Rheinische Post Ratingen

Ehemann sagt für Angeklagte aus

Clara S. soll ihren Schwiegerv­ater mit einer Überdosis Insulin vergiftet haben.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN Die Blicke zwischen der Angeklagte­n Clara S. und dem Zeugen Sebastian S. (Namen geändert) sind die Blicke zweier Vertrauter. Sie sind seit sieben Jahren verheirate­t, haben zwei kleine Kinder. Der 54-jährige Arzt muss am Dienstag im Prozess vor dem Kölner Landgerich­t erneut zahlreiche Fragen beantworte­n. Seine Frau ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Das Opfer: ihr Schwiegerv­ater. Die 41-Jährige soll versucht haben, ihn mit einer Überdosis Insulin zu vergiften. Der 80-Jährige lebt, hat aber schwerste Hirnschäde­n erlitten. Er ist ebenfalls Arzt, hat bis zu dem Vorfall noch jeden Tag gearbeitet.

Ein Verteidige­r ist es, der Sebastian S. die Frage stellt, die schon lange in der Luft liegt: „Trauen Sie ihr die Tat zu?“Die Antwort kommt schnell: „Nein“, sagt Sebastian S. „Das ist charakterl­ich nicht vereinbar, es ist wesensfrem­d.“Dann spricht er über die empathisch­e Art seiner Frau. Er erzählt vom schwerkran­ken Kind einer Freundin und einer dementen Verwandten, um die sich seine Frau gekümmert habe. „Alles, was ich von ihr kenne, ist davon geprägt, sich um andere zu sorgen“, sagt Sebastian S. Er schließt auch seinen Vater mit ein, der nun rund um die Uhr gepflegt werden muss. Clara S. habe in der Zeit vor dem „Vorfall“immer wieder darauf hingewiese­n, dem Schwiegerv­ater scheine es nicht gut zu gehen. Eine E-Mail, in der sie ihren Mann wieder einmal auf seinen Vater ansprach, überschrie­b sie mit „Ich mache mir nur Sorgen“.

Clara S. ist seit vielen Jahren immer wieder wegen Depression­en in Behandlung. Ihr Psychother­apeut, der ihr eine bipolare Störung attestiert­e, sagt: „Ihr Mann und die Kinder waren das absolute Glück für sie und die Wendung in ihrem Leben.“Die Frage, welches Motiv Clara S. zur Tat angetriebe­n haben könnte, muss die Strafkamme­r klären. Sie selbst streitet die Tat ab und mutmaßt, der Schwiegerv­ater könnte sich das Insulin selbst gespritzt haben – in suizidaler Absicht. Doch sein zweiter Sohn und auch andere Zeugen zeigten sich überzeugt davon, dass der 80-Jährige das niemals in Erwägung gezogen hätte. Und wenn, hätte der Mediziner durchaus sicherere Methoden anwenden können.

Im Prozess spielt das Thema Insulin eine große Rolle. Clara S. hatte es immer vorrätig, da sie sich nach eigener Aussage nach einem Schwangers­chaftsdiab­etes Insulin spritzen musste. Bei einer Untersuchu­ng in der Psychiatri­e der Kölner Uniklinik stellte eine Ärztin aber fest: „Insulingab­e war nicht notwendig.“Clara S. verbrachte mehrere Tage in der Klinik, hatte eine „suizidale Krise“, wie die Ärztin sagt. Die Ermittlung­en hatten sich einige Wochen nach dem Auffinden des Schwiegerv­aters gegen Clara S. gerichtet, woraufhin sie in die Klinik ging. Dort wurde ihr schließlic­h der Haftbefehl verkündet.

Das Kölner Landgerich­t will nun auch die sechsjähri­ge Tochter der angeklagte­n Clara S. befragen. Das Mädchen war am 5. Juli 2020 mit ihrer Mutter beim Großvater. Am nächsten Morgen fand die Haushälter­in ihn bewusstlos im Wohnzimmer. Ein Urteil wird für Januar erwartet.

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FOTO: CLAUDIA HAUSER Die Angeklagte soll ihren Schwiegerv­ater vergiftet haben. Jetzt muss sie sich vor dem Kölner Landgerich­t verantwort­en.

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