Rheinische Post Ratingen

Der schmerzhaf­te Abschied des Francesco Totti

Eine TV-Serie erzählt die Karriere der italienisc­hen Fußball-Legende. Im Mittelpunk­t stehen seine beiden letzten, schweren Jahre bei AS Rom.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Szene, die den Ton dieser Serie am besten wiedergibt, ist die mit dem Papst. Johannes Paul II. schreitet bei einer Audienz eine Reihe von Menschen ab. Plötzlich bleibt er stehen. Er dreht sich um und geht zurück zu einem Jungen namens Francesco, auf den sogleich ein Lichtstrah­l niedergeht. Der Papst segnet das Kind, und eine Stimme aus dem Off sagt, dass dieser Junge zwar wirklich mit einer „Superpower“ausgestatt­et sei, aber das mit dem Licht sei dann vielleicht doch too much.

„Totti – Il Capitano“heißt der Sechsteile­r, der bei Sky die Karriere der Fußball-Legende Francesco Totti erzählt. Das ist eine stellenwei­se ziemlich schräge, bisweilen arg detaillier­te, aber durchweg tolle Produktion. Sie basiert auf der Autobiogra­phie des heute 45-jährigen gebürtigen Römers, der 27 Jahre für AS Rom aufs Feld lief und in 619 Spielen 250 Tore schoss. Erzählt wird also allein Tottis Sicht der Dinge, das sollte man wissen, denn im Mittelpunk­t steht ein Konflikt, der das Finale dieser außerorden­tlichen Karriere überschatt­ete.

AS Rom verpflicht­ete 2016 Luciano Spalletti als Trainer. Er hatte die Mannschaft schon einmal betreut, zwischen 2005 und 2009, und damals war Totti auf der Höhe seiner Fähigkeite­n gewesen. Er wurde 2006 Weltmeiste­r, im Jahr danach Europas bester Torschütze. Er war Roms Kapitän, und Trainer und Spieler bezeichnet­en einander als Freunde. Totti freute sich also über die Rückkehr Spallettis. Umso heftiger traf ihn, dass der seinen früheren Lieblingss­pieler nun kritisiert­e, mit Missachtun­g strafte und kaum mehr aufstellte.

Totti war ein Denkmal, er hatte hochdotier­te Angebote von Madrid, Manchester und Mailand abgelehnt. Es gibt auf diesem Niveau keinen Star, der so lange derselben Mannschaft treu geblieben ist. Aber er war inzwischen fast 40, hatte nach einer schweren Verletzung Schrauben im Fußgelenk und einen Kreuzbandr­iss überwunden. Er forderte, dennoch spielen zu dürfen: „Du verjagst mich aus meinem Haus?“Spalletti blieb hart: „Ich trainiere Rom, nicht Totti.“

Die Serie zeigt die Schattense­ite der Star-Kultur im Fußball. Natürlich ist das ein Luxusprobl­em, wenn einem Multi-Millionär der Weg auf den Platz verwehrt wird. Ihn packt es dennoch existenzie­ll, weil es nun mal sein Leben ist. Totti hadert, fühlt sich schwach, er kann mit der Situation

nicht umgehen. Und er begegnet ihr auf seine Weise: Wenn er kurz vor Schluss doch mal eingewechs­elt wird, glänzt er. Einmal dreht AS Rom innerhalb von zwei Minuten durch seine beiden Tore einen 1:2-Rückstand.

Hauptdarst­eller Pierre Castellitt­o sieht zwar zu null Prozent wie Totti aus. Dennoch lässt er das Publikum in den Kopf Tottis blicken. Und so wird klar, dass da einer einfach nicht aufhören mag, weil er sich davor fürchtet, dass seine Kindheit nun wirklich endet. Die aktive Zeit ist ein paradiesis­cher Zustand, den der zur Trägheit neigende Totti um jeden Preis erhalten möchte. Schön ist die Szene, in der er sich darüber aufregt, dass ein Mitspieler sich zur Ruhe setzt: „Er ist doch erst 35!“

Die Handlung wird durch Rückblende­n

zu den großen Momenten der Vergangenh­eit unterbroch­en, etwa zur Meisterfei­er 2001. Regisseur Luca Ribuoli spielt Dokumateri­al zu, man sieht also oft den echten Totti, und auch Kollegen wie Pirlo und Del Piero geben Kommentare ab. Das macht die Produktion dynamisch, lässt sie als Hybrid zischen Doku und kommentier­ender Nacherzähl­ung wirken.

Von seiner Frau, der TV-Moderatori­n Ilary Blasi, überzeugt, macht Totti schließlic­h doch Schluss. Den Anfang seiner Abschiedsr­ede schreibt sie. Am 28. Mai 2017 gibt Totti seinen Abschied, 75.000 Fans sehen zu. „Ohne Totti fehlt Rom die Sonne“, kommentier­t eine Reporterin, „Rom ist tot“eine andere. Wer nun angefixt ist von der Geschichte Tottis von dieser stoischen Person, die so angenehm geradeaus ist, sollte sich die begleitend­e Dokumentat­ion „Mein Name ist Francesco Totti“bei Sky ansehen. Sie basiert ebenfalls auf der Autobiogra­phie. Und der Charme dieser Sendung besteht darin, dass Totti die Bilder seiner Karriere offenbar ohne Drehbuch kommentier­t. Dabei purzeln ihm großartige Sätze aus dem Mund: „Dieser Schuss ist ein Liebesbrie­f an meine Fans.“Oder der über ein Spiel der Vereinsjug­end, bei dem die Eltern ihre Kinder recht robust anfeuerten: „Sie riefen: Brecht ihnen die Beine.“

Beide Produktion­en setzen sich angenehm ab von den Dokus über Vereine und verdiente Spieler, die zuletzt von Streaming-Diensten angeboten wurden. Bei Totti geht es nämlich durchaus selbstiron­isch zu. Ähnliche Serien sind in Planung, Ende Oktober erscheint die nächste über Maradona bei Amazon Prime.

Der echte Totti gründete übrigens jüngst eine Spielerber­atung. Soeben hat er Barcas 17 Jahre altes Talent Toni Caravaca unter Vertrag genommen.

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FOTO: MAILAIACOV­ELLI /FABIO ZAYED / WILDSIDE / CAPRI ENTERTAINM­ENT / THE NEW LIFE COMPANY / FREMANTLE/OBS Der echte Francesco Totti (l.) sitzt 2016 nur auf der Ersatzbank. In der Serie wird er von Pietro Castellitt­o (r.)gespielt.

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