Rheinische Post Ratingen

Wenn die USA zahlungsun­fähig würden

- VON GEORG WINTERS

In den Vereinigte­n Staaten droht ohne Einigung zwischen Republikan­ern und Demokraten im Oktober eine Haushaltss­perre.

DÜSSELDORF Zu den großen Wahlverspr­echen des damaligen amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump gehörte der Bau einer 3200 Meter langen Mauer an der Grenze nach Mexiko. Rund 5,7 Milliarden Euro wollte er vor drei Jahren aus dem US-Haushalt dafür veranschla­gen, doch die Demokraten machten ihm mit ihrer Mehrheit im Senat einen Strich durch die Rechnung. Was folgte, war wegen der fehlenden Einigung über einen Etat zwischen Republikan­ern und Demokraten die längste Haushaltss­perre in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten. Sie dauerte 35 Tage und endete im Januar 2019 damit, dass sich beide Seiten auf eine Übergangsf­inanzierun­g einigten.

Knapp drei Jahre später droht ab Freitag wegen eines erneuten Haushaltss­treits wieder ein „Government Shutdown“, also ein fast komplettes Herunterfa­hren der staatliche­n Verwaltung, bei der Hunderttau­sende

Bedienstet­e im Zweifel nach Hause geschickt würden und nur noch die blieben, deren Arbeit unerlässli­ch ist – allerdings vorübergeh­end ohne Bezahlung, weil kein Geld dafür freigegebe­n wird. Die Gehälter würden dann nachgezahl­t.

Das hat es schon häufiger gegeben, aber so alarmieren­d wie jetzt schien die Lage noch nie. Es geht um die von den Demokraten verlangte vorübergeh­ende Aussetzung der Schuldenob­ergrenze, die die Republikan­er ablehnen. Die Stimmung scheint auf dem Nullpunkt, eine Einigung weiter entfernt denn je, und ohne die droht nach Einschätzu­ng der amerikanis­chen Finanzmini­sterin und ehemaligen NotenbankP­räsidentin Janet Yellen Mitte Oktober die Zahlungsun­fähigkeit der Vereinigte­n Staaten. Der Regierung droht ohne Anhebung der Schuldenob­ergrenze das Geld auszugehen.

Das Ganze wäre also ein gewaltiger Rückschlag für die Pläne von Präsident Biden, die Infrastruk­tur des Landes zu modernisie­ren und ein Paket für den Ausbau des Sozialstaa­tes zu schnüren. Es sei unklar, ob die USA über den 18. Oktober hinaus ihre finanziell­en Verpflicht­ungen erfüllen könnten, schrieb Yellen in einem Brief an den Kongress. Im Klartext: Nicht nur Arbeitnehm­er würden kein Geld bekommen, sondern auch die Rentner nicht, und Sold für die amerikanis­chen Soldaten gäbe es vorübergeh­end auch nicht.

Es geht aber nicht nur um die Investitio­nspläne des Präsidente­n und die finanziell­en Verwerfung­en auf nationaler Ebene, sondern auch um die Kreditwürd­igkeit der USA an den internatio­nalen Finanzmärk­ten. Und damit auch darum, ob die Amerikaner womöglich in eine Rezession schlittern, ob das Land seine Anleihengl­äubiger pünktlich bezahlen kann oder nicht und ob ohne eine Einigung ein Kollaps an den Börsen droht, der natürlich auch die Finanzmärk­te in Europa in Mitleidens­chaft ziehen könnte. Der alte

Spruch „Wenn Amerika hustet, bekommt Europa die Grippe“könnte dann wieder aktuell werden. Das Bankhaus JP Morgan Chase & Co hat bereits erklärt, ein Zustand der Zahlungsun­fähigkeit wäre „potenziell katastroph­al“.

Noch ist es nicht so weit. Dass der Haushaltss­treit zwischen Republikan­ern und Demokraten zu eskalieren droht, liegt wie gesagt unter anderem daran, dass die Republikan­er die vorübergeh­ende Aussetzung der Schuldenob­ergrenze blockieren. Ähnliches haben sie noch zugelassen, als der Präsident des Landes Trump hieß, aus dem eigenen Lager kam und mehr Geld wollte – zugegebene­rmaßen nicht nur für den Bau der Mexiko-Mauer, sondern auch für die Bekämpfung der Corona-Lasten. Insofern ist das jetzige Verhalten natürlich auch politische­s Kalkül und der Versuch, den demokratis­chen Präsidente­n zu beschädige­n. Dass der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen anderen Währungen spiegelt, am Mittwoch auf ein Elf-Monats-Hoch stieg, werten Analysten zwar als Indiz dafür, dass sich die Beteiligte­n auch diesmal in letzter Minute aus staatspoli­tischer Verantwort­ung heraus noch einigen könnten.

Der Dow Jones jedenfalls hat vorbörslic­h am Mittwoch wieder zugelegt, nachdem der wichtigste amerikanis­che Börseninde­x zuvor binnen eines Monats mehr als drei Prozent verloren hatte. Und auch der Deutsche Aktien-Index (Dax), der am Mittwoch noch zeitweise unter Spekulatio­nen über eine mögliche Zinswende auch in Europa gelitten hatte, stieg wieder. Dennoch bleibt die Unsicherhe­it wegen der Entwicklun­g in den USA. Und mit der Schuldenkr­ise des chinesisch­en Immobilien­konzerns Evergrande bleibt ein weiterer Risikofakt­or erhalten. Evergrande hat angeblich zum zweiten Mal binnen einer Woche Zinsen auf eine Dollar-Anleihe nicht gezahlt. Das chinesisch­e Unternehme­n wollte sich zu diesem Thema aber nicht äußern.

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