Verspätete Fluthilfe
Die Bezirksregierungen können derzeit noch nicht mit der Auszahlung der Fluthilfen beginnen, weil es „technische Probleme“gibt. Konkret fehlen ihnen die Namen der Antragsteller. Die Opposition im Landtag ist entsetzt.
DÜSSELDORF Die interne Mail einer Kommune von diesem Mittwoch ist Zeugnis der Frustration, die derzeit in den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Kommune herrscht. Der Vermerk, der unserer Redaktion vorliegt, fasst eine vorangegangene Telefonkonferenz von Kommunalvertretern mit der Bezirksregierung Köln zu den Wiederaufbauhilfen wie folgt zusammen: „Die Bezirksregierung Köln hat zurzeit keine technischen Möglichkeiten, eingegangene Anträge zu bearbeiten. Sie können noch nicht einmal sehen, von welchen Personen Anträge eingegangen sind“, heißt es dort. Allerdings bestehe die Hoffnung, dass Ende dieser Woche die ersten Anträge bearbeitet werden könnten. „Bislang sind rund 7000 Anträge eingegangen.“
Die Bezirksregierung selbst wollte sich auf Anfrage zu dem Hintergrund nicht äußern. Ein Sprecher des Kommunalministeriums erklärte, allen Bezirksregierungen seien am 20. September Zugangsdaten für das Förderportal zur Verfügung gestellt worden: „Seit diesem Zeitpunkt besteht die Möglichkeit, Anträge im System zu sichten und vorzuprüfen.“Technische Probleme seien nicht bekannt.
Allerdings können die Bezirksregierungen nach Informationen unserer Redaktion tatsächlich bislang keinen einzigen Namen von Antragsstellern sehen und somit zwar die Berechtigung vorprüfen, aber noch keine Gelder anweisen. Für die Betroffenen eine frustrierende Situation. Bei der Wiederaufbauhilfe handele es sich um ein zweistufiges Verfahren, sagte eine mit dem Vorgang betraute Person unserer Redaktion. In Phase eins gehe es um die Antragsstellung und die Ersthilfe. Schon dabei kam es zu Problemen, weil viele Antragsteller das Verfahren als zu kompliziert empfanden. Das Ministerium besserte nach. Nun können die Betroffenen Informationen über eine Hotline, über die Homepage sowie durch Beratungsleistungen vor Ort erhalten. Dazu stehen Kräfte des Justizministeriums und der Sparkassen bereit.
In der zweiten Phase geht es um die Bearbeitung und Abwicklung der Anträge. Das gestalte sich technisch sehr komplex, heißt es. Die Behörden rechnen damit, dass sie ab der kommenden Woche den Bewilligungsprozess Schritt für Schritt umsetzen können. Hintergrund für diese Zurückhaltung ist vor allem die Sorge, dass es zu Missbrauch kommen könnte. Solche Fälle hatte es vereinzelt bei den Corona-Soforthilfen gegeben. Zudem will sich das Land nicht dem Vorwurf der Veruntreuung aussetzen.
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) erklärte am
Freitag: „Wir tun alles dafür, dass die Betroffenen ihre Wiederaufbauhilfe zügig bekommen. Erste Gelder sollen in der kommenden Woche ausgezahlt werden.“Laut ihrem Haus haben rund 1800 betroffene Privathaushalte und Unternehmen der Wohnungswirtschaft in der ersten Woche bereits einen Antrag auf Förderung gestellt. Scharrenbach zufolge sind es seit dem Start des Antragsverfahren vor acht Tagen rund 225 Anträge pro Tag. Hinzu kämen rund 3500 Anträge, die von Betroffenen im Förderportal angelegt worden seien. „Insgesamt haben sich rund 10.000 Betroffene im System registriert“, sagte die Ministerin. Der Wiederaufbaufonds für NordrheinWestfalen hat ein Volumen von rund 12,3 Milliarden Euro.
Die SPD-Landtagsfraktion zeigte sich entsetzt über das schleppenden Verfahren. Deren kommunalpolitischer Sprecher, Stefan Kämmerling, sagte unserer Redaktion: „„Zu wenig Personal, keine Fachhotline für Berater vor Ort, unklare FAQs, ein kompliziertes Formular und Softwareschwierigkeiten: Den Start der Hochwasserhilfen hat die Landesregierung gründlich verstolpert und damit Vertrauen bei den Betroffenen in den Hochwassergebieten verspielt.“Dass die Bezirksregierung derzeit nicht einmal die technische Ausstattung habe, um Anträge zu bearbeiten, runde dieses bedauerliche Bild ab. „Die Landesregierung muss jetzt schnell alle selbst verursachten Steine aus dem Weg rollen. Wir erwarten von Frau Scharrenbach, dass sie die Organisation der Fluthilfen mit derselben Hingabe angeht, mit der sie Heimatschecks verteilt“, so Kämmerling.
Auch an die von der Flut betroffenen Unternehmen sind derzeit noch keine staatlichen Hilfen ausgezahlt worden. Eine Sprecherin der zuständigen NRW-Bank erklärte, das sei allerdings auch nicht zu erwarten gewesen, da das Verfahren für die gewerblichen Antragsteller beinhalte, dass vorher eine Beratung durch die zuständige Kammer und eine Begutachtung der Schäden durch geeignete Sachverständige erfolgen müsse. 18 zinsgünstigen Hilfskredite mit einem Volumen von 1,56 Millionen Euro seien dagegen schon zugesagt worden. „Das entspricht auch den Zahlen der Anträge“, so die Sprecherin. Wie viel davon ausgezahlt worden sei, könne die NRW-Bank allerdings nur monatsweise auswerten, da die Unternehmen diese nicht sofort tätigen müssen.