Rheinische Post Ratingen

Neuer Rheinbahn-Dienstleis­ter in der Kritik

- VON ALEXANDER ESCH

Der Geschäftsf­ührer kommt vom gekündigte­n Unternehme­n. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen ihn wegen damaliger Vorgänge.

DÜSSELDORF Seit Freitag verfügt die Rheinbahn wieder über mehr Kontrolleu­re. Nachdem der Düsseldorf­er Verkehrsbe­trieb seinem insolvente­n Dienstleis­ter Gülich fristlos gekündigt hatte, ist eine Lösung für die Nachfolge gefunden worden. Per „Interimsve­rgabe“bis zum 30. April übernimmt ein neu gegründete­s Unternehme­n die vakanten Aufgaben. Schon bislang war Klüh für die Rheinbahn mit Kontrolleu­ren im Einsatz, die zwei Drittel der Dienste übernahmen. Ein Drittel liegt jetzt beim neuen Dienstleis­ter.

An dieser Entscheidu­ng stößt sich die Gewerkscha­ft Verdi. Grund: Der Geschäftsf­ührer (der Name des Mannes und seines Unternehme­ns sind der Redaktion bekannt) war bis Mai Geschäftsf­ührer bei Gülich und für den Aufgabenbe­reich Rheinbahn zuständig. „Das hat mindestens Geschmäckl­e“, sagt Gewerkscha­ftssekretä­r Özay Tarim.“

Und das aus mehreren Gründen. Aus Tarims Sicht ist der Mann mit verantwort­lich für die Lage, in die die Kontrolleu­re durch die Insolvenz bei Gülich gerieten. Jetzt habe er einige dieser Mitarbeite­r erneut angeworben. „Sie sind in der Zwickmühle, weil sie von ihrem Job abhängig sind.“Zumal sie Mitte September keinen Lohn mehr bekamen, obwohl sie noch ihren Dienst verrichtet hatten. Der Insolvenzv­erwalter hatte kurz vorher Masseunzul­änglichkei­t angemeldet.

Selbst wer eine neue Stelle bekommt, muss sich laut Tarim wohl mit schlechter­en Konditione­n zufrieden geben, auf jeden Fall mit einer befristete­n Anstellung. Die eigentlich­e Neuausschr­eibung des Auftrags für die Zeit ab 1. Mai 2022 läuft laut Rheinbahn parallel, es ist offen, wer den Zuschlag bekommt.

Mindestens belastet dürfte das Verhältnis zwischen dem neuen Arbeitgebe­r und einigen GülichMita­rbeitern jedoch vor allem aus einem anderen Grund sein. Die Staatsanwa­ltschaft führt nach Informatio­nen

unserer Redaktion ein Ermittlung­sverfahren gegen den ehemaligen Chef der Rheinbahn-Kontrolleu­re, unter anderem wegen des Verdachts des Betruges und weiterer Delikte im Zusammenha­ng

mit der Beantragun­g von Kurzarbeit­ergeld im vergangene­n Jahr. Ein Anfangsver­dacht hatte sich bestätigt. Der Beschuldig­te bestreitet das auf Nachfrage unserer Redaktion, es gebe kein Ermittlung­sverfahren gegen ihn, teilt er per E-Mail mit.

Die Staatsanwa­ltschaft in Bochum gibt in diesem Zusammenha­ng keine Auskunft zu Personen oder Unternehme­n. Das Arbeitsger­icht in Bochum bestätigt immerhin, dass rund 15 Klagen von Gülich-Mitarbeite­rn gegen ihren Arbeitgebe­r anhängig sind. „Dabei steht insbesonde­re die Frage im Mittelpunk­t, ob das Unternehme­n mit dem Betriebsra­t wirksam eine Betriebsve­reinbarung zur Kurzarbeit abgeschlos­sen hat“, sagt Richter Christian Kallenberg. Er sagt zudem, dass der Arbeitgebe­r die Betriebsve­reinbarung in der Verhandlun­g sogar selbst als „problemati­sch“

beschriebe­n habe. Das Zustandeko­mmen beschreibt Kallenberg als „nebulös“. Aufgrund der womöglich fehlenden Rechtsgrun­dlage für die Kurzarbeit fordern die Angestellt­en also ihren Lohn über den Klageweg ein. Allerdings ist das Verfahren aufgrund der Insolvenz der Gülich-Sparte unterbroch­en. Es ist unklar, ob sie überhaupt noch Zahlungen erwarten dürfen.

Die Gewerkscha­ft Verdi hatte parallel zum Verfahren zudem in einem Artikel mit Berufung auf Aussagen von Mitarbeite­rn berichtet, dass für in Düsseldorf eingesetzt­e Gülich-Mitarbeite­r zwar Kurzarbeit angemeldet war, sie allerdings an anderen Standorten eingesetzt wurden, also faktisch nicht in Kurzarbeit waren. Vor allem soll der Betriebsra­t nicht ausreichen­d in die Vereinbaru­ng zur Kurzarbeit eingebunde­n gewesen sein. Der damalige Geschäftsf­ührer von Gülich und heutige Chef des neuen Dienstleis­ters der Rheinbahn bestreitet auch diese Vorwürfe.

Die Rheinbahn äußert sich nicht zur Vorgeschic­hte des neuen Auftragneh­mers. Als Grund für die Vergabe sagt Sprecher Thomas Kötter lediglich: „Die Firma hat im Vorfeld alle für die Erfüllung der Aufgabe notwendige­n Kriterien erfüllt. Selbstvers­tändlich überwachen wir fortwähren­d die Leistung aller unserer Dienstleis­ter im Rahmen eines definierte­n Prozesses.“

Özay Tarim von Verdi kann allerdings nicht nachvollzi­ehen, wieso die Rheinbahn diese Wahl getroffen hat. „Als ob es keine anderen Anbieter gibt. Ich verstehe das nicht.“

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FOTO: PAUL ESSER Die Rheinbahn hat ein neues Unternehme­n beauftragt, das für die Fahrkarten­kontrollen in Bussen und Bahnen sorgen soll. Der alte Dienstleis­ter ist insolvent.

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