Rheinische Post Ratingen

Wie Thomas Geisel seine Amtszeit sieht

- VON ARNE LIEB

DÜSSELDORF Thomas Geisel hat sein Buch „Grenzgänge­r“genannt, und er meint damit die Grenze zwischen Wirtschaft und Politik, die er als ehemaliger Energieman­ager im Oberbürger­meister-Amt überschrit­ten hat. Der SPD-Politiker hat sich immer als Wirtschaft­slenker gesehen, der an der Spitze einer Behörde gelandet ist. Günther Oettinger (CDU), früherer baden-württember­gischer Ministerpr­äsident, wünschte sich als Star-Gast bei der Buchpräsen­tation im Industriec­lub mehr Politiker dieses Schlags. Eine Stadt müsse schließlic­h nicht nur verwaltet werden, sondern brauche Projekte, sagte Oettinger. Zwei Düsseldorf­er Oberbürger­meister hätten das geschafft: „Joachim Erwin und Thomas Geisel haben das Gesicht von Düsseldorf geprägt.“

Das war sicher Musik in den Ohren des Autors. Auf 360 Seiten schildert Geisel seine Erinnerung­en an sechs Jahre OB-Amt. Oder besser: Er versucht – ganz Manager – eine Bilanz, wo er seine Agenda umsetzen konnte. Es gibt Kapitel zu Wohnungsba­u und Verkehr, zu Kultur und Krisen, zu Kitas und Stadtplanu­ng. Geisel erinnert sich an seine Aktivitäte­n, streut Anekdoten ein und äußert sich allgemein zum Thema. Wer auf Enthüllung­en gehofft hat, wird enttäuscht: Es geht dem

Autor hier zumindest über weite Teile ums Politische. Dazu kommen ein paar Gedanken über das Familienle­ben mit 100-Stunden-Woche – und eine Handvoll Stellen, an denen er persönlich wird, etwa, wenn er unvermitte­lt und ziemlich unnötig über die Kündigung von JetztWiede­r-Stadtsprec­herin Kerstin Jäckel plaudert – offenbar hat Geisel noch nicht mit allen Konflikten seiner Amtszeit abgeschlos­sen.

Wie das nun genau war mit dem Bäderkonze­pt oder dem Dürer-Kolleg, ist eher für Spezialist­en interessan­t, spannend wird es bei den großen Konflikten von der Tour de France bis zu den Umweltspur­en. Man muss nicht Geisels Meinung sein, seine teilweise bissige Darstellun­g ist trotzdem unterhalts­am. Geisel hat das Buch gleich nach seinem Ausscheide­n geschriebe­n. Dadurch fehlt manchmal Distanz, dafür sind die Themen noch gegenwärti­g.

Geisel erzählt seine Amtsjahre als Geschichte eines fleißigen Quereinste­igers, der sich eine Menge Gegenspiel­er gemacht hat – und sich von den Medien, den Bündnispar­tnern und auch der eigenen Partei oft unverstand­en gefühlt hat. Einige der größten Fallen hat er sich selbst gebaut, das würden nicht nur Kritiker unterschre­iben. Als es um die gescheiter­te Neuorganis­ation der Beteiligun­gsverwaltu­ng geht, räumt er ein, dieser Fehlschlag habe ihm

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