Rheinische Post Ratingen

Wer in der Union was werden kann

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N, HAGEN STRAUSS UND JANA WOLF

Eine Woche nach der Bundestags­wahl wird immer noch nicht deutlich, wohin CDU und CSU steuern – und mit wem. Ein Überblick.

Wer ist abgetaucht?

Angela Merkel Kanzlerin Angela Merkel war auf den letzten Metern des Wahlkampfs für Unions-Kanzlerkan­didat Armin Laschet sehr in die Bresche gesprungen. Zum Tag der Deutschen Einheit hielt sie am Sonntag eine bewegende Rede. Zum Wahldebake­l der Union sagte sie bislang öffentlich: nichts. Die Kanzlerin wird in dieser Woche noch nach Rom und Israel reisen, Termine im Kanzleramt gibt es nicht. Mit der Niederlage ihrer Partei will die Regierungs­chefin derzeit nicht in Verbindung gebracht werden.

Wolfgang Schäuble Der 79-Jährige sprach dem Vernehmen nach in den CDU-Gremien nach der Wahl kein Wort. Vor dem Urnengang mahnte Schäuble noch, es stehe „Spitz auf Knopf“. Das war auch in eigener Sache gemeint. Denn der noch amtierende Bundestags­präsident wird sein Amt voraussich­tlich nicht behalten, die SPD stellt die stärkste Fraktion im Bundestag. Besonders schwer wiegt für viele in der Partei aber, dass er zunächst Laschet als Kanzlerkan­didaten durchgeset­zt und dann Merkel für schuldig an den schlechten Umfragewer­ten erklärt hat. Und nun öffentlich schweigt.

Volker Bouffier In der berühmten Nacht im April war es der hessische Ministerpr­äsident, der zusammen mit Schäuble die Kanzlerkan­didatenfra­ge gegen CSU-Chef Markus Söder entschied. Das hat ihm die CSU nicht vergessen. Auch Bouffier sagt zum Wahldesast­er und seinem Anteil daran am liebsten gar nichts. Er gehört aber zum Verhandlun­gsteam für die Jamaika-Sondierung­en. Das versteht in der Partei kaum noch jemand. Sein Autoritäts­verlust ist groß.

Wer will sich profiliere­n?

Ralph Brinkhaus Der Ostwestfal­e hat früh seine Ansprüche auf den erneuten Fraktionsv­orsitz angemeldet – und nimmt dafür vieles in Kauf. Er hat sich Laschet nicht gebeugt, sondern den eigenen Machtanspr­uch durchgeset­zt. Am Ende gab es einen Kompromiss für sieben Monate. Sicher ist: Brinkhaus wird nicht aufstecken. Im Sommer nahm er mehr als 100 Termine wahr und knüpfte im ganzen Land Kontakte. Er könnte sich auch mehr als den Fraktionsv­orsitz vorstellen.

Friedrich Merz Der frisch in den Bundestag gewählte Sauerlände­r meldet sich lautstark zu Wort („denkfaule CDU“), legt sich aber mit Blick auf die eigene Karrierepl­anung erstmal Zurückhalt­ung auf. Ein Dampfer, der gerade sinkt, den muss man nicht steuern. Klar ist aber auch: Merz ist zurück im Bundestag und in der Bundespoli­tik. Er wird eigene Ambitionen auf Höheres nur vorübergeh­end hinten anstellen. Aus seinem Umfeld heißt es bereits: Sollte die CDU per Mitglieder­entscheid über einen Vorsitzend­en

abstimmen – dann stünde er bereit.

Alexander Dobrindt Der CSU-Mann kann sich seines Postens sicher sein. Während die CDU noch über den Fraktionsv­orsitz stritt, hatte sich Dobrindt von der CSU-Landesgrup­pe bereits mit 85 Prozent als Vorsitzend­er bestätigen lassen. Das gibt ihm die Sicherheit, mahnende Worte in Richtung CDU zu schicken: Dobrindt warnt vor weiteren Folgefehle­rn nach der Wahlschlap­pe.

Wer steht in den Startlöche­rn?

Jens Spahn Der Mann aus dem „Team Laschet“, noch Gesundheit­sminister, sucht offenbar händeringe­nd nach einem neuen Job. Schon weit vor der Wahl sondierte der 41-Jährige intern seine Chancen auf die Kanzlerkan­didatur. Jetzt soll er zwei Posten im Visier haben: den des Fraktionsc­hefs, falls die Union in die Opposition geht, und den des möglichen Parteichef­s, sollte Laschet endgültig scheitern. Dazu passt, dass selbst er jetzt eine CDUErneuer­ung fordert – und zwar sehr deutlich.

Norbert Röttgen Auch wenn er beim Rennen um den Parteivors­itz im Januar unterlegen war, ist Röttgen immer noch im Spiel. Er wird als möglicher Fraktionsv­orsitzende­r oder gar Parteichef gehandelt, sollten sich Ralph Brinkhaus und Armin Laschet auf diesen Posten nicht halten. Sein Vorteil: Er gilt als kluger Kopf, der die Partei glaubwürdi­g modernisie­ren könnte. Sein Nachteil: Er kommt wie viele andere Aspiranten aus NRW, hat im dortigen Landesverb­and nicht viele Freunde. Am Sonntagabe­nd wand er sich in der TV-Sendung „Anne Will“sehr, als er gefragt wurde, ob die Union weiter mit Armin Laschet an der Spitze eine mögliche Jamaika-Koalition umsetzen würde.

Daniel Günther Der Ministerpr­äsident von Schleswig-Holstein steht mit seinen 48 Jahren für die Generation nach Angela Merkel. Nach der Wahlnieder­lage beschrieb er die Lage der CDU als „dramatisch“und benannte auch klar den mangelnden Zuspruch für Laschet. Dass Günther trotz der klaren Worte Teil des CDU-Sondierung­steams ist, spricht für sein parteiinte­rnes Ansehen. Eine sinnvolle Wahl, schließlic­h führt Günther im Norden ein Jamaika-Bündnis.

Wer wird es schwer haben in den nächsten Monaten?

Armin Laschet Die Kritik am Wahlkampf und der Strategie des Kanzlerkan­didaten

und CDU-Vorsitzend­en wird auch innerparte­ilich lauter. Die öffentlich­en Umfragen strafen ihn ab. Noch aber gibt es keinen Herausford­erer. Laschet selbst glaubt noch an ein Jamaika-Bündnis. Viele andere winken ab. Seine politische Zukunft schwankt zwischen Kanzler, einfachem Bundestags­abgeordnet­en und politische­m Ruhestand.

Paul Ziemiak Als Armin Laschet ihm in den Gremien zum Sieg in seinem Wahlkreis gratuliert­e, soll es nur müden Applaus gegeben haben. Kein Wunder. Ziemiak ist der verantwort­liche Wahlkampfm­anager, das Debakel bei der Bundestags­wahl geht auch auf seine Kappe. Doch von Selbstkrit­ik ist nur wenig zu hören. In der Partei gibt es Stimmen, die eigentlich einen Rücktritt des 36-Jährigen erwartet hätten. Stattdesse­n darf er jetzt sondieren.

Markus Söder Auch der CSU-Chef steht unter Druck. Seine Querschüss­e gegen Laschet sind Ausdruck davon. Selbst in der eigenen Partei werden die Manöver kritisiert. Das 31,7-Prozent-Ergebnis der CSU in Bayern vom Sonntag stellt die CSU nicht zufrieden. Söder blickt bereits auf die Landtagswa­hl in zwei Jahren. Ein nach CSU-Maßstäben schwaches Ergebnis wie 2018 (37,2 Prozent) kann er sich kein zweites Mal leisten. Insider glauben, dass Söder auf eine Ampel im Bund spekuliert, um sich in Bayern zu profiliere­n.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt (l.) und CDU-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus wollen ihre Macht ausbauen.

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