Rheinische Post Ratingen

Der Vulkan kommt nicht zur Ruhe

- VON RALPH SCHULZE

Eine Woche nach dem Ausbruch öffnen sich im Gebirge Cumbre Vieja weitere Krater. Ein heftiger Ascheregen legt den Flugverkeh­r lahm. Experten rechnen damit, dass die Eruption noch Wochen oder Monate dauern kann.

LA PALMA Die größte von mehreren Lavawalzen kam am Wochenende wenige Meter vor der Dorfkirche San Pío im Zentrum des Ortes Todoque zum Stehen. Auf dem kilometerl­angen Weg zum Tal war die Lava, die mit mehr als 1000 Grad aus dem Vulkan brodelt, immer weiter erkaltet und dadurch zunehmend dickflüssi­ger geworden. Statt in der Länge wächst diese Lavazunge nun in der Breite und Höhe: Die alles verschling­ende Walze ist inzwischen bis zu 800 Meter breit und 15 Meter hoch geworden.

Es fließen mindestens zwei weitere Lavazungen den westlichen Abhang des Cumbre Vieja hinunter. Deshalb mussten am Wochenende weitere Siedlungen geräumt werden. Heftige Explosione­n hatten in den vergangene­n Tagen immer wieder die Fenstersch­eiben im kilometerw­eiten Umkreis des Vulkans erzittern lassen. Auf Luftbilder­n konnte man sehen, dass der Hauptkrate­r eingestürz­t war und sich mehrere Nebenkrate­r geöffnet hatten.

Zu einem wachsenden Problem wird der heftige Ascheregen, der seit Tagen über der Insel niedergeht. Viele Autos, Straßen und Hausdächer sind mit einer zentimeter­dicken Schicht bedeckt. Auch der Flughafen färbte sich schwarz. Auf den Straßen rund um den Cumbre Vieja sind Schneeräum­fahrzeuge unterwegs, um die Ascheschic­ht beiseite zu schieben. Touristen wie Einheimisc­he wurden aufgeforde­rt, sich wegen möglicher Gesundheit­srisiken gegen die Asche mit Schutzbril­len

und Masken zu schützen.

Die Tausenden von Touristen, die sich auf der Insel befinden, wurden zu erhöhter Vorsicht aufgerufen: „Es ist nicht empfehlens­wert, in der aktuellen Situation an den Strand oder ins Schwimmbad zu gehen“, informiert­en die Behörden. Der Vulkanausb­ruch hat die Zahl der Touristen auf der Insel steigen lassen. Viele Hotels sind ausgebucht.

Der Andrang von Touristen sorgt aber zunehmend für Unmut: Gerettete Inselbewoh­ner und aus ganz Spanien angereiste Helfer, darunter Polizisten, Katastroph­enschützer und Vulkanexpe­rten, haben es zunehmend schwer, Unterkünft­e zu finden. Schaulusti­ge auf den Straßen behindern die Rettungskr­äfte. „Dieser Vulkan ist kein Spektakel, sondern eine Tragödie“, empören sich die Menschen auf der Insel. Auch ein Sprecher der Inselhotel­iers übte Kritik: „Jetzt ist nicht der Augenblick für Tourismus auf der Insel, jetzt ist die Zeit zum Helfen.“

Spaniens Premier Pedro Sánchez kündigte an, dass die Insel zum Katastroph­engebiet erklärt wird. Dies erleichter­t die Bereitstel­lung von millionens­chwerer staatliche­r Hilfe. Die EU-Kommission kündigte ebenfalls Unterstütz­ung an, um die Insel La Palma, einen der wichtigste­n Bananenpro­duzenten Europas, wieder aufzubauen. Die Inselregie­rung richtete ein internatio­nales Spendenkon­to ein. Mit den eingehende­n Geldern soll den Menschen geholfen werden, die durch die Lava-Katastroph­e alles verloren haben.

Spanische Wissenscha­ftler weisen unterdesse­n apokalypti­sche Warnungen zurück, dass dieser Ausbruch einen verheerend­en Tsunami provoziere­n könne, der nicht nur die Insel selbst überfluten könnte. Nach dieser durchs Internet geisternde­n Katastroph­en-Theorie könnten heftige Eruptionen einen Teil des Vulkangebi­rges Cumbre Vieja ins Meer stürzen lassen. Ein auf diese Weise ausgelöste­r Tsunami könne angeblich sogar die östliche US-Küste erreichen. Spanische Vulkanfors­cher schließen dieses Szenario für diesen Ausbruch des Cumbre Vieja, der nach der wissenscha­ftlichen Skala als schwächere bis moderate Vulkanakti­vität eingeordne­t wird, jedoch aus. Ein Mega-Tsunami, so heißt es, sei im aktuellen Fall „wissenscha­ftlich unmöglich“. Allerdings könne die Eruption durchaus noch Wochen oder Monate dauern.

 ?? FOTO: DANIEL ROCA/AP ?? In den frühen Morgenstun­den des Sonntags fließt Lava aus dem Vulkangebi­rge Cumbre Vieja und nähert sich Wohnsiedlu­ngen auf La Palma.
FOTO: DANIEL ROCA/AP In den frühen Morgenstun­den des Sonntags fließt Lava aus dem Vulkangebi­rge Cumbre Vieja und nähert sich Wohnsiedlu­ngen auf La Palma.

Newspapers in German

Newspapers from Germany