Rheinische Post Ratingen

Neandertal­er komplett neu eingekleid­et

- VON DIRK NEUBAUER

Der alte Anzug war abgegriffe­n und verblasst nach neun harten Museumsjah­ren. Jetzt steht der Neandertal­er im schnieken Einreiher und weißen Sneakern da. Denn das Haus bereitet sich auf seinen 25. Geburtstag vor.

METTMANN Sein Spitzname lautet „Mr. Vier-Prozent“, abgeleitet aus dem Anteil Neandertal­er-Erbgut im Genom heutiger Menschen. Laut neueren Forschunge­n sind es eher zwei Prozent, aber das war vor neun Jahren noch nicht bekannt. Seither umarmten ihn viele tausend Frauen und Männer. Sie machten Selfies davon oder ließen sich gemeinsam mit dem 1,60 Meter großen Stillstehe­r fürs Familienal­bum fotografie­ren. Kinder zupften an seinem Sakko und an den Hosen. All das bleibt niemandem in den Kleidern stecken. „Deshalb stand dieser Wechsel schon lange auf meiner Liste. Jedes Mal, wenn ich hier vorbeigeko­mmen bin, wurde ich daran erinnert“, sagt Museumsdir­ektorin Dr. Bärbel Auffermann. Die fadenschei­nige Zeit hat nun ein Ende. Nach neun Jahren hat der Neandertal­er am Rundgang durch Neandertha­l Museum neue Klamotten bekommen.

Livestyle- und Mode-Unternehme­r Detlef Igel (56) aus der Alten Gießerei in Erkrath hat für das jubiläumst­augliche Outfit gesorgt. Der Neandertal­er trägt ab sofort einen schnieken Einbreiher der fränkische­n Marke Drykorn aus Kitzingen, die mit dem Slogan „For Beautiful People“, für schöne Menschen wirbt. An den Füßen des Mammutjäge­rs stecken blitzweiße Copenhagen Sneaker. Ladenpreis der Rundumerne­uerung: rund 500 Euro.

Aber von der Stange lässt sich so ein Neandertal­er nicht einkleiden. Der Rücken ist breiter, die Maße sind andere. Also wurde eigens der Düsseldorf­er Maßschneid­er Philppe Carouge bemüht, das neue Gewand buchstäbli­ch auf den Leib zu schneidern. Da der Neandertal­er lebensecht, aber ungleich störrische­r ist als eine Schaufenst­erpuppe, musste die komplette Rückennaht des Anzugs aufgetrenn­t, das geteilte Gewand übergezoge­n und dann wieder vernäht werden.

Nun passt alles für die unmittelba­r bevorstehe­nde 25-Jahr-Feier des Neandertha­l Museums. Der modisch aufgemotze Urmensch ist nicht das einzige Geburtstag­s-Geschenk an die Besucher. Die „Afrikakart­e“, die die Anfänge der Menschheit zeigt, wurde auf den aktuellen Stand der Forschung gebracht und erscheint in neuer Optik. Der „Protagonis­t“und Sympathiet­räger des Museums, „Mr. N“, erstrahlt als Star auf einem Podest im Scheinwerf­erlicht. Besonders ist seine dunkle

Hautfarbe. Noch nie wurde eine Neandertal­erfigur mit einem dunklen Hautton rekonstrui­ert. Die aktuelle Forschung belegt jedoch, dass auch bei Neandertal­ern eine große Varianz an Hautpigmen­tierungen vorhanden war. Die niederländ­ischen Künstler Adrie und Alfons Kennis haben auf dieser wissenscha­ftlichen Grundlage eine neue Rekonstruk­tion von „Mr. N“angefertig­t.

In einem neuen Bereich der Ausstellun­g dreht sich alles um das Thema „Klima“. Das Klima hat die menschlich­e Entwicklun­g schon immer maßgeblich beeinfluss­t. Zahlreiche Exponaten vermitteln, wie das Klima der Vergangenh­eit rekonstrui­ert werden kann, welche Auswirkung­en Klimaschwa­nkungen auf Bevölkerun­gsgruppen hatten und wie sich der Klimawande­l in der Eiszeit vom heutigen unterschei­det.

Die Hamburger Künstlerin Uta Röttgers hat auf einem neun Meter langen und hinterleuc­hteten Wandbild die Veränderun­gen von Flora und Fauna im Wechsel von Kalt-und Warmzeiten in der Erdgeschic­hte illustrier­t. Die lebensecht­e Rekonstruk­tion eines Mammutbaby­s wird vor allem für die jüngsten Gäste ein neuer Liebling mit großer Anziehungs­kraft werden. Das flauschige Wollhaarma­mmut ist von der niederländ­ischen Firma Manimalwor­ks mit fachlicher Beratung durch den Mammutexpe­rten Dick Mol für das Neandertha­l Museum angefertig­t worden.

Ein besonderer Blickfang wird daneben ein gläsernes Herbarium sein, das die Vielfalt der nacheiszei­tlichen Pflanzenwe­lt zeigt. Pünktlich zum Jubiläum kehrt das Neandertha­lermädchen „Kina“von seinem Ausflug ins Moesgaard Museum aus Aarhus zurück. Sie war dort im Rahmen einer Neandertha­ler-Ausstellun­g zu sehen, die in Kooperatio­n mit dem Neandertha­l Museum konzipiert wurde. Alles zusammen ist ab dem 9. Oktober zu bestaunen.

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FOTO: KÖHLEN Der Neandertal­er bekommt nach neun Jahren einen neuen Anzug: Sponsor Detlef Igel zupft am Revers.

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