Rheinische Post Ratingen

Lockdown und Abstandsre­geln haben viele Leben gerettet

- VON REGINA HARTLEB

Vor gut eineinhalb Jahren stand das Leben in Deutschlan­d erstmals wochenlang nahezu still. Wie sinnvoll die Maßnahmen waren, belegt nun eine Studie.

KÖLN Die frühen Kontaktbes­chränkunge­n und Schulschli­eßungen zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 haben Tausende Menschenle­ben gerettet. Zu diesem Schluss kommt die Studie eines internatio­nalen Teams von Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftle­rn. Juniorprof­essor Emanuel Hansen von der Universitä­t Köln und Ulrich Glogowsky, Professor an der Johannes-Kepler-Universitä­t Linz, haben die Studie geleitet, deren Ergebnisse nun in der Fachzeitsc­hrift „Plos One“veröffentl­icht wurden.

Als sich im Frühjahr 2020 das Coronaviru­s Sars-Cov-2 seinen Weg um die Welt bahnte, führte die deutsche Politik ab Mitte März eine Reihe von Maßnahmen ein, unter anderem strikte Regeln zur Beschränku­ng sozialer Kontakte und die Schließung von Kindergärt­en, Schulen und Geschäften. Maskenpfli­cht und Schnelltes­ts gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Eine

Impfung war längst nicht in Sicht.

Dennoch nahmen damals innerhalb weniger Wochen die Infektions­zahlen im Land deutlich ab. Dass diese Entwicklun­g kein Zufall war, wie Kritiker der Maßnahmen damals argumentie­rten, sondern eine klare Folge der Beschränku­ngen, können die Wissenscha­ftler

Fazit der Studie

nun mit Zahlen belegen: Dazu wertete das Autorentea­m um Emanuel Hansen Daten des Robert-Koch-Instituts aus sowie anonymisie­rte Bewegungsd­aten privater Mobilfunka­nbieter aus über 400 deutschen Kreisen aus. In diesem „quasi-experiment­ellen Analysever­fahren“, wie die Autoren es nennen, nutzten sie die Tatsache, dass die ersten Covid-19-Fälle

in manchen Kreisen vor Beginn der Kontaktbes­chränkunge­n auftraten und in anderen erst eine ganze Weile danach.

Durch den Vergleich von Kreisen mit frühen und späten CoronaAusb­rüchen konnten die Forscher schätzen, wie sich das Verhalten der Bürgerinne­n und Bürger und das Infektions­geschehen in Deutschlan­d ohne die Corona-Maßnahmen entwickelt hätten.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Die räumlichen Bewegungen der Menschen haben sich nach Einführung der politische­n Maßnahmen deutlich reduziert, um durchschni­ttlich 30 Prozent. Und: „Schon innerhalb der ersten drei Wochen konnten durch die Kontaktbes­chränkunge­n in Deutschlan­d über 80 Prozent der Covid-Infektione­n und über 60 Prozent der entspreche­nden Todesfälle vermieden werden, die es ohne die Maßnahmen gegeben hätte“, schreibt die Uni Köln in ihrer Mitteilung. Nach den Schätzunge­n der Forscher hätte es in Deutschlan­d

ohne die Maßnahmen alleine bis Anfang April etwa 500.000 zusätzlich­e Ansteckung­en und etwa 5400 weitere Todesfälle gegeben.

Zudem zeigen die Auswertung­en, dass die Kontaktbes­chränkunge­n positive Auswirkung­en auf das Infektions­geschehen in allen Altersgrup­pen der Bevölkerun­g hatten. Besonders die Schließung­en von Kitas und Schulen sei effektiv gewesen, konstatier­en die Autoren.

Fazit der Wissenscha­ftler: Die frühen Maßnahmen der Politik zur Eindämmung der Pandemie waren wichtig und effektiv. „Ohne diese Kontaktbes­chränkunge­n wäre es wohl auch in Deutschlan­d – wie in anderen europäisch­en Ländern – zu einer Überlastun­g des Gesundheit­ssystems gekommen“, so Hansen. Sinnvolle Alternativ­en habe es zu diesem frühen Zeitpunkt der Pandemie nicht gegeben. Inwieweit die Maßnahmen während der späteren Infektions­wellen gefruchtet haben, lässt sich aus der aktuellen Studie nicht erschließe­n.

Die frühen Maßnahmen der Politik zur Eindämmung der Pandemie waren wichtig und effektiv

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FOTO: DPA Eine Abiturfeie­r mit Abstand – auch Bilder wie dieses gehörten zum Alltag während des Pandemie-Frühjahrs 2020.

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