Gute alte Adressen – und was aus Villen wird
Erbaut als stattliche Domizile von Fabrikantenfamilien in der Stadt, haben mehrere Villen ungeahnte Karrieren gemacht. So geht ihre Geschichte weiter.
HEILIGENHAUS Gediegenheit, Wohlstand, Blickfang – es gibt sicher allerlei, was gern mit Stadtvillen der Gründerzeit assoziiert wird. Aber auch das? „Wir möchten das Gebäude so herrichten, dass man in den Büros nicht im Sommer schwitzt und im Winter friert.“In diesem Sinn ließ sich Landrat Thomas Hendele vernehmen bei einem Besuch in der Villa Kiekert am Höseler Platz. Bevor dort die Millionen-Sanierung am alten und bleibenden Standort startete, die inzwischen abgeschlossen ist.
Damit begann ein ganz und gar nicht gründerzeitliches, Kapitel. Die Villa verrät, außen von Efeu befreit, unverkennbar ihren Zweck. Dafür sorgen allein schon blau-riesige Neonlettern am neuen Eingangsbereich. Die Stadt ist Vermieter, der langfristige Mietvertrag mit dem Kreis längst neu aufgelegt. So weit, so dienstlich. Kuriosum am Rande:
Am Höseler Platz steht die zweite „Kiekert-Villa“, die der Polizei in der Stadt bereits als Wache gedient hat. Die erste, 1966 abgerissen, stand an der Hauptstraße 175, wie das Stadtarchiv in Unterlagen dokumentiert.
Etwas unkomplizierter verhält es sich mit der Villa Engstfeld, bis heute ein Blickfang an der Hauptstraße. „1905 veranlasste Wilhelm Engstfeld den Neubau des Familienhauses. Es grenzt an das (...) Stammhaus ,An der Insel’.“So steht es in der Festschrift zum 175-jährigen Bestehen der Firma Wehag. Wilhelm engstfeld war ein bekannter Mann in der Stadt: „Als Heiligenhaus 1897 aus der Stadtgemeinde ausschied und selbständige Bürgermeisterei wurde, gehörte Wilhelm Engstfeld dem neuen Gemeinderat an, in den er 1901 und 1907 wiedergewählt wurde“, heißt es in der Festschrift.
Die alte Optik der Villa blieb erhalten.
Heute bestimmt der augenfällige Kontrast zum neu entstandenen kleinen Gewerbegebiet in direkter Nachbarschaft an der Hauptstraße das Gesamtbild.
Eine weitere Immobilie in (nach wie vor) gefragter Lage lag in Sichtweite des Kant-Gymnasiums, gegenüber dem jetzigen John-Steinbeck-Park: die „Villa Küpper“. Sie wurde im April 2007 abgerissen. Allerdings auch nach einer Immobilien-Biografie, die weit über die eines gediegenen Einfamilienhauses hinaus geht. Aktenkundig wurde sie erstmals 1939: „Bauherr Hans Küpper, Arch.: Franz Hillebrand“, so steht es in den Stadtarchiv-Akten. Und weiter: „An neuen Bauvorhaben sind gemeldet und auch bereits in Bearbeitung (...) ein Einfamilienhaus des Fabrikanten Hans Küpper an der verlängerten Blume. Gebrauchsabnahme 1941.“!971 oder 1972, hier ist das Material nicht ganz präzise datiert, gelangte die Villa in den Besitz der Stadt. Im September 1975 zog die Musikschule, 1969 gegründet, mit ihrem Instrumentalunterricht ein. In den späten 90ern bezog der damalige Kulturamtsleiter Reinhard Schneider in der Villa eines der wohl besondersten Verwaltungs-Büros weit und breit. Parkett und Täfelungen gibt es andernorts nicht mal als Wunschausstattung. Trotz alledem: Die Villa war von der Substanz her offenbar so marode, dass am Ende, im Jahr 2007, nur der Abriss blieb. Zuvor hatte die Stadt die Immobilie verkauft. An gleicher Stelle steht jetzt eine schicke Appartment-Anlage.