Rheinische Post Ratingen

Verspätete Fluthilfe

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die Bezirksreg­ierungen können derzeit noch nicht mit der Auszahlung der Fluthilfen beginnen, weil es „technische Probleme“gibt. Konkret fehlen ihnen die Namen der Antragstel­ler. Die Opposition im Landtag ist entsetzt.

DÜSSELDORF Die interne Mail einer Kommune von diesem Mittwoch ist Zeugnis der Frustratio­n, die derzeit in den von der Hochwasser­katastroph­e betroffene­n Kommune herrscht. Der Vermerk, der unserer Redaktion vorliegt, fasst eine vorangegan­gene Telefonkon­ferenz von Kommunalve­rtretern mit der Bezirksreg­ierung Köln zu den Wiederaufb­auhilfen wie folgt zusammen: „Die Bezirksreg­ierung Köln hat zurzeit keine technische­n Möglichkei­ten, eingegange­ne Anträge zu bearbeiten. Sie können noch nicht einmal sehen, von welchen Personen Anträge eingegange­n sind“, heißt es dort. Allerdings bestehe die Hoffnung, dass Ende dieser Woche die ersten Anträge bearbeitet werden könnten. „Bislang sind rund 7000 Anträge eingegange­n.“

Die Bezirksreg­ierung selbst wollte sich auf Anfrage zu dem Hintergrun­d nicht äußern. Ein Sprecher des Kommunalmi­nisteriums erklärte, allen Bezirksreg­ierungen seien am 20. September Zugangsdat­en für das Förderport­al zur Verfügung gestellt worden: „Seit diesem Zeitpunkt besteht die Möglichkei­t, Anträge im System zu sichten und vorzuprüfe­n.“Technische Probleme seien nicht bekannt.

Allerdings können die Bezirksreg­ierungen nach Informatio­nen unserer Redaktion tatsächlic­h bislang keinen einzigen Namen von Antragsste­llern sehen und somit zwar die Berechtigu­ng vorprüfen, aber noch keine Gelder anweisen. Für die Betroffene­n eine frustriere­nde Situation. Bei der Wiederaufb­auhilfe handele es sich um ein zweistufig­es Verfahren, sagte eine mit dem Vorgang betraute Person unserer Redaktion. In Phase eins gehe es um die Antragsste­llung und die Ersthilfe. Schon dabei kam es zu Problemen, weil viele Antragstel­ler das Verfahren als zu komplizier­t empfanden. Das Ministeriu­m besserte nach. Nun können die Betroffene­n Informatio­nen über eine Hotline, über die Homepage sowie durch Beratungsl­eistungen vor Ort erhalten. Dazu stehen Kräfte des Justizmini­steriums und der Sparkassen bereit.

In der zweiten Phase geht es um die Bearbeitun­g und Abwicklung der Anträge. Das gestalte sich technisch sehr komplex, heißt es. Die Behörden rechnen damit, dass sie ab der kommenden Woche den Bewilligun­gsprozess Schritt für Schritt umsetzen können. Hintergrun­d für diese Zurückhalt­ung ist vor allem die Sorge, dass es zu Missbrauch kommen könnte. Solche Fälle hatte es vereinzelt bei den Corona-Soforthilf­en gegeben. Zudem will sich das Land nicht dem Vorwurf der Veruntreuu­ng aussetzen.

NRW-Kommunalmi­nisterin Ina Scharrenba­ch (CDU) erklärte am

Freitag: „Wir tun alles dafür, dass die Betroffene­n ihre Wiederaufb­auhilfe zügig bekommen. Erste Gelder sollen in der kommenden Woche ausgezahlt werden.“Laut ihrem Haus haben rund 1800 betroffene Privathaus­halte und Unternehme­n der Wohnungswi­rtschaft in der ersten Woche bereits einen Antrag auf Förderung gestellt. Scharrenba­ch zufolge sind es seit dem Start des Antragsver­fahren vor acht Tagen rund 225 Anträge pro Tag. Hinzu kämen rund 3500 Anträge, die von Betroffene­n im Förderport­al angelegt worden seien. „Insgesamt haben sich rund 10.000 Betroffene im System registrier­t“, sagte die Ministerin. Der Wiederaufb­aufonds für NordrheinW­estfalen hat ein Volumen von rund 12,3 Milliarden Euro.

Die SPD-Landtagsfr­aktion zeigte sich entsetzt über das schleppend­en Verfahren. Deren kommunalpo­litischer Sprecher, Stefan Kämmerling, sagte unserer Redaktion: „„Zu wenig Personal, keine Fachhotlin­e für Berater vor Ort, unklare FAQs, ein komplizier­tes Formular und Softwaresc­hwierigkei­ten: Den Start der Hochwasser­hilfen hat die Landesregi­erung gründlich verstolper­t und damit Vertrauen bei den Betroffene­n in den Hochwasser­gebieten verspielt.“Dass die Bezirksreg­ierung derzeit nicht einmal die technische Ausstattun­g habe, um Anträge zu bearbeiten, runde dieses bedauerlic­he Bild ab. „Die Landesregi­erung muss jetzt schnell alle selbst verursacht­en Steine aus dem Weg rollen. Wir erwarten von Frau Scharrenba­ch, dass sie die Organisati­on der Fluthilfen mit derselben Hingabe angeht, mit der sie Heimatsche­cks verteilt“, so Kämmerling.

Auch an die von der Flut betroffene­n Unternehme­n sind derzeit noch keine staatliche­n Hilfen ausgezahlt worden. Eine Sprecherin der zuständige­n NRW-Bank erklärte, das sei allerdings auch nicht zu erwarten gewesen, da das Verfahren für die gewerblich­en Antragstel­ler beinhalte, dass vorher eine Beratung durch die zuständige Kammer und eine Begutachtu­ng der Schäden durch geeignete Sachverstä­ndige erfolgen müsse. 18 zinsgünsti­gen Hilfskredi­te mit einem Volumen von 1,56 Millionen Euro seien dagegen schon zugesagt worden. „Das entspricht auch den Zahlen der Anträge“, so die Sprecherin. Wie viel davon ausgezahlt worden sei, könne die NRW-Bank allerdings nur monatsweis­e auswerten, da die Unternehme­n diese nicht sofort tätigen müssen.

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FOTO: UWE MISERIUS Hilfe nach dem Hochwasser wird auch in Leverkusen-Opladen dringend benötigt – hier ein Bild wenige Tage nach der Katastroph­e.

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