Der Vulkan kommt nicht zur Ruhe
Eine Woche nach dem Ausbruch öffnen sich im Gebirge Cumbre Vieja weitere Krater. Ein heftiger Ascheregen legt den Flugverkehr lahm. Experten rechnen damit, dass die Eruption noch Wochen oder Monate dauern kann.
LA PALMA Die größte von mehreren Lavawalzen kam am Wochenende wenige Meter vor der Dorfkirche San Pío im Zentrum des Ortes Todoque zum Stehen. Auf dem kilometerlangen Weg zum Tal war die Lava, die mit mehr als 1000 Grad aus dem Vulkan brodelt, immer weiter erkaltet und dadurch zunehmend dickflüssiger geworden. Statt in der Länge wächst diese Lavazunge nun in der Breite und Höhe: Die alles verschlingende Walze ist inzwischen bis zu 800 Meter breit und 15 Meter hoch geworden.
Es fließen mindestens zwei weitere Lavazungen den westlichen Abhang des Cumbre Vieja hinunter. Deshalb mussten am Wochenende weitere Siedlungen geräumt werden. Heftige Explosionen hatten in den vergangenen Tagen immer wieder die Fensterscheiben im kilometerweiten Umkreis des Vulkans erzittern lassen. Auf Luftbildern konnte man sehen, dass der Hauptkrater eingestürzt war und sich mehrere Nebenkrater geöffnet hatten.
Zu einem wachsenden Problem wird der heftige Ascheregen, der seit Tagen über der Insel niedergeht. Viele Autos, Straßen und Hausdächer sind mit einer zentimeterdicken Schicht bedeckt. Auch der Flughafen färbte sich schwarz. Auf den Straßen rund um den Cumbre Vieja sind Schneeräumfahrzeuge unterwegs, um die Ascheschicht beiseite zu schieben. Touristen wie Einheimische wurden aufgefordert, sich wegen möglicher Gesundheitsrisiken gegen die Asche mit Schutzbrillen
und Masken zu schützen.
Die Tausenden von Touristen, die sich auf der Insel befinden, wurden zu erhöhter Vorsicht aufgerufen: „Es ist nicht empfehlenswert, in der aktuellen Situation an den Strand oder ins Schwimmbad zu gehen“, informierten die Behörden. Der Vulkanausbruch hat die Zahl der Touristen auf der Insel steigen lassen. Viele Hotels sind ausgebucht.
Der Andrang von Touristen sorgt aber zunehmend für Unmut: Gerettete Inselbewohner und aus ganz Spanien angereiste Helfer, darunter Polizisten, Katastrophenschützer und Vulkanexperten, haben es zunehmend schwer, Unterkünfte zu finden. Schaulustige auf den Straßen behindern die Rettungskräfte. „Dieser Vulkan ist kein Spektakel, sondern eine Tragödie“, empören sich die Menschen auf der Insel. Auch ein Sprecher der Inselhoteliers übte Kritik: „Jetzt ist nicht der Augenblick für Tourismus auf der Insel, jetzt ist die Zeit zum Helfen.“
Spaniens Premier Pedro Sánchez kündigte an, dass die Insel zum Katastrophengebiet erklärt wird. Dies erleichtert die Bereitstellung von millionenschwerer staatlicher Hilfe. Die EU-Kommission kündigte ebenfalls Unterstützung an, um die Insel La Palma, einen der wichtigsten Bananenproduzenten Europas, wieder aufzubauen. Die Inselregierung richtete ein internationales Spendenkonto ein. Mit den eingehenden Geldern soll den Menschen geholfen werden, die durch die Lava-Katastrophe alles verloren haben.
Spanische Wissenschaftler weisen unterdessen apokalyptische Warnungen zurück, dass dieser Ausbruch einen verheerenden Tsunami provozieren könne, der nicht nur die Insel selbst überfluten könnte. Nach dieser durchs Internet geisternden Katastrophen-Theorie könnten heftige Eruptionen einen Teil des Vulkangebirges Cumbre Vieja ins Meer stürzen lassen. Ein auf diese Weise ausgelöster Tsunami könne angeblich sogar die östliche US-Küste erreichen. Spanische Vulkanforscher schließen dieses Szenario für diesen Ausbruch des Cumbre Vieja, der nach der wissenschaftlichen Skala als schwächere bis moderate Vulkanaktivität eingeordnet wird, jedoch aus. Ein Mega-Tsunami, so heißt es, sei im aktuellen Fall „wissenschaftlich unmöglich“. Allerdings könne die Eruption durchaus noch Wochen oder Monate dauern.