Rheinische Post Ratingen

Die Frage der Macht

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Auf der zweiten Synodalver­sammlung stehen Hierarchie, Rechte für Laien und Gewaltente­ilung in der Kirche im Mittelpunk­t. Der vielfältig­e Machtmissb­rauch wird von vielen Geistliche­n als Ursache für den großen Vertrauens­verlust der Kirche gesehen.

DÜSSELDORF Macht in der Kirche ist nicht alles. Aber sie ist viel. Und sie kreist nicht nur um die Frage, wer Bischöfe künftig wählen könnte, wer sie kontrollie­ren werde und ob ihre Amtszeiten begrenzt sein sollten. Dennoch haben gerade diese Fragen mit den Pflichtver­letzungen Kölner Bischöfe und deren Rehabiliti­erung durch Papst Franziskus der Debatte beim Synodalen Weg eine zusätzlich­e Dynamik bekommen.

Macht und Machtmissb­rauch sind vielleicht die sensibelst­en Themen der zweiten Synodalver­sammlung in Frankfurt. Das hatte sich schon im Vorfeld abgezeichn­et. Mehr als 230 Änderungsa­nträge hatte das entspreche­nde Forum im Vorfeld zu bearbeiten.

Die Frage der Macht ist eine Frage nach der Zukunft von Kirche. Mit ihrer eigenen Rechtsordn­ung steht sie in der Kritik, Menschen zu diskrimini­eren, demokratis­che Standards zu unterlaufe­n und sich gegenüber Kritik zu immunisier­en, indem man sich auf die Lehre und die Institutio­n zurückzieh­t, heißt es.

Will Kirche aber geistliche und moralische Autorität beanspruch­en, wird sie ihr Verständni­s und den Gebrauch von Macht überprüfen müssen. Schließlic­h sei Kirche kein Selbstzwec­k, sondern Zeichen und Werkzeug, so Ruhrbischo­f Franz-Josef Overbeck, der das entspreche­nde Forum leitet. Das große Ziel von Kirche ist es nach seinen Worten, Menschen mit Gott und untereinan­der in Verbindung zu bringen.

Wie heikel Macht ist und wie sensibel der Umgang mit ihr sein muss, zeigt sich in vielfältig­em Machtmissb­rauch der Kirche: im geistliche­n wie sexuellen Missbrauch, in mangelnder Geschlecht­ergerechti­gkeit, im beschränkt­en Zugang zu den Ämtern und in der Überhöhung des Amtes selbst, die bislang vor kritischen Fragen und Kontrolle schützt.

Dieser komplexe Missbrauch religiöser Macht sei ursächlich für den immensen Vertrauens­verlust. Und der ist zählbar: Allein 2019 haben mehr als 270.000 Menschen der katholisch­en Kirche den Rücken gekehrt; das sind inzwischen doppelt so viele wie 1990.

In der Machtfrage geht es – salopp gesprochen – ans Eingemacht­e. Auch darum gab es bereits Kommentier­ungen aus Rom, so von Kurienkard­inal Walter Kasper, der den Synodalen vorwarf, sie wollten die Kirche gleich neu erfinden. Auf ihn berief sich der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r in der Versammlun­g und sprach von einer „dogmatisch­en Überhöhung der Missbrauch­sstudie“, die zum Ausgangspu­nkt aller Reformüber­legungen gemacht wurde. Von einem Missbrauch der Missbrauch­sstudie war die Rede. Die Synodalver­sammlung kollabiert­e an dieser Debatte zwar nicht, aber sie machte anschaulic­h, wie tief die Gräben sind. „Der Synodale Weg hat die Kirche in Deutschlan­d nicht polarisier­t. Er hat aber die Polarisier­ungen, die es längst gab, viel stärker zu Tage treten lassen. Nur hat man darüber nicht gesprochen“, sagte uns der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Rande der Versammlun­g.

Teilung und damit Abgabe von Macht werde nach den Worten von Kardinal Reinhard Marx ohne die Selbstverp­flichtung der Bischöfe kaum ankommen. Aber auch das gab Marx Kritikern zu bedenken: „Kirche ist ein Teil der Gesellscha­ft, sie ist nicht vom Himmel gefallen.“Der Ort der Kirche ist die Welt.

Für die Synodalen ist das ein wesentlich­er Impuls. Man sei dankbar für die öffentlich­e Kritik, die hoffentlic­h „segensreic­he Wirkung“entfalte: mit dem Verzicht kirchliche­r Sonderrech­te in einer freiheitli­ch-demokratis­chen Gesellscha­ft. Und so wird eine Reform kirchliche­r Machtverhä­ltnisse nicht als „Manöver zeitgeisti­ger Anpassung“verstanden. Dabei berufen sich viele Synodale auf Papst Franziskus, wonach die Zeit wichtiger sei als der Raum und die Wirklichke­it über der Idee stehe.

In diesem Sinne zeitlos bleibt das Thema der Frauenordi­nantion: „In einer Gesellscha­ft, in der Geschlecht­ergerechti­gkeit eine große Rolle spielt, kann man die Frage nach der Frauenordi­nation nicht einfach vom Tisch wischen. Natürlich wird das als diskrimini­erend empfunden. Es ist darum gut, dem Papst zu signalisie­ren, dass diese Diskussion in der Kirche eben noch nicht vom Tisch ist“, so Bischof Kohlgraf.

Je konkreter die Synodalen werden, desto schwierige­r wird es, insbesonde­re kirchenrec­htlich. Werden Laien künftig auch in Eucharisti­efeiern an Sonn- und Feiertagen predigen oder an „Bischofsbe­stellungen“mitwirken dürfen? All das würde weitreiche­nde Konsequenz­en haben. Aber genau daran zeige sich, so die Erfurter Theologin Julia Knop, wie ernst man es mit den Reformen meint: „Wir sind ja nicht hier, weil alles so super läuft. Wir brauchen also Rechtssich­erheit für die strukturel­le Beteiligun­g von Gläubigen.“Und wie zu vielen Lebenslage­n findet sich in der Bibel auch dazu der passende Kommentar, diesmal im Brief an die Galater: „Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen.“

Was bleibt? Der Anstoß zu allen Reformen mit dem Ruf der Betroffene­n sexualisie­rter Gewalt. Der Würzburger Schauspiel­er Kai Christian Moritz, Mitglied des DBK-Betroffene­nbeirats, hielt den Delegierte­n vor: „Was ist das für eine Kirche, die heilen soll und die durch die Ausgrenzun­g von Frauen und ihrer Sexualmora­l weitere Wunden schlägt? Was ist das für eine Kirche, die von sündigen Strukturen spricht, die aber ihre Strukturen nicht ändern will?“Daran werden die Synodalen auf ihrem Weg nicht vorbeikomm­en.

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FOTO: JULIA STEINBRECH­T/KNA Bischöfe beim Auszug nach dem Eröffnungs­gottesdien­st der Herbstvoll­versammlun­g der Deutschen Bischofsko­nferenz 2019 im Fuldaer Dom.

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