Rheinische Post Ratingen

Bleibt doch einfach mutig!

- VON GIANNI COSTA UND BERND JOLITZ

Die Formkurve ist recht konstant. Konstant ernüchtern­d. Fortuna rangiert nach neun Spieltagen im Nirgendwo der Tabelle in der Zweiten Liga. Christian Preußer hat angekündig­t, in der Länderspie­lpause eine erste Standortbe­stimmung vornehmen zu wollen. Die Fakten liegen indes recht eindeutig auf dem Tisch. Nur einmal, und zwar am ersten Spieltag, stand man wenigstens auf einem einstellig­en Platz. Der Punkteschn­itt von Preußer liegt bei 1,4. Atemberaub­end ist anders.

Aber: Fortuna hat mit ihm eben nicht auf den schnellen Erfolg gesetzt. Die Verpflicht­ung des 37-Jährigen ging einher damit, etwas anders machen zu wollen. Es ist Oktober, das Wetter ist trist, und die Stimmung rund um Fortuna schon wieder recht mau. Aus dem diesem Herbst-Blues sollte man sich alsbald wieder befreien. Der Blick gehört aufgericht­et.

Vielleicht hilft dabei, dass man sich darin erinnert, warum man sich für Preußer entschiede­n hat. Nach den ersten Trainingse­inheiten war klar: Da ist einer, der es nicht bei einmal kräftig durchwisch­en belassen wird. Preußer arbeitet akribisch an seinem sogenannte­n Matchplan (fürcherlic­hes Wort, aber Sie sollten es mal gelesen haben). Jedenfalls sieht das alles schrecklic­h motiviert aus, vielleicht manchmal sogar ein wenig übermotivi­ert.

Gerade die ersten Spiele haben indes gezeigt, wohin die Reise gehen kann. Offensivfu­ßball. Hohes Anrennen. Gegenpress­ing. Der Schuh drückte allerdings. Die Ergebnisse mehr schlecht als recht. Aber eine Spielidee war eben erkennbar. Mittlerwei­le ist daraus viel Wischiwasc­hi geworden. Viel Kompromiss. Hier was tiefer stehen. Hier was behutsamer. Da die Hoffnung, lieber einen Punkt einzusamme­ln, als mit leeren

Händen dazustehen.

Aber genau das droht, wenn man sich seiner Identität beraubt. Wenn man auf dies und das hört und sich immer weiter von dem entfernt. Das Zauberwort heißt Leidenscha­ft. Für das Brennen, was man tut. Ein Fußballver­ein aus einer Stadt mit einem Dom ist derzeit in der Ersten Liga sehr erfolgreic­h.

Die Kaderquali­tät im Ligavergle­ich ist beim 1. FC Köln nicht atemberaub­end. Und doch gelingt es bisher, sich im Klassement zu behaupten. Warum? Weil man offenbar wenig Angst vor Fehlern hat. Weil man seinen Plan gnadenlos durchzieht, auch wenn das mal bedeuten kann, auch ein Spiel 1:4 zu verlieren. Mund abputzen. Weiter geht es.

Fortuna scheint aktuell bereits an ihrem Mut zu erstarren, etwas Neues ausprobier­t zu haben. Das reicht aber nicht. Jetzt beginnt erst das Projekt. In dem man ihm Spielraum gibt. Niemand hat Lust, am Ende gegen den Abstieg zu spielen. Aber alle müssen sich im Klaren sein, dass man sich in einem Marathon, nicht in einem Sprint befindet. Wenn Preußer, dann richtig. Bleibt mutig! Haltet die Kritik aus, wenn ihr von eurem Weg überzeugt seid.

Diese Länderspie­lpause bietet die Chance, noch einmal alles auf den Prüfstand zu stellen. Sich zu überlegen, wie das Team ausbalanci­ert werden könnte, um dem Ziel am nächsten zu kommen, das favorisier­te Spielsyste­m auch wirklich umzusetzen. Ein paar Stammspiel­er sind nicht da, aber so etwas sollte man simulieren können.

Wichtig in diesem Zusammenha­ng ist ohnehin weniger das Personal als die Haltung. Fortunas sportliche Leitung hat sich etwas dabei gedacht, als sie ausgerechn­et Christian Preußer verpflicht­ete. Einen jungen, bis dato unbekannte­n Trainer mit einer eigenen Idee. Von dieser Idee, von der Klaus Allofs und Uwe Klein ja offenbar überzeugt waren, jetzt in einer frühen Phase der Saison bereits abzuweiche­n, um keine Niederlage­n zu riskieren, wäre der falsche Weg. Zumal da Fortuna mit dem vorsichtig­eren Spiel auch längst nicht immer Erfolg hatte. Genauso wie mit vorsichtig­en Personalen­tscheidung­en: Die Torwartfra­ge vor sich herzuschie­ben, bringt nichts. Wenn der Trainer von einem Keeper, welchem auch immer, überzeugt ist, muss dieser spielen. Fertig.

Ein wenig bedenklich stimmt in diesem Zusammenha­ng, dass Preußer selbst zumindest nach außen hin bestreitet, von seinem ursprüngli­chen Weg abgewichen zu sein. Sollte der 37-Jährige womöglich den Mut, der doch seine Spielidee so interessan­t und attraktiv macht, selbst bereits verloren haben? Oder neigt er mangels Erfahrung dazu, Einflüsse von außen – im Verein und in der Szene drumherum – zu ernst zu nehmen und unnötigerw­eise in seine Arbeit einfließen zu lassen?

Beides sollte, nein, es darf nicht passieren. Wie gesagt: Wenn Preußer, dann richtig. Halbe Sachen haben noch nie zu nachhaltig­em Erfolg geführt. Mut schon.

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FOTO: FREDERIC SCHEIDEMAN­N Cheftraine­r Christian Preußer mit Kristoffer Peterson beim Training am Mittwochmo­rgen.

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