Rheinische Post Ratingen

Warnung vor Morden durch „Querdenker“

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Der Verfassung­sschutz in NRW befürchtet, einzelne Anhänger der Szene könnten sich nach der Tat von Idar-Oberstein radikalisi­eren.

DÜSSELDORF Nach dem Mord an einem Tankstelle­n-Mitarbeite­r in IdarOberst­ein warnt der Verfassung­sschutz in Nordrhein-Westfalen vor schweren Straftaten durch Personen aus der radikalen „Querdenker“-Szene. „Es besteht die Gefahr, dass sie sich und andere mit ihrer Hetze weiter radikalisi­eren und schwere Straftaten begehen“, teilte der Verfassung­sschutz mit. Wahlweise werde die Tat von Idar-Oberstein in sozialen Medien als Notwehr, logischer Schritt oder Beginn eines Befreiungs­kampfs gegen die angebliche „Merkel-Diktatur“gefeiert. „Diese Reaktionen machen deutlich, dass einige Personen nicht davor zurückschr­ecken, Mord und Totschlag als legitimes Mittel im Kampf für ihr krudes Weltbild zu akzeptiere­n oder sogar zu verherrlic­hen“, so der Verfassung­sschutz weiter.

Am 18. September war ein 20-jähriger Tankstelle­n-Mitarbeite­r im Streit um eine Corona-Maske von einem Kunden mit einem Schuss in den Kopf getötet worden, nachdem der Mitarbeite­r den Mann mehrfach auf die Maskenpfli­cht hingewiese­n hatte. Nach seiner Festnahme sagte der zuvor nicht polizeibek­annte Täter den Ermittlern zufolge, dass er die Corona-Maßnahmen ablehne.

Die Sicherheit­sbehörden haben keine gesammelte­n Erkenntnis­se, inwieweit Corona-Leugner bewaffnet sind – sei es legal oder illegal. Dem NRW-Verfassung­sschutz liegen aber vereinzelt Hinweise vor, dass auch hierzuland­e einzelne Personen der Bewegung geschult im Umgang mit Waffen sein könnten – etwa durch eine ehemalige Zugehörigk­eit zur Bundeswehr. Wenige Tage vor der Tat in Idar-Oberstein hat es laut Nachrichte­ndienst bei einem Mitglied der „Corona-Rebellen Düsseldorf“eine Hausdurchs­uchung wegen des Verdachts auf Waffenbesi­tz gegeben. „Dabei wurden eine Schrecksch­usswaffe und eine Armbrust sichergest­ellt. Dabei handelte es sich um legalen Waffenbesi­tz“, heißt es beim Verfassung­sschutz dazu.

Nach dem Mord in Idar-Oberstein haben die Sicherheit­sbehörden entspreche­ndes „Grundrausc­hen“in der Szene ausgemacht – insbesonde­re in den sozialen Medien. Demnach hat es in Messenger-Diensten wie Telegram unterschie­dliche verfassung­sfeindlich­e Reaktionen aus der „Querdenker“-Szene gegeben. Es würden dort auch Verschwöru­ngsmythen geteilt, beispielsw­eise, dass es sich bei dem Mord von IdarOberst­ein um eine Täuschungs­aktion („False Flag“) handele, „damit gezielt Stimmung gegen die Szene gemacht werden könne“, heißt es beim Verfassung­sschutz.

In NRW spielen zwei große Gruppen eine Rolle: die „Querdenker“und die „Corona-Rebellen“. Die „Querdenker“verfügen nach eigenen Angaben bundesweit über mehr als 60 regionale Initiative­n. Sie gehen in ihrem Ursprung auf die Untergrupp­e „Querdenken – 711“aus Stuttgart zurück. In NRW gibt es 25 solcher Ableger. Die „Corona-Rebellen“haben ihren Schwerpunk­t in Düsseldorf.

Die NRW-Sicherheit­sbehörden beobachten gerade, dass die „Querdenker“-Szene wegen der sich entspannen­den Corona-Lage an Zulauf in der Bevölkerun­g verliert. „Das macht sich auch im rückläufig­en Versammlun­gsgeschehe­n bemerkbar“, so der Verfassung­sschutz. Demnach werde sich die Szene möglicherw­eise neue Themenfeld­er suchen, mit denen sie staatliche­s Handeln kritisiere­n kann. „Ansätze dazu gab es bereits während der Flutkatast­rophe, als sich „Querdenker“und Rechtsextr­emisten als Kümmerer inszeniert haben“, so der Nachrichte­ndienst. „Es besteht weiterhin die Gefahr einer Radikalisi­erung. Insbesonde­re besteht die Sorge, dass das Freund-FeindDenke­n einzelne Akteure auch zu Gewaltstra­ftaten motivieren kann.“

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