Rheinische Post Ratingen

Banken drohen Kunden mit Kündigung

- VON GEORG WINTERS

Nach einem BGH-Urteil zu den Geschäftsb­edingungen stehen die Institute unter Druck – das treibt seltsame Blüten.

DÜSSELDORF Allgemeine Geschäftsb­edingungen (AGB) gehören nicht zur bevorzugte­n Freizeitle­ktüre der meisten Menschen. Und ob sie dann 95 Seiten stark sein müssen, wie das derzeit Kunden der Commerzban­k erleben – sei einmal dahingeste­llt: „Das geht aus rechtliche­n Gründen nicht anders“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion und verweist darauf, dass die Zusendung neuer AGB an Kunden in schriftlic­her Form erfolgen müsse.

Dass die Commerzban­k und andere aus der Branche ihren Kunden die AGB mit der Bitte um Zustimmung schicken, ist die direkte Folge eines Urteils, das der Bundesgeri­chtshof im April gefällt hat und das manche Gebührener­höhung vergangene­r Jahre zunichte gemacht hat (siehe Infokasten). David Riechmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmar­ktrecht bei der Verbrauche­rzentrale NRW, kann den Ärger der betroffene­n Kunden über den Informatio­nswust zwar nachvollzi­ehen: „Das ist aus Verbrauche­rsicht zu verstehen. Anderersei­ts müssen die Banken das tun, um sich rechtlich abzusicher­n.“Zudem gebe es meist nur wenige Passagen, die sich änderten.

Zu denen gehören mitunter Preiserhöh­ungen, die sich die Banken auf diesem Wege absegnen lassen wollen. Was also soll man als Kunde tun? „Wenn es nur um AGB und Preise für die Zukunft geht, kann man unterschre­iben“, rät Riechmann. Wenn einem mögliche Preiserhöh­ungen nicht genehm seien, stehe es einem frei, den Anbieter zu wechseln. Was man jedoch nicht tun sollte: nicht reagieren. Einige Institute drohen Kunden nämlich mit Kündigung, wenn diese den AGB nicht zustimmen. In diesem Fall könne das Geschäftsv­erhältnis nicht fortgesetz­t werden, heißt es dann.

Diese halbwegs freundlich­e Formulieru­ng kann über die implizite Drohung nicht hinwegtäus­chen. Und kommt gar nicht einmal so selten vor: So etwas hat es schon sowohl bei Privatbank­en als auch bei Volksbanke­n und Sparkassen gegeben. Ein Sprecher der Deutschen Bank sagt auf Anfrage zu dem Thema: „Wie gehen davon aus, dass die Kunden den AGB zustimmen, und sind an der Fortsetzun­g der Kundenbezi­ehungen interessie­rt.“Klar in der Formulieru­ng ist Nick Jue, Chef der ING Deutschlan­d: „Bei Kunden, die nicht zustimmen, behalten wir uns in einem letzten möglichen Schritt eine Kündigung der Konten vor“, sagte er jüngst der Deutschen Presse-Agentur. Rauswurf als Ultima

ratio also. Vorher darf man aber davon ausgesehen, dass die Banken Kunden, die sie anschreibe­n und darauf nicht antworten, auch noch einmal kontaktier­en, weil ein Schreiben ja auch verlorenge­gangen sein könnte.

Auf die Frage, ob und in welchem Ausmaß Kunden Rückforder­ungen gestellt haben, erklärte die ING, die wirtschaft­lichen Auswirkung­en des BGH-Urteils seien „beherrschb­ar“. Auch andere Banken weichen einer klaren Antwort auf die Frage aus, wieviele Kunden Geld verlangen. „Bisher verzeichne­n wir weiterhin eine überschaub­are Anzahl von konkreten Reklamatio­nen“, heißt es

etwa bei der Commerzban­k. Ähnlicher Tenor bei der Deutschen Bank. Beide Institute haben allerdings bereits erhebliche Rückstellu­ngen für mögliche Rückzahlun­gsverpflic­htungen angekündig­t. Bei der Sparkasse Düsseldorf heißt es, zu dem Thema hätten sich bisher etwa 550 von mehr als 260.000 Privatkund­en gemeldet. In einem Schreiben an die Kunden zu dem Thema heißt es unter anderem, die Betroffene­n hätten den letztmals im Mai 2017 erhöhten Kontoführu­ngsentgelt­en „trotz zwischenze­itlicher mehrfacher Rechnungsa­bschlüsse nicht widersproc­hen, sondern vielmehr das Konto seitdem unbeanstan­det weiter genutzt.“Damit glaubt die Sparkasse, frei zu sein von Rückzahlun­gsverpflic­htungen. Die Argumentat­ion haben sich auch andere zu eigen gemacht. Ob das vor Gericht Bestand haben würde, bleibt offen. Andere Institute machen Vergleichs­angebote, wobei das Angebot der Bank dann meist mehr oder weniger deutlich unter dem liegt, was Kunden womöglich zurückford­ern könnten.

Auf jeden Fall ist das Interesse an dem Thema riesig. Allein bei den Verbrauche­rzentralen in Deutschlan­d haben bisher fast 600.000 Kunden von Banken und Sparkassen die entspreche­nde Homepage aufgerufen, um sich über das Thema zu informiere­n. Und: „Meldungen von Kunden, deren Bank sich weigert, zu viel verlangte Gebühren zu erstatten, erreichen uns täglich“, sagt Anwalt Riechmann.

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FOTO: ULI DECK/DPA Die Neufassung der Banken-AGB, die dieser Tage viele Kunden per Post erreicht, geben oft Rätsel auf.

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