Banken drohen Kunden mit Kündigung
Nach einem BGH-Urteil zu den Geschäftsbedingungen stehen die Institute unter Druck – das treibt seltsame Blüten.
DÜSSELDORF Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gehören nicht zur bevorzugten Freizeitlektüre der meisten Menschen. Und ob sie dann 95 Seiten stark sein müssen, wie das derzeit Kunden der Commerzbank erleben – sei einmal dahingestellt: „Das geht aus rechtlichen Gründen nicht anders“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion und verweist darauf, dass die Zusendung neuer AGB an Kunden in schriftlicher Form erfolgen müsse.
Dass die Commerzbank und andere aus der Branche ihren Kunden die AGB mit der Bitte um Zustimmung schicken, ist die direkte Folge eines Urteils, das der Bundesgerichtshof im April gefällt hat und das manche Gebührenerhöhung vergangener Jahre zunichte gemacht hat (siehe Infokasten). David Riechmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Verbraucherzentrale NRW, kann den Ärger der betroffenen Kunden über den Informationswust zwar nachvollziehen: „Das ist aus Verbrauchersicht zu verstehen. Andererseits müssen die Banken das tun, um sich rechtlich abzusichern.“Zudem gebe es meist nur wenige Passagen, die sich änderten.
Zu denen gehören mitunter Preiserhöhungen, die sich die Banken auf diesem Wege absegnen lassen wollen. Was also soll man als Kunde tun? „Wenn es nur um AGB und Preise für die Zukunft geht, kann man unterschreiben“, rät Riechmann. Wenn einem mögliche Preiserhöhungen nicht genehm seien, stehe es einem frei, den Anbieter zu wechseln. Was man jedoch nicht tun sollte: nicht reagieren. Einige Institute drohen Kunden nämlich mit Kündigung, wenn diese den AGB nicht zustimmen. In diesem Fall könne das Geschäftsverhältnis nicht fortgesetzt werden, heißt es dann.
Diese halbwegs freundliche Formulierung kann über die implizite Drohung nicht hinwegtäuschen. Und kommt gar nicht einmal so selten vor: So etwas hat es schon sowohl bei Privatbanken als auch bei Volksbanken und Sparkassen gegeben. Ein Sprecher der Deutschen Bank sagt auf Anfrage zu dem Thema: „Wie gehen davon aus, dass die Kunden den AGB zustimmen, und sind an der Fortsetzung der Kundenbeziehungen interessiert.“Klar in der Formulierung ist Nick Jue, Chef der ING Deutschland: „Bei Kunden, die nicht zustimmen, behalten wir uns in einem letzten möglichen Schritt eine Kündigung der Konten vor“, sagte er jüngst der Deutschen Presse-Agentur. Rauswurf als Ultima
ratio also. Vorher darf man aber davon ausgesehen, dass die Banken Kunden, die sie anschreiben und darauf nicht antworten, auch noch einmal kontaktieren, weil ein Schreiben ja auch verlorengegangen sein könnte.
Auf die Frage, ob und in welchem Ausmaß Kunden Rückforderungen gestellt haben, erklärte die ING, die wirtschaftlichen Auswirkungen des BGH-Urteils seien „beherrschbar“. Auch andere Banken weichen einer klaren Antwort auf die Frage aus, wieviele Kunden Geld verlangen. „Bisher verzeichnen wir weiterhin eine überschaubare Anzahl von konkreten Reklamationen“, heißt es
etwa bei der Commerzbank. Ähnlicher Tenor bei der Deutschen Bank. Beide Institute haben allerdings bereits erhebliche Rückstellungen für mögliche Rückzahlungsverpflichtungen angekündigt. Bei der Sparkasse Düsseldorf heißt es, zu dem Thema hätten sich bisher etwa 550 von mehr als 260.000 Privatkunden gemeldet. In einem Schreiben an die Kunden zu dem Thema heißt es unter anderem, die Betroffenen hätten den letztmals im Mai 2017 erhöhten Kontoführungsentgelten „trotz zwischenzeitlicher mehrfacher Rechnungsabschlüsse nicht widersprochen, sondern vielmehr das Konto seitdem unbeanstandet weiter genutzt.“Damit glaubt die Sparkasse, frei zu sein von Rückzahlungsverpflichtungen. Die Argumentation haben sich auch andere zu eigen gemacht. Ob das vor Gericht Bestand haben würde, bleibt offen. Andere Institute machen Vergleichsangebote, wobei das Angebot der Bank dann meist mehr oder weniger deutlich unter dem liegt, was Kunden womöglich zurückfordern könnten.
Auf jeden Fall ist das Interesse an dem Thema riesig. Allein bei den Verbraucherzentralen in Deutschland haben bisher fast 600.000 Kunden von Banken und Sparkassen die entsprechende Homepage aufgerufen, um sich über das Thema zu informieren. Und: „Meldungen von Kunden, deren Bank sich weigert, zu viel verlangte Gebühren zu erstatten, erreichen uns täglich“, sagt Anwalt Riechmann.