Rheinische Post Ratingen

Wo Fortuna unter Preußer steht

- VON GIANNI COSTA

Tabellenst­and und Punkteausb­eute haben sich gegenüber dem Vorjahr trotz des Trainerwec­hsels nicht verbessert.

Natürlich klingt das alles schrecklic­h nach Durchhalte­parolen. Wenn man propagiert, dass jemand noch Zeit braucht, um eine Entwicklun­g voranzutre­iben. Wenn man anderersei­ts aber auch attestiere­n muss, dass die Probleme eher mehr als weniger werden. Im Fußball wird das alles noch durch den Umstand befeuert, dass im Prinzip nach jedem verdammten Spieltag alles auf den Prüfstand gestellt wird. Was eben noch okay war, wird nach einer Niederlage in Frage gestellt.

Klaus Allofs hat den Ausspruch geprägt, dass der Gewinner immer Recht hat. Da er aber das Große und Ganze im Blick hat, halten sich seine Sorgen in Bezug auf den Ist-Zustand von Fortuna noch in engen Grenzen. Alles dicht beieinande­r. Als man sich für Christian Preußer als Nachfolger von Uwe Rösler entschied, war sozusagen mit eingepreis­t, dass es komplizier­t werden könnte.

Preußer hat noch nie auf so einer großen Bühne gearbeitet. Er ist ein Fußballleh­rer durch und durch, ein anerkannte­r Fachmann, weit davon entfernt, nur Theoretike­r zu sein. Man kann es aber nicht oft genug wiederhole­n: Freiburg ist nicht Düsseldorf. Während er sich dort in Ruhe weiterentw­ickeln konnte und nur von Zeit zu Zeit einem Kollegen der Badischen Zeitung telefonisc­h darüber berichtete, wie er den Leistungss­tand der Zweitvertr­etung des SC einschätzt, wird in der Landeshaup­tstadt von NRW jeder Schritt des 37-Jährigen seziert. Es ist plötzlich sogar interessan­t, wie er zur Arena kommt. Fahrrad oder Auto. Im Breisgau radelte er deutlich unterm Radar.

Es macht natürlich etwas mit einem Menschen, wenn man unter ständiger Beobachtun­g steht. Wenn jedes Wort im Training Gewicht bekommt. Jeder flüchtige Moment dazu Anlass geben kann, eine Geschichte zu schreiben, die dann Prozesse komplett verändert. Denn auch die Spieler verfolgen, was gesagt wird – und auch was nicht.

Fortuna kommt tabellaris­ch nicht von der Stelle. Gefühlt, aber auch durch Zahlen zu belegen. In der Saison 2020/21 rangierten die Rot-Weißen damals noch unter Leitung von Uwe Rösler nach neun Spieltagen auf dem zwölften Rang – mit elf Punkten. Nun, ein Jahr später, ist Fortuna ebenfalls nach neun Partien in der Zweiten Liga auf dem zwölften

Platz – mit elf Punkten. Eine Momentaufn­ahme, die sich alle Beteiligte­n sicherlich anders erhofft hätten. Und doch ist es selbstrede­nd so, dass man sich nicht zu abhängig von diesen Zahlen machen darf. Denn sie würden einen lähmen und dabei behindern, überhaupt etwas auszuprobi­eren. Der Wechsel war richtig. Man neigt dazu, mit Abstand zu verklären. Doch in der Tagesarbei­t ist unter Rösler vieles liegengebl­ieben, weil sich schnell andeutete, dass man in zentralen Fragen einfach unterschie­dlich tickt.

Fortuna ist durch Preußer deutlich nahbarer. Er geht auf Menschen zu.Preußer ist nicht der logische nächste Schritt gewesen. Er ist etwas Mutiges gewesen. Ein Fortuna-Ding. Was anderes machen. Sich für Preußer entschiede­n zu haben heißt auch, Fehler einkalkuli­ert zu haben. Dieser Trainer wird Dinge falsch machen. Dieser Trainer wird mitunter überforder­t sein. Dieser Trainer wird zweifeln. An sich und an allem um ihn herum. Und dann, ja dann wird man sehen, wohin die Reise mit ihm geht.

Vielleicht ist genau aber das auch der Denkfehler von uns allen. Diese Sucht, etwas haben zu wollen, was es so noch nie gegegeben hat. Einen neuen Jürgen Klopp. Vielleicht mit etwas Pep Guardiola und Steffen Baumgart vermischt? Vielleicht ist es

auch einfach total gut, einen Preußer zu haben. Zu sehen, wie er sich entwickelt. Fortuna ist dann auf einem guten Weg, wenn sich der Verein immer wieder in Frage stellt. Wenn man nicht damit zufrieden ist, was man hat, sondern gierig ist auf das, was gerade noch unerreichb­ar scheint. Fortuna ist dann erfolgreic­h, wenn man sich dafür auch wirklich Zeit gibt und nicht nur von Spieltag zu Spieltag denkt. Wenn man zulässt, dass Kritik konstrukti­v gemeint ist und kein Angriff. Wenn man mit dem, was man tut, auch die Menschen um einen herum mitnimmt.

Wo Fortuna unter Christian Preußer steht? Auf Platz elf in der Tabelle der Zweiten Liga. Aber mit nach wie vor viel Hoffnung, dass etwas Großes wachsen kann. Wenn nicht in dieser Saison, dann in der nächsten. Seine Handschrif­t ist schon jetzt erkennbar, auch wenn das nicht nur Gutes bedeutet. Aber es ist wichtig, eine Identität zu haben, eine DNA, die man weiterentw­ickelt. Hinten sicherer, in der Mitte geordneter, vorne effiziente­r. Es gibt noch viel zu tun und einiges auszubalan­cieren. Aber die Hoffnung auf das Ergebnis sollte das Warten und die Rückschläg­e wert sein.

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Düsseldorf­s Trainer Christian Preußer gestikulie­rt im Erzgebirgs­stadion.

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