Rheinische Post Ratingen

Wieder auf der Jagd

- VON THOMAS JUSCHUS

Nach einem verkorkste­n Jahr will Roger Kluge bei der Bahnrad-EM für einen versöhnlic­hen Saisonabsc­hluss sorgen.

GRENCHEN Seine Tour de France endete auf dem harten Asphalt einer französisc­hen Bundesstra­ße und auch bei den Olympische­n Spielen in Tokio stand er wieder mit zerfetztem Trikot da. Nach einem Jahr der geplatzten Träume hofft Routinier Roger Kluge bei den am Dienstag beginnende­n Bahnrad-Europameis­terschafte­n im Schweizer Grenchen auf einen versöhnlic­hen Saisonabsc­hluss und ausbleiben­de Schmerzen. Ein wenig Frustbewäl­tigung – zumindest aus sportliche­r Sicht – wäre auch bei Emma Hinze angesagt. Die Dreifach-Weltmeiste­rin lässt aber nach den wenig berauschen­den Tokio-Spielen, bei denen sie den erhofften Olympia-Sieg verpasste, die erste Standortbe­stimmung noch aus und steigt erst bei der WM zwei Wochen später wieder ein.

Für Kluge ist die EM der letzte Höhepunkt des Jahres, und da will er im Zweier-Mannschaft­sfahren mit Partner Theo Reinhardt noch einmal jubeln. „Wir hatten zwar schon zweimal das Regenbogen-Trikot, waren aber noch nie zusammen Europameis­ter“, sagte Kluge, der mit Reinhardt 2018 und 2019 den WMTitel und 2020 immerhin Bronze geholt hatte.

In Japan wollten Kluge/Reinhardt ebenfalls nach Gold greifen. Doch schon sein heftiger Sturz bei der Tour de France mit schweren Schnittwun­den und Verbrennun­gen am Rücken ein paar Wochen vor dem Start auf der Bahn in Japan war keine gute Vorbereitu­ng. Und dann ging der 35-Jährige auch auf der Bahn in Izu zu Boden. So blieb am Ende nur Platz zwölf statt der erhofften Medaille, im Mehrkampf

Omnium reichte es dann nur zu Rang neun.

„Ich habe keine Beschwerde­n mehr, aber immer noch schwarze Streifen im Rücken – wie Tätowierun­gen“, berichtet Kluge vor der Bahnrad-EM. Ganz abgehakt ist der Sturz, der doch mehr Einfluss gehabt hat, also noch nicht. „So etwas darf im Vorfeld von Olympia einfach nicht passieren“, sagt Kluge mit etwas Abstand. Dass er bei den Sommerspie­len auch noch im letzten Lauf des Vierers in der Mannschaft­sverfolgun­g

Roger Kluge deutscher Radfahrer

eingesprun­gen war, sei ein Fehler gewesen. „Ich konnte einfach noch nicht drei Tage auf TopNiveau fahren. Heute würde ich mehr an mich denken“, erklärt der gebürtige Eisenhütte­nstädter, der in Grenchen nur für das Madison-Finale am Schlusstag anreisen wird.

Eine zweite Olympia-Medaille nach Silber 2008 in Peking im Punktefahr­en hat Kluge trotz der Enttäuschu­ng von Tokio noch nicht abgeschrie­ben. Bis zu den Spielen 2024 in Paris sind es nur noch drei Jahre – und die traut sich der dann 38-Jährige noch zu. „Da greife ich definitiv nochmals an. Fünf Olympische Spiele haben nicht viele Bahnfahrer – schon gar nicht aus Deutschlan­d. Und eine Medaille würde ich definitiv nehmen. Das würde zum dann näherrücke­nden Karriereen­de den Kreis schön schließen“, betont Kluge, der sich mit Edelmetall in Grenchen für den Weg dahin einen kleinen Motivation­skick verschaffe­n könnte.

Zwei prominente deutsche Fahrerinne­n fehlen in Grenchen hingegen. Emma Hinze, 2020 in Berlin Weltmeiste­rin im Sprint, Keirin und Teamsprint, lässt die EM aus. Nachdem die 24-Jährige die Heimreise aus Tokio lediglich mit Silber im Teamsprint antreten konnte, gönnte sich die Cottbuseri­n im Klub der Besten der Deutschen Sporthilfe in Spanien ein paar sonnige Tage und konzentrie­rt sich nun auf die WM in zwei Wochen.

Die Erfurterin Lisa Klein, Olympiasie­gerin in der Mannschaft­sverfolgun­g und Mitte September auch noch Weltmeiste­rin auf der Straße mit der Mixed-Staffel, musste sich nach einem Sturz mit dem Mountainbi­ke an der Schulter operieren lassen und ihre Saison vorzeitig beenden. Der Erfolgs-Vierer von Tokio ist damit gesprengt. Chancen auf Edelmetall wird es dennoch geben. Im Vierer der Männer wird indes ein Verjüngung­sprozess eingeleite­t. Trainer Tim Zühlke setzt auf die Fahrer aus dem Vierer, der bei der Junioren-WM 2019 in Frankfurt/Oder mit Weltrekord die Goldmedail­le gewann.

„Ich habe keine Beschwerde­n mehr, aber immer noch schwarze Streifen im Rücken – wie Tätowierun­gen.“

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA ?? Vom Sturz-Pech gebeutelt: Roger Kluge verpasste bei den Olympische­n Spielen eine Medaille.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Vom Sturz-Pech gebeutelt: Roger Kluge verpasste bei den Olympische­n Spielen eine Medaille.

Newspapers in German

Newspapers from Germany