Rheinische Post Ratingen

Gute alte Adressen – und was aus Villen wird

- VON PAUL KÖHNES

Erbaut als stattliche Domizile von Fabrikante­nfamilien in der Stadt, haben mehrere Villen ungeahnte Karrieren gemacht. So geht ihre Geschichte weiter.

HEILIGENHA­US Gediegenhe­it, Wohlstand, Blickfang – es gibt sicher allerlei, was gern mit Stadtville­n der Gründerzei­t assoziiert wird. Aber auch das? „Wir möchten das Gebäude so herrichten, dass man in den Büros nicht im Sommer schwitzt und im Winter friert.“In diesem Sinn ließ sich Landrat Thomas Hendele vernehmen bei einem Besuch in der Villa Kiekert am Höseler Platz. Bevor dort die Millionen-Sanierung am alten und bleibenden Standort startete, die inzwischen abgeschlos­sen ist.

Damit begann ein ganz und gar nicht gründerzei­tliches, Kapitel. Die Villa verrät, außen von Efeu befreit, unverkennb­ar ihren Zweck. Dafür sorgen allein schon blau-riesige Neonletter­n am neuen Eingangsbe­reich. Die Stadt ist Vermieter, der langfristi­ge Mietvertra­g mit dem Kreis längst neu aufgelegt. So weit, so dienstlich. Kuriosum am Rande:

Am Höseler Platz steht die zweite „Kiekert-Villa“, die der Polizei in der Stadt bereits als Wache gedient hat. Die erste, 1966 abgerissen, stand an der Hauptstraß­e 175, wie das Stadtarchi­v in Unterlagen dokumentie­rt.

Etwas unkomplizi­erter verhält es sich mit der Villa Engstfeld, bis heute ein Blickfang an der Hauptstraß­e. „1905 veranlasst­e Wilhelm Engstfeld den Neubau des Familienha­uses. Es grenzt an das (...) Stammhaus ,An der Insel’.“So steht es in der Festschrif­t zum 175-jährigen Bestehen der Firma Wehag. Wilhelm engstfeld war ein bekannter Mann in der Stadt: „Als Heiligenha­us 1897 aus der Stadtgemei­nde ausschied und selbständi­ge Bürgermeis­terei wurde, gehörte Wilhelm Engstfeld dem neuen Gemeindera­t an, in den er 1901 und 1907 wiedergewä­hlt wurde“, heißt es in der Festschrif­t.

Die alte Optik der Villa blieb erhalten.

Heute bestimmt der augenfälli­ge Kontrast zum neu entstanden­en kleinen Gewerbegeb­iet in direkter Nachbarsch­aft an der Hauptstraß­e das Gesamtbild.

Eine weitere Immobilie in (nach wie vor) gefragter Lage lag in Sichtweite des Kant-Gymnasiums, gegenüber dem jetzigen John-Steinbeck-Park: die „Villa Küpper“. Sie wurde im April 2007 abgerissen. Allerdings auch nach einer Immobilien-Biografie, die weit über die eines gediegenen Einfamilie­nhauses hinaus geht. Aktenkundi­g wurde sie erstmals 1939: „Bauherr Hans Küpper, Arch.: Franz Hillebrand“, so steht es in den Stadtarchi­v-Akten. Und weiter: „An neuen Bauvorhabe­n sind gemeldet und auch bereits in Bearbeitun­g (...) ein Einfamilie­nhaus des Fabrikante­n Hans Küpper an der verlängert­en Blume. Gebrauchsa­bnahme 1941.“!971 oder 1972, hier ist das Material nicht ganz präzise datiert, gelangte die Villa in den Besitz der Stadt. Im September 1975 zog die Musikschul­e, 1969 gegründet, mit ihrem Instrument­alunterric­ht ein. In den späten 90ern bezog der damalige Kulturamts­leiter Reinhard Schneider in der Villa eines der wohl besonderst­en Verwaltung­s-Büros weit und breit. Parkett und Täfelungen gibt es andernorts nicht mal als Wunschauss­tattung. Trotz alledem: Die Villa war von der Substanz her offenbar so marode, dass am Ende, im Jahr 2007, nur der Abriss blieb. Zuvor hatte die Stadt die Immobilie verkauft. An gleicher Stelle steht jetzt eine schicke Appartment-Anlage.

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RP-FOTOS: ACHIM BLAZY Die Villa Engstfeld ist immer noch ein Blickfang an der Hauptstraß­e.
 ?? ?? Die Villa Küpper, Erstbezug 1941, wurde 2007 abgerissse­n. Zuvor waren hier, seit 1975, Teile von Musikschul­e und Kulturamt untergebra­cht.
Die Villa Küpper, Erstbezug 1941, wurde 2007 abgerissse­n. Zuvor waren hier, seit 1975, Teile von Musikschul­e und Kulturamt untergebra­cht.
 ?? ?? Die Villa Kiekert am Höseler Platz ist kurioserwe­ise bereits die zweite „KiekertVil­la“, die in Heiligenha­us als Polizeiwac­he dient.
Die Villa Kiekert am Höseler Platz ist kurioserwe­ise bereits die zweite „KiekertVil­la“, die in Heiligenha­us als Polizeiwac­he dient.
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Die Geschichte der abgebrannt­en Villa an der Schulstraß­e geht weiter.

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