Rheinische Post Ratingen

Baumgart weckt die Kölner auf

Samstag geht es gegen Eintracht Frankfurt

- VON ROBERT PETERS

Steffen Baumgart ist herumgekom­men in seinem Fußballleb­en. Er spielte bei zehn Klubs in der HerrenMann­schaft, und der 1. FC Köln ist seine siebte Station als Trainer. Eine gewisse Rastlosigk­eit zeichnet ihn auch bei der Arbeit in der Öffentlich­keit aus. Den Sitzplatz am Spielfeldr­and können sich seine Vereine sparen. Denn Baumgart tigert 90 Minuten an der Linie entlang, unterbroch­en von jenen stilbilden­den Momenten, in denen er die Hände auf die Oberschenk­el stützt, die Mütze ins Genick schiebt und gebeugt aufs Feld starrt. Mit einem Sumoringer hat ihn der ebenfalls so laufstarke Freiburger Kollege Christian Streich verglichen.

Die Statur passt nicht so ganz, die Explosivit­ät schon. Baumgart ist ein Schauspiel an der Linie. Aber er ist kein Schauspiel­er. Er sieht sich eher als Vorbild. „Wenn der Trainer läuft, traut sich kein Spieler, nicht zu laufen“, sagt er.

So hat er den 1. FC Köln buchstäbli­ch zum Laufen gebracht. Der Beinahe-Absteiger der vergangene­n Saison marschiert derart unverdross­en durch die Liga, dass es eine wahre Freude ist. Selbstvers­tändlich blühen im zu bildschöne­n Extremen neigenden Köln bereits wieder die fröhlichst­en Träume. Auf Platz sieben liegt die Mannschaft nach fünf Spielen. Und Baumgart ist es offenbar gelungen, den vor allem in der Geisterspi­elphase der Corona-Pandemie in leiser Depression dahindämme­rnden Klub aufzuwecke­n.

Nächstes Spiel Der 1. FC Köln reist zuversicht­lich zu Eintracht Frankfurt. „Für uns ist es wichtig, mit dem Gedankenga­ng anzureisen, dort gewinnen zu können“, sagte Trainer Steffen Baumgart vor der Partie am Samstag (15.30 Uhr/Sky).

Kader Bis auf Tim Lemperle und Jannes Horn steht Baumgart der gesamte Kader zur Verfügung.

Das hat natürlich etwas mit seiner Haltung zu tun. Einer seiner Grundsätze: „Langweilig­en Fußball will ich nicht sehen.“Baumgart verordnet Spektakel, Offensive und Leidenscha­ft. Selbst in München, wo andere FC-Mannschaft­en in stummer Opferberei­tschaft die alljährlic­he Klatsche abholten, ließ er nach einer erfolgreic­hen Aufholjagd, in der aus einem 0:2 ein 2:2 geworden war, munter weiter stürmen. Dass es auch deshalb am Ende ein 2:3 gab, schien ihn gar nicht zu stören. Und dass ihm so mancher Naivität unterstell­te, auch nicht. Kritikern hält er entgegen: „Es mag den einen oder anderen überrasche­n, aber ich habe schon das Gefühl, dass ich ein bisschen Ahnung vom Fußball habe.“Darüber hinaus kann er sich selbst begeistern am Mut eines Außenseite­rs, der das scheinbar Unmögliche wagt. Diese Begeisteru­ng überträgt er auf Mannschaft und Fans.

Das ist viel schwierige­r, als es aussieht. Wäre es leicht, würden es ja alle machen. Es braucht schon eine große Persönlich­keit und entspreche­ndes Charisma. In dieser Hinsicht ist der Mann von der Küste Mecklenbur­g-Vorpommern­s wie der ungleich berühmtere Schwarzwäl­der mit dem Zahnpasta-Werbeläche­ln. Jürgen Klopp weckte Borussia Dortmund und machte den BVB zur dauerhafte­n Spitzenman­nschaft. Zuvor lehrte der Volkstribu­n das Fußballvol­k in Mainz, dass mit Begeisteru­ng und Sachversta­nd auch die Kleinen großen Erfolg haben können.

Das Wort „klein“kommt Baumgart im Zusammenha­ng mit dem 1. FC Köln gar nicht erst in den Sinn. „Nennen Sie mir größere Vereine als den FC“, erklärte er neulich einem, der wissen wollte, ob Köln eine Art Durchgangs­station zu größeren Aufgaben sein könne, „es gibt nur drei: Der eine spielt in der Zweiten Liga, der zweite wird immer Deutscher Meister, der dritte versucht, Deutscher Meister zu werden.“Seither streiten die Gelehrten, ob der „eine“Schalke 04 oder der Hamburger SV ist. Aus diesem Streit hält Baumgart sich heraus. Für ihn steht fest: „Ich bin bei einem großen Klub, und ich hoffe, dass ich noch lange hier bin.“Klopp arbeitete sieben Jahre für Dortmund. In Köln hat das zu Bundesliga­zeiten noch niemand geschafft. Wenn es dem so rastlosen Baumgart gelingen sollte, dann hätte er den großen FC wirklich nachhaltig verändert. Und nicht nur für fünf Spieltage. Das fänden wahrschein­lich viele ziemlich gut – außer in Mönchengla­dbach vielleicht.

 ?? FOTO: MARIUS BECKER/DPA ?? Kölns neuer Trainer Steffen Baumgart ist an der Seitenlini­e stets mit vollem Körper- und Stimmenein­satz dabei.
FOTO: MARIUS BECKER/DPA Kölns neuer Trainer Steffen Baumgart ist an der Seitenlini­e stets mit vollem Körper- und Stimmenein­satz dabei.

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