SPD profitiert von Laschets Schwäche
Die Forschungsgruppe Wahlen untersucht das Ergebnis im Bund. Olaf Scholz galt den meisten Wählern als einziger Politiker mit Kanzlerqualitäten. Das hilft seiner Partei. Die Union verspielte hingegen ihre Sachkompetenz.
Die SPD hat die Bundestagswahl gewonnen, egal ob sie am Ende vorne liegt oder nicht. Sollte sie das Feld anführen, wäre sie gleichwohl der schwächste Wahlsieger bei Bundestagswahlen. Für die Union war der Wahltag jedenfalls eine Katastrophe. Die Forschungsgruppe Wahlen hat das Ergebnis untersucht.
Kanzlerfrage Für das Unionsdebakel und den SPD-Erfolg gibt es zahlreiche Gründe. Die Union konnte mit ihrem Kanzlerkandidaten nicht überzeugen. Weder Image noch Sachkompetenz stimmten beim Spitzenmann der Christdemokraten. Begünstigt von einer indisponierten Union, profitiert die SPD von der Tatsache, dass sie als einzige politische
Kraft einen Kandidaten mit Kanzlerqualitäten vorweisen konnte. Für 67 Prozent der Deutschen eignet sich Olaf Scholz als Regierungschef. Bei Armin Laschet erkennen nur 29 Prozent und bei Annalena Baerbock (Grüne) 23 Prozent eine Eignung für dieses Amt.
Das Gros der Befragten attestiert Scholz auch den meisten Sachverstand; bei „Glaubwürdigkeit“oder „Zukünftige Probleme lösen“führt er weniger deutlich. Baerbock punktet etwas mit Sympathie, Laschet bleibt überall schwach. Hinzu kommt ein erhebliches Imageproblem: Auf der Skala von minus 5 bis plus 5 liegt der CDU-Chef bei minus 0,5. Nie zuvor hatte ein Kanzlerkandidat weniger Ansehen. Baerbock erreicht nur minus 0,3. Die schwache Polarisierung nutzte Scholz, der mit 1,4 positiv bewertet wird, ohne dabei an Angela Merkel (2,2) heranreichen zu können. Im direkten Vergleich wünschen sich 48 Prozent Scholz, 24 Prozent Laschet, 14 Prozent Baerbock als Kanzler oder Kanzlerin.
Zukunftsfähigkeit Die SPD führt inzwischen auch beim Parteiansehen, was allerdings an der mangelnden Leistungsfähigkeit der Konkurrenz liegt. Auf der Skala von minus 5 bis plus 5 wird die SPD konstant positiv bewertet (1,4; 2017: 1,3), wogegen die CDU/CSU (0,7; 2017: 1,7) einbricht. Einher geht der Imageverlust der Union mit rückläufigen Sachkompetenzen, die bei „Wirtschaft“und „Zukunft“sehr heftig ausfallen. Erstmals seit 2005 spricht eine Mehrheit von einer schlechten Zukunftsvorbereitung unseres Landes, wobei die SPD im Politikfeld „Zukunft“ebenfalls nicht überzeugen kann.
Sachkompetenzen In den Kompetenzfeldern Rente und Bildung lässt die SPD die Union hinter sich; beim Thema „Neue Jobs“verliert die Union nach fast zwei Jahrzehnten ihre Vormachtstellung, und auch bei „Soziale Gerechtigkeit“werden die C-Parteien klar deklassiert. Die meisten Deutschen beklagen eine zunehmende Schere zwischen Arm und Reich, befürworten stärkere Abgaben
auf hohe Einkommen und setzen auch beim Thema Steuern mehrheitlich auf SPD-Politik.
Die Union gilt als führend bei den Themen „Flüchtlinge/Asyl“und „Corona“, die bei der Wahlentscheidung aber eher wenig Einfluss hatten. Beim TopThema Klimaschutz, wofür die Politik nach Ansicht von 63 Prozent zu wenig tut, setzen die weitaus meisten Deutschen auf die Grünen. Auch bei Bildung gelten sie als kompetenteste Partei, bleiben aber bei ökonomischen Themen schwach und stagnieren außerdem beim Parteiansehen (0,4; 2017: 0,5).
Die kleineren Parteien Sowohl AfD als auch FDP und Linke haben bei den meisten Wählern ein schlechtes Image. Die AfD schneidet hier am schlechtesten ab (minus 3,2; 2017: minus 2,8). Aber auch FDP (0,3; 2017: 0,7) und Linke (minus 1,2; 2017: minus 0,4) haben magere Werte. Immerhin kann die Linke bei „Soziale Gerechtigkeit“etwas punkten, die Liberalen sind verhältnismäßig stark bei Wirtschaft und Steuern, die
AfD punktet beim Komplex „Flüchtlinge/Asyl“.
Wählergruppen Bemerkenswert ist der Erfolg der SPD bei der Generation 60 plus: Mit 35 Prozent (plus elf ) liegt sie hier mit der Union (34 Prozent; minus sieben) auf Augenhöhe. In dieser wachsenden Gruppe lagen sonst die C-Parteien lange Jahre vorne. Bei allen unter 60-Jährigen führt die SPD mit 22 Prozent, hier liegen die Grünen mit der Union jetzt auf einem Niveau (18 beziehungsweise 19 Prozent). Bei den unter 30-Jährigen fällt die Union mit nur noch elf Prozent weit hinter Grüne (22 Prozent), FDP (20 Prozent) und SPD (17 Prozent) zurück. Während SPD und Grüne bei Frauen stärker abschneiden als bei Männern, liegen die Verhältnisse bei AfD und FDP umgekehrt, bei der Union und der Linken gibt es hier kaum Differenzen.
Die AfD erzielt ihre besten Ergebnisse bei den 30- bis unter 60-jährigen Männern, im Osten wird die AfD bei den Wählerinnen und Wählern unter 60 stärkste Kraft. Die FDP ist stark bei den Männern unter 30 Jahren, bei allen ab 60-Jährigen hat sie Verluste. Bei der Linken ist der Einbruch im Osten stark, wo die SPD jetzt sehr deutlich zugelegt hat.
Regierungsmodelle Eine große Koalition lehnen die Deutschen ab, gehen aber auf Distanz zu Jamaika (gut/schlecht: 33/49 Prozent), einer Ampel (28 zu 47) und Rot-Grün-Rot (22 zu 64). Konträr zu 2017 wird aber lieber eine SPD-geführte (55 Prozent) als eine CDU/CSU-geführte Regierung (36 Prozent) gewünscht.
Die Umfrage Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung unter 1388 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Deutschland in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 41.373 Wählern am Wahltag.