Wer in der Union was werden kann
Eine Woche nach der Bundestagswahl wird immer noch nicht deutlich, wohin CDU und CSU steuern – und mit wem. Ein Überblick.
Wer ist abgetaucht?
Angela Merkel Kanzlerin Angela Merkel war auf den letzten Metern des Wahlkampfs für Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet sehr in die Bresche gesprungen. Zum Tag der Deutschen Einheit hielt sie am Sonntag eine bewegende Rede. Zum Wahldebakel der Union sagte sie bislang öffentlich: nichts. Die Kanzlerin wird in dieser Woche noch nach Rom und Israel reisen, Termine im Kanzleramt gibt es nicht. Mit der Niederlage ihrer Partei will die Regierungschefin derzeit nicht in Verbindung gebracht werden.
Wolfgang Schäuble Der 79-Jährige sprach dem Vernehmen nach in den CDU-Gremien nach der Wahl kein Wort. Vor dem Urnengang mahnte Schäuble noch, es stehe „Spitz auf Knopf“. Das war auch in eigener Sache gemeint. Denn der noch amtierende Bundestagspräsident wird sein Amt voraussichtlich nicht behalten, die SPD stellt die stärkste Fraktion im Bundestag. Besonders schwer wiegt für viele in der Partei aber, dass er zunächst Laschet als Kanzlerkandidaten durchgesetzt und dann Merkel für schuldig an den schlechten Umfragewerten erklärt hat. Und nun öffentlich schweigt.
Volker Bouffier In der berühmten Nacht im April war es der hessische Ministerpräsident, der zusammen mit Schäuble die Kanzlerkandidatenfrage gegen CSU-Chef Markus Söder entschied. Das hat ihm die CSU nicht vergessen. Auch Bouffier sagt zum Wahldesaster und seinem Anteil daran am liebsten gar nichts. Er gehört aber zum Verhandlungsteam für die Jamaika-Sondierungen. Das versteht in der Partei kaum noch jemand. Sein Autoritätsverlust ist groß.
Wer will sich profilieren?
Ralph Brinkhaus Der Ostwestfale hat früh seine Ansprüche auf den erneuten Fraktionsvorsitz angemeldet – und nimmt dafür vieles in Kauf. Er hat sich Laschet nicht gebeugt, sondern den eigenen Machtanspruch durchgesetzt. Am Ende gab es einen Kompromiss für sieben Monate. Sicher ist: Brinkhaus wird nicht aufstecken. Im Sommer nahm er mehr als 100 Termine wahr und knüpfte im ganzen Land Kontakte. Er könnte sich auch mehr als den Fraktionsvorsitz vorstellen.
Friedrich Merz Der frisch in den Bundestag gewählte Sauerländer meldet sich lautstark zu Wort („denkfaule CDU“), legt sich aber mit Blick auf die eigene Karriereplanung erstmal Zurückhaltung auf. Ein Dampfer, der gerade sinkt, den muss man nicht steuern. Klar ist aber auch: Merz ist zurück im Bundestag und in der Bundespolitik. Er wird eigene Ambitionen auf Höheres nur vorübergehend hinten anstellen. Aus seinem Umfeld heißt es bereits: Sollte die CDU per Mitgliederentscheid über einen Vorsitzenden
abstimmen – dann stünde er bereit.
Alexander Dobrindt Der CSU-Mann kann sich seines Postens sicher sein. Während die CDU noch über den Fraktionsvorsitz stritt, hatte sich Dobrindt von der CSU-Landesgruppe bereits mit 85 Prozent als Vorsitzender bestätigen lassen. Das gibt ihm die Sicherheit, mahnende Worte in Richtung CDU zu schicken: Dobrindt warnt vor weiteren Folgefehlern nach der Wahlschlappe.
Wer steht in den Startlöchern?
Jens Spahn Der Mann aus dem „Team Laschet“, noch Gesundheitsminister, sucht offenbar händeringend nach einem neuen Job. Schon weit vor der Wahl sondierte der 41-Jährige intern seine Chancen auf die Kanzlerkandidatur. Jetzt soll er zwei Posten im Visier haben: den des Fraktionschefs, falls die Union in die Opposition geht, und den des möglichen Parteichefs, sollte Laschet endgültig scheitern. Dazu passt, dass selbst er jetzt eine CDUErneuerung fordert – und zwar sehr deutlich.
Norbert Röttgen Auch wenn er beim Rennen um den Parteivorsitz im Januar unterlegen war, ist Röttgen immer noch im Spiel. Er wird als möglicher Fraktionsvorsitzender oder gar Parteichef gehandelt, sollten sich Ralph Brinkhaus und Armin Laschet auf diesen Posten nicht halten. Sein Vorteil: Er gilt als kluger Kopf, der die Partei glaubwürdig modernisieren könnte. Sein Nachteil: Er kommt wie viele andere Aspiranten aus NRW, hat im dortigen Landesverband nicht viele Freunde. Am Sonntagabend wand er sich in der TV-Sendung „Anne Will“sehr, als er gefragt wurde, ob die Union weiter mit Armin Laschet an der Spitze eine mögliche Jamaika-Koalition umsetzen würde.
Daniel Günther Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein steht mit seinen 48 Jahren für die Generation nach Angela Merkel. Nach der Wahlniederlage beschrieb er die Lage der CDU als „dramatisch“und benannte auch klar den mangelnden Zuspruch für Laschet. Dass Günther trotz der klaren Worte Teil des CDU-Sondierungsteams ist, spricht für sein parteiinternes Ansehen. Eine sinnvolle Wahl, schließlich führt Günther im Norden ein Jamaika-Bündnis.
Wer wird es schwer haben in den nächsten Monaten?
Armin Laschet Die Kritik am Wahlkampf und der Strategie des Kanzlerkandidaten
und CDU-Vorsitzenden wird auch innerparteilich lauter. Die öffentlichen Umfragen strafen ihn ab. Noch aber gibt es keinen Herausforderer. Laschet selbst glaubt noch an ein Jamaika-Bündnis. Viele andere winken ab. Seine politische Zukunft schwankt zwischen Kanzler, einfachem Bundestagsabgeordneten und politischem Ruhestand.
Paul Ziemiak Als Armin Laschet ihm in den Gremien zum Sieg in seinem Wahlkreis gratulierte, soll es nur müden Applaus gegeben haben. Kein Wunder. Ziemiak ist der verantwortliche Wahlkampfmanager, das Debakel bei der Bundestagswahl geht auch auf seine Kappe. Doch von Selbstkritik ist nur wenig zu hören. In der Partei gibt es Stimmen, die eigentlich einen Rücktritt des 36-Jährigen erwartet hätten. Stattdessen darf er jetzt sondieren.
Markus Söder Auch der CSU-Chef steht unter Druck. Seine Querschüsse gegen Laschet sind Ausdruck davon. Selbst in der eigenen Partei werden die Manöver kritisiert. Das 31,7-Prozent-Ergebnis der CSU in Bayern vom Sonntag stellt die CSU nicht zufrieden. Söder blickt bereits auf die Landtagswahl in zwei Jahren. Ein nach CSU-Maßstäben schwaches Ergebnis wie 2018 (37,2 Prozent) kann er sich kein zweites Mal leisten. Insider glauben, dass Söder auf eine Ampel im Bund spekuliert, um sich in Bayern zu profilieren.