihrer Freunde dem Rektor Rassismus in einem Instagram-Post vorwarf, ist die unschöne Eskalation der Verhältnisse.
In einer offiziellen E-Mail an alle Studierenden hatte der Rektor das Regelwerk für den Sommerrundgang erklärt. Im dritten Absatz dieser E-Mail schreibt er: „1/3 der Absolvent*innen sind nicht national, in der Summe aller Namen und Personen wäre der Zugang bei 30 Personen für erstmal ca. 450 Personen festgelegt. Auch hier gibt es kommunizierte Regeln für Fremdpersonen-Zugänge, das sollen wir als erstes einmal im Auge behalten.“Eine koreanische Studentin, die mittlerweile exmatrikuliert ist, empfand diese Mail als rassistische Diskriminierung, wie sie auf Instagram gepostet hat.
Dass dieser Post als Screenshot unter Studenten immer noch herumgereicht wird, ist nicht auszuschließen. Petzinka sagt, er habe der betroffenen Studentin viele Angebote gemacht, den Freundeskreis nach ihrer Vorstellung gegebenenfalls erweitern zu können – unter Nennung der persönlichen Daten. Tatsächlich seien die Worte „nicht national“vielleicht ungeschickt gewesen, räumt der Rektor ein: „Ich habe meine Lehre daraus gezogen.“
Dass im künstlerischen Lehrbetrieb bald wieder Frieden herrscht, dafür macht sich das Rektorat stark. Das Klima von Missmut und ständiger Meckerei von einigen wenigen Krakeelern tut dem künstlerischen Lehrbetrieb nicht gut, so eine Insiderin. Gleich zu zwei Rundgängen lädt die Akademie aktuell ein, immer noch mit Einschränkungen wie der 3G-Regel und einer maximalen Tagesbesucherzahl von 2000 Menschen, die sich zur gleichen Zeit im Haus aufhalten dürfen. Zum ersten Rundgang sind rund 50 Ausstellungen von Absolventen und Absolventinnen eingerichtet, danach folgt der traditionelle Rundgang – die Kür der Kunstakademie –, der eigentlich im Februar hätte stattfinden sollen.
Außerdem steht ein Angebot im Raum, das „Kickstarter“heißt und eine Fördermaßnahme der bundesdeutschen Stiftung Kunstfonds für Absolventen von Kunsthochschulen der Jahrgänge 19/20/21 ist. Wenn sie ein zukunftsfähiges Arbeitsmodell nachweisen, erhalten sie eine Fördersumme von 7000 Euro. Alleine für die Kunstakademie hat Petzinka 57 Förderungen zugeteilt bekommen. Er findet das großartig und staunt gleichzeitig: „Viele haben sich noch nicht darauf gemeldet“, so der Rektor ernüchtert. Als Vater von drei erwachsenen Kindern weiß er um die schwere Zeit, die Corona und die Folgen besonders der Jugend beschert. Gebetsmühlenartig wiederholt der 65-Jährige seine absolute Offenheit, seine Kritikfähigkeit und ständige Gesprächsbereitschaft, nicht nur in den regelmäßig stattfindenden öffentlichen Foren.
Man sollte ihn beim Wort nehmen.