Endlich wieder ein Akademie-Rundgang
Die Arbeiten von 60 Absolventen sind aktuell zu sehen. Beim Festakt kündigte Rektor Karl-Heinz Petzinka Veränderungen an.
DÜSSELDORF 60 Absolventen der Kunstakademie bitten zum ersten großen Rundgang seit dem Lockdown. Beim Festakt vorab hatten sie ihre Urkunden erhalten. In seiner Ansprache reagierte Rektor KarlHeinz Petzinka auf die Kritik an der eher lieblos begleiteten Absolventenschau im K21 und versprach: 2022 gastieren die Abgänger in der Duisburger Küppersmühle. Zum Protest gegen seine Rektoratsführung in den sozialen Medien sagte er nichts, empfahl jedoch den Studierenden mehr Demut und den Blick in den Spiegel.
Nicht als Bußgänger, sondern als Frau Holle taucht Carl Brandi aus der Schulze-Klasse schon in der Aula auf, mit nackten, gut behaarten Männerbeinen, im Nachthemd und einer weit schwingenden roten Fantasierobe. „Frau Holle bringt die Kälte auf die Erde“, verkündet er. Er zeigt in Raum 210 ein Machwerk, bei dem nicht nur menschliche Fußsohlen, sondern auch ein tierischer Maulwurf ihre Spuren hinterlassen haben. Zugleich präsentiert der Anti-Künstler mit dem Dürerschen Blondhaar einen notdürftig gezimmerten Elfenhügel mit bunten Blumen obenauf.
Events sind auf diesem Rundgang selten. Stefan Bauer (MorganKlasse) versucht es in Raum 106 mit 85 LED-Wandpanelen vor dem Fenster. Das macht 200.000 Lumen, die dem reinweiß gestrichenen Saal eine überirdische Atmosphäre verleihen. Er spricht von der „Totalisierung des Imaginären“und stellt sich werbewirksam im schwarzen Outfit vor die Lichtscheiben.
Dem Duo Andrea Marcellier und Florian Moldan (Klasse Piller) ist ein Meisterwerk gelungen. Sie haben in den lichtdurchfluteten Raum einen sechseckigen Brunnen mit inwendigen Aufbauten aus Wasserflaschen gebaut. Nichts sprudelt. Der Brunnen ist eingefroren. In der Pandemie
ist eben alles verrammelt und verriegelt. So werfen sie selbst ihre Münzen in die Flaschen und stecken obenauf Blumen. Ihr Wunsch nach Glück scheint in Erfüllung zu gehen, denn die billigen Flaschen sammeln nun das Licht.
Jacqueline Bahmfaste hat ihren Kinderwagen in Raum 21 gestellt. Ihr Baby ist so alt wie Corona. Die Gostner-Schülerin widmet ihm sogar ihre Kunst und nimmt es als Vorbild für ihre Engelchen aus Gipsmarmor. Als ausgebildete Kunsterzieherin und Künstlerin erzählt sie nur zu gern von den Putten in der Frührenaissance. Gleichzeitig hofft sie, „um die Kunsterziehung herumzukommen“. Wer hier studiert, gibt die Hoffnung nicht auf, als freier Künstler bestehen zu können.
Malerei bildet traditionell ein breites Spektrum beim Rundgang. Dabei geht es um den neuesten Vasarely-Verschnitt mit Vielecken, Stecksteine in Pastellfarben, Motive wie die Weiblichkeit, die Fruchtbarkeitsgöttin und Laborpflanzen, die ohne Erde, aber mit viel Energie auskommen. Ganz selten entstehen Werke, die sich nicht erklären lassen und dennoch große Kunst sind. Johanna Clara Becker, die bei Stefan Kürten und Dirk Skreber studiert hat, ist vielleicht das beste Beispiel. Sie mischt für ihre graffitiartigen Bilder die Töne mit Weiß, sodass es kaum Farbkontraste gibt, und sagt: „Ich fange an zu malen, wenn zu viel in meinem Kopf ist. Wie ein überlaufendes Fass entlade ich mich dann auf der Leinwand.“
Selten kommt auch der Dank an den einstigen Lehrer zum Ausdruck. Lukas Köllner spricht gar vom „Kosmos Anzinger“und verabschiedet sich von ihm, indem er ihn wie einen Übermenschen und Waldschrat in eine Menschenmenge setzt, in der man kommuniziert und alles tun darf. Er entwickelt aber zugleich sehr eigenwillig aus der Farbe heraus seine eigenen Geschichten(Raum110,KlasseWulff).
Fynn Ribbeck, Großneffe des einstigen Fußball-Nationaltrainers, hat weniger mit dem Fußball als mit den Animationskünsten zu tun. Der Absolvent der Klassen Odenbach und Gonzalez-Foerster stülpt sich einen Motion-Capture-Anzug über und stolziert nun durch eine mentale Landschaft in einer Abwärtsspirale bis zum Grundwasser und will natürlich auch wieder Höhe gewinnen.