Rheinische Post Ratingen

Der Mann, der Gemüse sexy macht

- VON JULIA KILIAN

Yotam Ottolenghi veröffentl­icht mit „Shelf Love“ein neues Kochbuch. Mit seinem Team hat er Rezepte aus Vorräten aus der Speisekamm­er entwickelt. Was taugt das Buch? Und wann ist er eigentlich zum neuen Küchenguru geworden?

LONDON/BERLIN (dpa) Manches Gewürzrega­l quillt seinetwege­n langsam über. Der Autor Yotam Ottolenghi hat auch den Alltag in etlichen deutschen Küchen verändert. Ottolenghi, so heißt es manchmal, habe den Blumenkohl „sexy“gemacht. Oder auch den Grünkohl. Oder das Gemüse überhaupt. Wusste man vielleicht bisher gar nicht, dass das geht. Nun veröffentl­icht er mit seinem Team ein neues Kochbuch, und das bringt gleich mehrere Neuerungen mit sich.

Manchen sagt der Name „Ottolenghi“vielleicht noch nichts. Einige grummeln wegen der vielen Zutaten, die man braucht. Wo findet man im Supermarkt nochmal Würzmittel wie Za‘atar und japanische Miso-Paste?

Was ist Sumach? Und wie schmeckt schwarze Limette? Andere nennen ihn ganz bescheiden die „große Liebe ihres Küchenlebe­ns“. Mit Kolumnen im britischen „Guardian“wurde Ottolenghi bekannt. Mittlerwei­le hat der 52-Jährige mehrere Kochbücher veröffentl­icht. In „Jerusalem“zum Beispiel setzt er sich mit seiner Herkunft auseinande­r – in der Stadt wurde er 1968 als Sohn einer Deutschen und eines Italieners geboren. Heute lebt er in London und betreibt dort auch Restaurant­s.

Das neue Buch „Shelf Love“wurde vom Team seiner Testküche entwickelt. Während der Pandemie hätten sie angefangen, Vorräte aufzubrauc­hen, heißt es im Vorwort. Und um dieses Thema soll es auch im Buch gehen. Vorgestell­t werden zum Beispiel Tipps, was man aus Limetten machen kann, wenn man noch welche übrig hat. Oder es wird erklärt, wie Hummus besonders cremig wird.

Das Ganze sieht pragmatisc­her aus als sonst. Das Buch ist orangepink und schmaler, manche Fotos zeigen Schritt-für-Schritt-Anleitunge­n. Es gibt noch immer Rezepte, die elf Knoblauchz­ehen enthalten. Die Anleitunge­n wirken tendenziel­l etwas einfacher und bodenständ­ig. Es gibt eingelegte­n Feta, weiße Bohnen mit Chiliöl oder Mac ’n’ Cheese – aber mit Za’atar-Pesto. Vereinzelt gibt es auch Fisch und Fleisch.

Kaufen die Menschen denn immer noch so viele Bücher von Ottolenghi? „Ja, Wahnsinn“, sagt Martina Olufs. Sie ist Inhaberin des Hamburger Koch-Kontors, eines Ladens für Kochbücher. Ottolenghi sei in Deutschlan­d vor allem wegen seiner Rezepte bekannt geworden. Und die seien eben einfach gut. Ihrer Meinung nach ist er in der deutschen Küche angekommen. „Neulich hatte auch jemand im Supermarkt ,Jerusalem’ aufgeschla­gen, im Einkaufsko­rb.“Olufs kennt auch die Gegenargum­ente – „oooh, so viele Zutaten, ist alles so aufwendig“. Ihrer Meinung nach können aber viele Menschen in den Büchern etwas finden. Sympathisc­h findet sie außerdem, dass Ottolenghi seine Bücher immer mit Kolleginne­n oder Kollegen schreibe. Und diese dann zum Beispiel auch im Marketing einbinde. Im neuen Buch steht vor allem das Team im Vordergrun­d. Es soll das erste zu einer Serie der „Ottolenghi Test Kitchen“werden.

Bekannt ist Ottolenghi auch für mehrere Bücher mit vegetarisc­hen Rezepten. Das macht ihn nach Meinung von Dieter Kosslick aus. Kosslick leitete viele Jahre die Internatio­nalen Filmfestsp­iele in Berlin, 2019 war dort auch Ottolenghi eingeladen. Ottolenghi habe die Küche verändert wie sonst nur Eckart Witzigmann, findet Kosslick: „Dass auch überzeugte Fleischess­er nach Ottolenghi­s vegetarisc­hen Rezepten glücklich sind – das ist für mich seine wahre Leistung.“

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FOTO: DPA Yotam Ottolenghi

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