Keine Angst vor dem Corona-Herbst
Harte Zeiten liegen hinter Ärztinnen, Lehrerinnen, Unternehmerinnen. Dennoch blicken sie optimistisch auf die kalten Monate.
DÜSSELDORF Man müsse mit dem Coronavirus leben, heißt es. Nach den langen Lockdowns haben sich tatsächlich etwas Normalität, Ruhe und vermeintliche Planungssicherheit eingestellt. Gibt es sie dennoch, eine Angst vor dem zweiten CoronaHerbst? Wir haben nachgefragt bei denen, die ganz direkt von der Pandemie betroffen sind.
Noemi Freise (34), behandelt als Infektiologin Covid-Patienten am Universitätsklinikum Düsseldorf.
„Ich hoffe, dass dieser Winter nicht so wird wie der letzte. Wir sind echt erschöpft – das hängt uns noch immer hinterher. Zu Beginn der Pandemie hatte ich Angst, dass die Situation bei uns in der Klinik so wird wie zum Beispiel in Italien oder Spanien, wo die Menschen auf den Gängen liegen mussten. Ganz so schlimm kam es nicht, doch wir konnten die Covid-Patienten kaum unterbringen, und andere mussten leiden, weil Eingriffe verschoben wurden. Hinzu kam ein Gefühl der Hilflosigkeit. Wir konnten anfangs nichts machen. Corona ist eine Krankheit, die bei sehr schweren Verläufen die Organe zerstören kann – die schwer erkrankten Menschen sind anfangs einfach alle gestorben. Mittlerweile haben wir Medikamente und Antikörper, mit denen wir auch solche Patienten meistens gut behandeln können. Die Hilflosigkeit ist weg, ein wenig Sorge bleibt aber. Die Zahlen sind jetzt deutlich höher als zu dieser Zeit im vergangenen Jahr. Andererseits sehen wir, dass die Impfungen wirken. Diese Leute haben in der Regel keine schweren Krankheitsverläufe mehr. Jetzt müssen wir fast nur noch Ungeimpfte behandeln, von denen einige Reiserückkehrer sind. Ich hoffe, dass sich viele in den nächsten Wochen noch für eine Impfung entscheiden, damit wir gut durch die kommenden Monate kommen. Ich blicke vorsichtig optimistisch auf den Herbst, aber auch, weil ich unbedingt optimistisch sein will. Alles andere bringt ja nichts.“
Nicola Schröder (53) ist KosmetikUnternehmerin
„In diesem Punkt bin ich sehr zuversichtlich: Ich gehe nicht davon aus, dass es wieder einen Lockdown geben wird. Das ist schon einmal erfreulich. Insofern hält sich meine Angst vor dem ’Corona-Herbst’ in Grenzen. Es gibt aber ein ganz anderes Problem, das mich beschäftigt und auch sehr traurig stimmt: Ich stelle eine große Verunsicherung fest, die mir Sorge bereitet. Und diese Unsicherheit betrifft vor allem die Kunden. Der Neuanfang nach den Lockdowns war für mich sehr schwierig. Ich habe wirklich keine Anstrengung und Mühe gescheut, mich wieder stark aufzustellen, die Leute zu erreichen, für positive Stimmung zu sorgen. Was wir anbieten als Kosmetiker, das ist wichtig, denn es hat viel mit Prävention und der Fürsorge für den eigenen Körper, die eigene Haut zu tun. Doch ich stelle fest, dass die Kunden durch die Lockdowns zurückhaltender wurden. Ich muss sehr viel dafür tun, dass selbst sehr treue Kunden zu mir zurückkehren. Das macht mir ein wenig Sorge. Der Markt ist doch sehr eingebrochen. Jeder überlegt sich offenbar sehr genau, wo er jetzt sein Geld lassen will. Das ist zumindest das, was ich aktuell beobachten kann. Wenn man sparen will, dann spart man an Stellen, die nicht lebensnotwendig sind. Und dazu gehört wohl dann auch der Gang zur Kosmetikerin. Zumindest muss ich das so interpretieren.
Auch wenn ich weiß, dass die Zeiten für alle hart waren: Das bekümmert mich wirklich sehr.
Geraldine Baßeng (29) unterrichtet Kunst, Erdkunde, Politik und Sozialwissenschaften an der Flora-Realschule.
„Wir arbeiten weiter mit den digitalen Plattformen, die wir im Distanzunterricht etabliert haben, und stellen dort zum Beispiel Hausaufgaben. Auf einen neuen Lockdown wären wir also gut vorbereitet. Auch sonst mache ich mir keine großen Sorgen vor dem Herbst und steigenden Corona-Zahlen. Hier gibt es ein gutes Hygienekonzept, und auch bei den Schülerinnen und Schülern steigt die Impfquote. Das gibt zusätzlich Sicherheit. Drei Mal pro Woche werden außerdem alle Schüler getestet, dazu gelten weiter die Maskenpflicht im Unterricht sowie die Abstands- und Hygieneregeln – und wir sind angehalten, die Fenster
offen zu lassen oder alle 20 Minuten zu lüften. Ich bin selbst auch geimpft und habe keine Angst, mich in der Schule anzustecken. Allerdings würde ich mir von der Politik mehr Unterstützung für die Schulen wünschen. Über die Luftfilter wird seit Monaten gesprochen, eingebaut sind sie aber immer noch nicht. Gerade mit Blick auf die kommenden kalten Tage wäre das aber wichtig, bei Minustemperaturen könnte dauerndes Lüften unangenehm werden. Vor den Schülern ziehe ich wirklich meinen Hut, die machen das sehr gut und das, obwohl viele von ihnen in einer ohnehin nicht einfachen Lebensphase sind. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass wir uns – wenn auch sehr langsam – in Richtung Normalität bewegen. Deshalb blicke ich positiv in den Herbst und in das Schuljahr. Dennoch gibt es weiter große Fragezeichen und Vorbehalte. Ich bin Klassenlehrerin einer 9 und plane gerade die Abschlussfahrt im kommenden Jahr – aber natürlich mit CoronaVersicherung.“
Marlene Vöge (83) und Edith Lehnen (76) leben im Caritas-Altenzentrum Herz-Jesu in Flingern.
„Wir versuchen, uns nicht verrückt machen zu lassen und uns selbst nicht verrückt zu machen. Aber eine Perspektive für ein Enddatum wäre schön. Wir wissen alle, wie wichtig die Maskenpflicht und das Abstandhalten sind, aber so langsam werden wir ungeduldig. Dabei ist schon wieder viel Normalität ins Haus eingekehrt. Wir konnten schon ganz früh letztes Jahr wieder Besuch bekommen, aber dann im Garten oder am Fenster. Bald feiern wir sogar wieder Oktoberfest, und ich freue mich schon auf die gemütliche Stimmung in der Adventszeit“, sagt Edith Lehnen. „Ich bin auch froh, dass ich mich nicht mehr jedes Mal testen lassen muss, wenn ich das Haus betrete. Drinnen müssen wir als Bewohnerinnen auch keine Masken mehr tragen, einige tun es aber noch freiwillig. Große Sorgen machen wir uns aber nicht – die meisten Bewohner und Mitarbeiter sind geimpft, und wir halten uns alle an die Regeln. Die Besucher müssen geimpft, genesen oder getestet sein, so besteht keine Gefahr. Ganz im Gegenteil: Ich bin kurz vor der Pandemie ins Altenheim gezogen, und ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben. Zuhause wäre ich in der CoronaZeit sehr einsam gewesen, hier hatte ich Gesellschaft. Darum sind wir wirklich optimistisch“, sagt Marlene Vöge. „Und Corona hatte ja auch was Gutes – wir haben viel gelernt, was Hygiene- und Abstandsregeln angeht. Und diese ewige Küsserei! Die vermisse ich nicht“, sagt Edith Lehnen. „Umarmt zu werden, tut aber schon gut“, sagt Marlene Vöge.
Monika Schmitter (56) ist Friseurmeisterin und Obermeisterin in der Friseurinnung.
„Nein, ich habe keine Angst. Angst ist wohl der schlechteste Ratgeber, den man als Unternehmer haben kann. Wir werden sehen, welche Entscheidungen die Politik trifft, und uns dann darauf einstellen. Nach den Lockdowns hatten wir alle so viel Arbeit. Die Kunden wollten endlich wieder bedient werden. Außerdem mussten immer wieder Anpassungen an die geltende Corona schutzverordnung gemacht werden. Menschen im Friseurhandwerk sind sehr kommunikativ. Mitarbeitern, die zum Beispiel alleine leben, ist ganz sicher im Lockdown die Decke auf den Kopf gefallen. Außerdem fehlte sicher der eine oder andere Euro durch das Kurzarbeitergeld und die fehlenden Trinkgelder. Trotzdem gab es auch die Angst vor Ansteckung. Wir haben die Corona-Verordnung gut eingehalten und noch andere Maßnahmen ergriffen, um das Ansteckungsrisiko zu senken. So hatte jeder sein eigenes ‚Kellner’-Portemonnaie mit Wechselgeld. Außerdem gab es für jeden ein EC- Zahlgerät, das mit dem eigenen Handy und einer App betrieben wird. Bei mir im Betrieb machen alle Mitarbeiter toll mit. Wir sind alle durchgeimpft. Alle sind sehr engagiert und arbeiten super mit. Als Dankeschön habe ich Ihnen aktuell zum zweiten Mal einen Bonus ausgezahlt. Bei uns sind etwa 80 Prozent der Kunden auch schon geimpft. Einige wenige Kunden haben allerdings immer noch nichts von der 3G-Regel gehört. Der eine oder andere Kunde versucht, die Regeln zu umgehen und hat dabei sehr kreative Ideen und diskutiert mit vielfältigen ‚Argumenten’. Das macht unsere Arbeit anstrengender, als es notwendig wäre.“