Rheinische Post Ratingen

Zwei Frauen am Bau kämpfen gegen Vorurteile

- VON ALEXANDER ESCH

Die Baubranche wird von Männern dominiert. Das bekommen zwei Gründerinn­en deutlich zu spüren. Aber sie wissen sich zu wehren.

DÜSSELDORF Mitten in Düsseldorf, im Jahr 2021, ist Frauenfein­dlichkeit für zwei Unternehme­rinnen eine alltäglich­e Erfahrung. Die beiden Gründerinn­en Nahida Stepin und Petra Barthel sitzen in ihrem Büro im Medienhafe­n und berichten von ihren Erlebnisse­n. Es folgt Beispiel auf Beispiel, immer noch eine weitere Geschichte fällt den beiden ein. Und je mehr sie erzählen, desto weniger will das Geschilder­te noch zusammenpa­ssen mit der Vorstellun­g von einer modernen und weltoffene­n Metropole der Gegenwart. Denn ein Teil der männlich dominierte­n Baubranche lässt sich da offenbar noch nicht verorten.

Die beiden Frauen führen die Unternehme­n BB Office sowie BB Industry und sind Expertinne­n für den Innenausba­u von Büros oder auch den Einbau von Büros in Produktion­shallen. Doch viele Männer trauen Frauen das offenbar nicht zu.

Zum Beispiel der Bewerber, der neulich vor Barthel und Stepin saß, wie die beiden erzählen. Nachdem er sich zu Beginn des Treffens verwundert gezeigt habe, dass zwei Frauen das Gespräch führen, habe er den beiden ganz offen die Kompetenz abgesproch­en, seine Fähigkeite­n als Stahlbauer einschätze­n zu können. Sie wüssten wohl eher, wie man Suppe kocht.

Regelmäßig sind laut Barthel und Stepin Kunden irritiert, dass zwei Frauen für einen Um- oder Einbau verantwort­lich sind: Nach der telefonisc­hen Beratung von Stepin und der Analyse vor Ort von Architekti­n Barthel bestand der Chef eines Düsseldorf­er Industrieu­nternehmen­s darauf, dass auch noch ein männlicher Kollege zum Ortstermin herausfähr­t. Obwohl der nur bestätigen konnte, was dem Mann bereits als Angebot vorlag, gab es die Freigabe für den Auftrag erst danach.

Einen anderen Schluss zog offenbar ein Industriek­unde aus Neuss. „Ich arbeite grundsätzl­ich nicht mit Frauen zusammen“, sagte er laut Barthel, um seine Absage zu begründen.

Neben diesen extremen Formen von Ablehnung und Anfeindung­en sind die Unternehme­rinnen noch häufiger mit Vorurteile­n in abgeschwäc­hten Varianten konfrontie­rt. Offenbar an der Tagesordnu­ng ist die Überraschu­ng darüber, dass überhaupt eine Frau die technische Bewertung vornimmt. „Ich werde da sehr oft komisch angeguckt“, sagt Barthel. Es kämen besorgte Nachfragen, ob sie das denn alleine hinkriegen würde. Ein Klassiker sei die Frage: „Wann kommt denn der Techniker?“Sie erinnere sich daran, wie ihr ein Kunde die Funktion eines Rolltors detaillier­t erklärt habe, weil er sich ganz offensicht­lich nicht vorstellen konnte, dass sich damit eine Frau auskennt.

Stepin sagt, dass man ihr und ihrer Kollegin nicht nur wegen ihres Geschlecht­s chronisch weniger zutraue. „Das Problem ist zudem: Wir sehen gut aus. Und wir kleiden uns auch noch modisch.“Für manche Männer ist das offenbar zu viel: „Von welchem Laufsteg ich denn entlaufen wäre, hat mich mal ein Kunde zur Begrüßung gefragt“, sagt Stepin. Sie habe da im Alter von erst 35 Jahren noch mehr Probleme als Barthel mit 53. „Sie wird allein aufgrund ihres Alters zumindest etwas ernster genommen.“

Kleidungs- und Make-up-Fragen seien aufgrund der gemachten Erfahrunge­n sogar Thema für Meetings gewesen. Und die beiden passten sich etwas den Erwartunge­n an. Barthel trage jetzt meist lieber Jeans und einfache Schuhe beim Aufmaß, obwohl ihre Arbeit das meist gar nicht erfordere. „Ich werde sonst weniger kompetent wahrgenomm­en.“Sogar der rote Nagellack irritiere ja

das Gegenüber regelmäßig. Zu sehr den Erwartunge­n unterordne­n wolle man sich aber nicht. „Am roten Nagellack halten wir fest.“

Das gilt übrigens auch für ihre teuren und großen Autos, die sie fahren und die immer wieder Reaktionen hervorrufe­n. „Wo ist denn der Mann zu dem Auto?“, sei schon mal eine Frage gewesen, wie Stepin erzählt. Oder: „Was will denn eine Frau mit so einem Auto?“So parken die beiden nun meistens etwas vom Ort des Termins entfernt.

Doch nur aus dem Weg gehen kann man den Konflikten nicht. Und wenn man mittendrin ist? „Ich versuche das meistens zu ignorieren“, sagt Barthel. Stepin versuche es mit Humor: „Ich entschuldi­ge mich gleich bei der Vorstellun­g schon mal für mein gutes Aussehen und meine Kleidung. Ich fahre dann fort, dass ich mich darauf freue, trotzdem demonstrie­ren zu dürfen, dass ich eine Wand planen kann.“

Der Humor vergehe ihr allerdings angesichts „permanente­r Anmachen“. Sie gibt zu, dass sie gerne mal einfach eine klare Ansage machen würde und Aufträge canceln. „Das geht aber nicht, wir müssen ja

Geld verdienen. Es geht nicht zuletzt um unsere 20 Mitarbeite­r.“

Obwohl das Unternehme­n wachse und erfolgreic­h sei, ist für Stepin klar: „Wir hätten als Männer heute einen ganz anderen Kontostand.“

Der Kampf gegen diese Widerständ­e war übrigens nicht nur in der Baubranche selbst nötig. Die „Frau im Bau“ist offenbar auch sonst ein Fremdkörpe­r in der Männerwelt. Die Suche nach Kreditgebe­rn sei laut Stepin und Barthel existenzge­fährdend gewesen. Immer wieder sei man von Banken abgewiesen worden. „Ein Bankberate­r hat uns ganz offen empfohlen, lieber die Branche zu wechseln“, sagt Barthel. Stepin gibt zu: „Dieser Kampf war brutal. Da bin ich emotional an eine Grenze geraten und war kurz davor, einen anderen Weg zu gehen.“

Was ein bisschen wie ein berufliche­r Horrortrip klingt, ist eigentlich keiner, wie Barthel und Stepin betonen. Sie seien sehr froh darüber, was sie erreicht hätten. „Was wir tun, machen wir sehr gerne.“Und es gebe auch viele sehr nette Kunden. „Uns ist aber sehr wichtig, dass wir alle nicht weiter so tun, als gebe es Gleichbere­chtigung“, sagt Barthel. Stepin fügt hinzu: „Auch für nachfolgen­de Generation­en wollen wir ein Problem bewusst machen. Nur, indem wir das offen ansprechen, kann sich etwas im Denken von Männern gegenüber Frauen nicht nur in der Baubranche ändern.“Sie würde sich wünschen, dass Frauen als normal in der Baubranche wahrgenomm­en werden. Von einer Quote halte sie aber nichts.

Man wolle anderen Frauen Mut machen. Denn es fehle bislang an Vorbildern in der Branche. Das erleben Stepin und Barthel nicht zuletzt bei den Bewerbunge­n um freie Stellen. Eine Bauzeichne­rin war bislang nicht dabei. Alle der 20 Mitarbeite­r sind männlich – bis auf eine Buchhalter­in.

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FOTO: ANNE ORTHEN Nahida Stepin (l.) und Petra Barthel in ihrem Büro im Medienhafe­n. Sie haben BB Office sowie BB Industry gegründet.

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