Leibwächterinnen für den Papst
Die Schweizergarde bewacht seit 500 Jahren den Vatikan. Jetzt bereitet sie sich auf weibliche Mitglieder vor.
ROM Der Vatikan ist auch unter Papst Franziskus ein konservativer Kosmos geblieben. Ein Leuchtturm, an dem sich Traditionalisten festklammern, ist die Schweizergarde, die seit dem frühen 16. Jahrhundert den Päpsten ihren Dienst erweist. Die wenigsten Priester in Rom sind noch im schwarzen Talar unterwegs, aber auf die Päpstliche Schweizergarde ist anscheinend noch Verlass. Die Wachmänner des Papstes tun ihren Dienst weiter in ihrer auffälligen blau-rot-gelben Uniform, deren Herkunft manche Michelangelo Buonarotti zuschreiben. Obwohl Ety Cicioni, der Schneider der Garde, schon mehrfach darauf verwiesen hat, dass es nicht Michelangelo war, der die Tracht entwarf. Es war der Schweizer Jules Repond im frühen 20. Jahrhundert.
Nun kommt es aber noch härter für die Pfleger der Tradition. Die Bewachung des Papstes könnte demnächst auch Frauen angetragen werden. Derzeit wird eine neue Kaserne auf Vatikanboden für die Garde gebaut, in der auch Einzelzimmer mit Bad zu beziehen sein werden. Bislang lebten zwei bis drei Gardisten zusammen. Die Kaserne platzt aus allen Nähten, seit Papst Franziskus die Aufstockung der kleinsten Armee der Welt von 110 auf 135 Mann verfügte, weil die Sicherheitsvorkehrungen im Vatikan erhöht werden sollten. Einige Gardisten leben deshalb sogar außerhalb des Vatikans. Der rund 46 Millionen Euro teure Neubau wird nicht nur größer, sondern auch funktionaler im Hinblick auf eventuelle Veränderungen. Über die Aufnahme von Frauen in die Garde sagte jüngst Leutnant Urs
Breitenmoser, Pressesprecher der Garde: „Es ist denkbar, die Schutztruppe zu öffnen.“In der Vergangenheit habe es bereits Bewerbungen von Frauen gegeben.
Die Hellebardiere bewachen nicht nur den Papst persönlich, sondern auch die Zugänge zum Kirchenstaat und leisten Dienst bei Audienzen und Staatsempfängen. Angesichts der Erweiterung sind bis zu 35 neue Rekruten pro Jahr nötig. Die zwischen 19 und 34 Jahre alten Soldaten, die nicht verheiratet sein dürfen, praktizierende Katholiken und sportlich sein müssen, verpflichten sich für mindestens zwei Jahre. Der Nachschub ist nicht mehr sichergestellt, der Garde fehlt mittelfristig das Personal. „Sobald Gardistinnen zugelassen sind, erhöht sich auch das Rekrutierungspersonal für die Garde“, sagte Ruth Metzler-Arnold, Vorsitzende der Stiftung Schweizergarde, die die Kleinarmee finanziell unterstützt. Alles deutet auf eine Öffnung für Frauen hin, wenn Papst
Franziskus einwilligt. „Es war wichtig für uns, dass das neue Gebäude Raum für dienstleistende Frauen bietet“, sagte Jean Pierre Roth, ebenfalls Stiftungsmitglied.
Der Ball liegt also beim Papst. Der hat zwar größere Sorgen als die Schweizergarde, ist in Sachen Frauen aber recht fortschrittlich. Das Priestertum für Frauen hat er gemäß den Vorgaben seiner Vorgänger zwar ausgeschlossen, die Einführung eines Frauendiakonats lässt er aber von Experten weiterhin untersuchen. In der Zwischenzeit schleust er weitgehend unbemerkt immer mehr Frauen in wichtige Positionen im Vatikan. Die Sizilianerin Francesa De Giovanni ernannte er im Januar 2020 zur Untersekretärin im Staatssekretariat, der Regierungszentrale. Das entspricht dem Rang einer Staatssekretärin in der Politik. Die Französin Nathalie Becquart wurde Anfang dieses Jahres zur Untersekretärin im Synodensekretariat bestellt und wird als bislang einzige Frau auf der Bischofsversammlung 2023 Stimmrecht haben. Franziskus legalisierte auch die Praxis, dass Frauen als Lektorinnen und in Ausnahmefällen als Spenderinnen der Kommunion tätig sein dürfen. Solche Akte machen den Progressiven Mut und den Konservativen Angst.
Die Einweihung der neuen Kaserne ist für den 6. Mai 2027 vorgesehen. Dann jährt sich der sogenannte Sacco di Roma, die Plünderung Roms im Jahr 1527, zum 500. Mal. Es war die Schweizergarde, die Clemens VII. damals verteidigte. 147 Gardisten verloren ihr Leben. Sollte der Papst in Zukunft wieder einmal in Bedrängnis kommen, wird es vielleicht eine Frau sein, die ihm das Leben rettet.