Wer wann mit wem worüber redet
Nach einem ersten gelb-grünen Selfie-Treffen nehmen die Sondierungen zur Regierungsbildung Fahrt auf. Am Wochenende wollen erstmals Union und SPD in unterschiedlichen Konstellationen mit FDP und Grünen Gemeinsamkeiten und Trennendes ausloten. So ist die Ausgangslage:
Was macht die SPD-Spitze? Ungewohnt für Wahlsieger Olaf Scholz war es, dass die kleineren Parteien Grüne und FDP zunächst Regie führten. Nervosität brach im Willy-Brandt-Haus deshalb nicht aus. Am Sonntagnachmittag wird sich das sechsköpfige SPD-Team um Scholz, die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer erstmals mit der FDP treffen.
Wie wollen FDP und SPD ihre Differenzen überbrücken? Die SPD-Riege wird prüfen, ob Scholz’ jüngste Charmeoffensive bei FDP-Chef Christian Lindner Eindruck hinterlassen hat. Bei einem SPD-Sommerfest Anfang der Woche umschmeichelte Scholz die Liberalen, verkündete das Ziel, mit Lindner eine achtjährige Ära zu prägen. Über Differenzen in der Steuerpolitik soll nicht im Detail gesprochen werden. Wichtig sei es, auf Augenhöhe Vertrauen herzustellen, heißt es in SPD-Kreisen. Der persönliche Draht zwischen Scholz und Lindner soll gut sein. Über die Jahre telefonierten die beiden öfters vertrauensvoll. Am Sonntagabend kommen SPD und Grüne zusammen. Wohlwollend hat die SPD Äußerungen der Grünen Annalena Baerbock und Katrin Göring-Eckardt registriert, die Richtung Ampel blinkten. Nach den Treffen an (noch) geheimen
Orten ist vonseiten der SPD keine Unterrichtung der Öffentlichkeit geplant.
Wie sieht es bei der Union aus? Mehr als kompliziert. Bei CDU und CSU setzt sich das Chaos munter fort. Am Samstag wollte man sich mit der FDP treffen, doch dann folgte die Absage. Nun wird es erst Sonntagabend, 18.30 Uhr, so weit sein. Mit den Grünen will man sich erst am Dienstag treffen. In der CSU herrscht Kopfschütteln über die Schwierigkeiten bei der Terminfindung: Es sei „zum Verrücktwerden“.
Was steckt dahinter? Aus der CDU heißt es, man habe die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit nicht tangieren wollen. Insider wissen, dass CDU-Chef Armin Laschet das Treffen mit den Liberalen noch vor deren Gespräch mit der SPD ansetzen wollte. Doch das soll ihm CSU-Chef Markus Söder verwehrt haben. In der CSU wird das so erklärt: Söder ist am Freitagabend wegen einer Feier zum 80. Geburtstag des CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber verhindert, am Samstag ist er mit CSU-Bezirksverbänden verabredet. Dabei stellt sich die Frage, warum das alles Vorrang gegenüber Sondierungen für eine künftige Bundesregierung hat. In der CSU versucht man den Eindruck zu verwischen, dass man gar nicht mehr an das Zustandekommen eines Jamaika-Bündnisses glaubt. „Wir haben noch eine realistische Aussicht auf Jamaika“, heißt es.
Wen nominieren CDU und CSU für die Gespräche? In der CDU dämpft man vorsorglich die Erwartungen. Es gehe zunächst „um ein erstes Beschnuppern, noch nicht um Details“. Ziemlich lange brauchen die Christdemokraten, um ihr Team überhaupt aufzustellen. Auch da hakt es gewaltig. In einer kurzfristig angesetzten Videoschalte des Präsidiums gibt es Stimmen, die den Zweck von Sondierungen grundsätzlich in Frage stellen.
Im zehnköpfigen Verhandlungsteam sind jetzt Kanzlerkandidat Laschet, Generalsekretär Paul Ziemiak, Fraktionschef Ralph Brinkhaus, die Ministerpräsidenten Volker Bouffier, Daniel Günther und Reiner Haseloff sowie die Parteivizes Thomas Strobl, Julia Klöckner, Silvia Breher und Jens Spahn. Aus CSU-Sicht sind das zu viele. Von der Schwester kommen Parteichef Markus Söder, Bundestagsanführer Alexander Dobrindt, Generalsekretär Markus Blume, Parteivize Dorothee Bär und Fraktionsmanager Stefan Müller. Die Frage, warum man von CSUSeite nur mit einer Frau antritt, bleibt vorerst unbeantwortet.
Wie stellen sich die Grünen auf? Die Grünen haben dieses Mal zwei Teams für die Sondierungen. Eine Top-Gruppe mit zehn Mitgliedern unter Leitung von Annalena Baerbock und Robert Habeck führt die direkten Gespräche. In diesem Team sind noch Katrin Göring-Eckardt, Sven Giegold, Britta Haßelmann, Anton Hofreiter, Michael Kellner, Winfried Kretschmann, Ricarda Lang und Claudia Roth. Dazu gibt es eine Kontaktgruppe mit 14 Mitgliedern, die als „Resonanzraum“die Hauptverhandler beraten soll. In dieser Kontaktgruppe sitzen Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Katharina Dröge, Katharina Fegebank, Anja Hajduk, Ska Keller, Maria Klein-Schmeink, Oliver Krischer, Steffi Lemke, Konstantin von Notz, Cem Özdemir, Jamila Schäfer, Jürgen Trittin und Marc Urbatsch.
Was erwartet der FDP-Nachwuchs? Die Jungen Liberalen fordern mehr Einfluss für die Juniorpartner einer künftigen Koalition. „Das Parteiensystem hat sich neu justiert“, sagt Juli-Chef Jens Teutrine unserer Redaktion. Es existierten nicht mehr zwei große und mehrere kleine, sondern vier mittelgroße Parteien: „In einer Dreierkoalition muss sich auch diese neue Stärke der ,Juniorpartner‘ manifestieren.“